Umweltaktivisten sind im amerikanischen Kino, sofern sie überhaupt auf der Leinwand erscheinen, nicht wohlgelitten. Hollywood kann ernste ökologische Überzeugung nur ironisch oder zynisch betrachten: Entweder sie tauchen als hippieeske Witzfiguren oder als verblendete Terroristen auf. Selbst das politisch offenere US-Independentkino macht bei dieser Stigmatisierung oft bereitwillig mit. The East von Zal Batmanglij etwa imaginiert eine bizarre Öko-Sekte unter der Ägide eines sexualisierten Gurus (Alexander Skarsgård), die glatt einem reaktionären Fox-News-Beitrag entsprungen sein könnte. Kelly Reichardts Night Moves ist zwar ein brillantes Psychogramm einer fatalen Dreiecksbeziehung, lässt die Motive der drei Aktivisten und Aktivistinnen im Zentr
ktivistinnen im Zentrum der Handlung allerdings alles andere als selbstlos erscheinen.Reichardts Film ist dennoch die offensichtlichste Inspiration für Daniel Goldhabers neuen Thriller How to Blow Up a Pipeline. In beiden Filmen soll etwas in die Luft gejagt werden – ein Damm in Night Moves, eine Ölpipeline in Texas bei Goldhaber –, um ein politisches Zeichen zu setzen. Beide Filme vermitteln gekonnt die Frustration ihrer jungen Protagonisten mit den legalen, scheinbar wirkungslosen Proteststrategien gegen ein schier übermächtiges System aus Staat und Wirtschaft, das aktiv die Zerstörung der Umwelt vorantreibt.Der Unterschied zwischen How to Blow Up a Pipeline und Night Moves sowie den meisten anderen US-Filmen ist, dass sich Goldhabers Film unzweideutig und von Beginn an auf die Seite der Umweltschützer schlägt. Das erkennt man vor allem daran, dass der Regisseur den Regeln des klassischen Bankraub-Thrillers folgt: Eine diverse Gruppe aus Expertinnen findet zusammen, schmiedet einen Plan, trifft akribische Vorbereitungen und stößt in der Ausführung auf unerwartete Probleme. Die Mechanismen des Genres sowie die von Goldhaber konsequent kultivierte Spannung lassen uns keinen Moment an unseren Sympathien zweifeln.Bemerkenswert an diesem Film ist zudem, dass er sich nicht lange mit Vorgeplänkel aufhält: Im Vordergrund steht der Plan und so setzt der Film unmittelbar mit dem Beginn seiner Ausführung ein. Dass die acht Hauptfiguren dabei trotzdem nicht blass oder unglaubwürdig bleiben, liegt zum einen an der hervorragenden Besetzung. Nicht nur harmoniert der Cast aus talentierten Jungschauspieler*innen untereinander, sie verleihen auch jeder einzelnen Figur eine glaubwürdige Motivation und Vorgeschichte.Logische RadikalisierungDa ist etwa Sasha Lane (bekannt aus American Honey) als taffe, aber schwer kranke Theo, die ihre Leukämie auf das Aufwachsen im Umkreis einer Ölraffinerie zurückführt. Oder der schweigsame Farmer Dwayne (Jake Weary), der die Gegend kennt und dessen Lebensunterhalt vom Bau der Pipeline bedroht wurde. Zum anderen begeistert die Erzählstruktur des Films: Die Vorgeschichten der Charaktere werden in kurzen, präzisen Rückblenden eingewebt – immer genau dann, wenn es im Hauptplot besonders heikel wird.Eingebetteter MedieninhaltWenn es so etwas wie eine Hauptfigur in How to Blow Up a Pipeline gibt, dann ist das Xochitl (Ariela Barer), Theos beste Freundin. Nach dem frühzeitigen Tod ihrer Mutter in Folge einer extremen Hitzewelle in Südkalifornien radikalisieren sich die Ansichten der Studentin zum Klimaaktivismus. Die Demonstrationen und Flugblätteraktionen, die sie zuvor mit ihren Kommilitonen an der Uni plante, erscheinen ihr plötzlich lächerlich. Im zentralen Moment des Films legt sie ihren geschockten ehemaligen Mitstreitern dar, dass legale Wege zum Abwenden der Klimakrise entweder ineffektiv bleiben oder Jahrzehnte dauern könnten – wertvolle Zeit, die der Menschheit schlichtweg nicht bleibt. Gezielte Sachbeschädigung, ziviler Ungehorsam und Zerstörung von Infrastruktur seien der logische nächste Schritt und angesichts der lebensbedrohlichen Folgen letztlich nichts anderes als Selbstverteidigung.Der Film unterstützt diese Argumente, indem er die Professionalität der jungen Leute unterstreicht: Ihr Plan ist so reflektiert, die Ausführung so präzise und gezielt, dass mögliche moralische Einwände gegen ihr Vorgehen schnell zerstreut werden. Dazu kommt, dass die Diversität der Gruppenmitglieder hier mehr ist als bloßes identitätspolitisches Lippenbekenntnis: Goldhaber macht die intersektionale Dringlichkeit ökologischer Probleme über jegliche Identitätsgrenzen hinweg deutlich und zeigt, wie wichtig Koordination und Solidarität im Angesicht der Klimakrise sind. Insofern unterscheidet sich How to Blow Up a Pipeline von den Bankräuber- und anderen Gangsterfilmen, deren Mechanismen er zitiert – wo dort Profitgier und Individualismus zelebriert werden, macht vor allem das überraschende Ende dieses Films deutlich, dass die Ziele der Gruppe wahrhaft selbstlos sind.Der Titel des Films bezieht sich auf das gleichnamige Sachbuch des Schweden Andreas Malm, in dem der Autor für Sabotage als legitimes Mittel im Klimaaktivismus argumentiert. Man sollte den Film allerdings weniger als Anleitung zum Bombenbauen verstehen denn als einen hochgradig unterhaltsamen Appell für widerständige Zusammenarbeit und gegen Fatalismus.Die Sicherheitsbehörden der USA nehmen Goldhabers Film dennoch (oder gerade deswegen) ganz offensichtlich als Bedrohung wahr. Laut Berichten des Rolling Stone haben 23 verschiedene Landes- und Bundesbehörden mindestens 35 Mitteilungen über den Film verschickt. Der Film habe „das Potenzial, Bedrohungsakteure dazu zu inspirieren, die Öl- und Gasinfrastruktur mit Sprengstoff oder anderen zerstörerischen Vorrichtungen anzugreifen“, hieß es in einer Mitteilung der FBI-Direktion für Massenvernichtungswaffen (Weapons of Mass Destruction Directorate) vom 6. April. Eine bessere Marketingkampagne kann sich Goldhaber kaum wünschen. Ob sich die Warnungen des FBI bewahrheiten, bleibt zu bezweifeln; fest steht aber, dass der Film in eine nicht unwahrscheinliche, nahe Zukunft weist, in der „Klimakleben“ und Suppe-über-Gemälde-Gießen noch als harmloseste Formen des Widerstands gegen die Zerstörung des Planeten gelten.Placeholder infobox-1