Gift im Kopf: Menschenmassen und Rattenfänger

Meinung & Freiheit Nun marschieren in Dresden wieder einige Abendspaziergänger auf und skandieren falsch zugeordnete Zitate. Ein Kommentar in Wort und Bild

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Es ist schon ein bizarres Bild, wenn sich heute unter der historischen Anleihe „Wir sind das Volk“ – einem Ruf nach Freiheit, Demokratie und Menschenrechten – lose Gruppierungen und Menschen vereinen, die sich in ihrer Zügellosigkeit nur auf Fremdenfeindlichkeit als kleinsten gemeinsamen Nenner einigen können.

Eingebetteter MedieninhaltKarikatur: „Karl Kraus“; Quelle: www.timoessner.de

Vor kurzem startete die Aktion „Kein Bier für Rassisten!“ der BVB-Fanabteilung. Eine Million schwarz-gelber Bierdeckel mit dem Slogan der Anti-Rassismus-Kampagne werden in Dortmunder Kneipen verteilt. Die Kampagne geht einher mit den „Internationalen Wochen gegen Rassismus„ des Interkulturellen Rats und die „Laut gegen Nazis“-Initiative. Das Ziel ist klar: Es gilt, der Hooligan-Szene Herr zu werden, Auswüchse mit sanften Methoden zu beschneiden und Jugendliche durch Präventions-Programme vor dem Schlimmsten zu bewahren.

Denn in den vergangenen Jahrzehnten hat sich eine Parallel-Kultur im Untergrund entwickelt, die seit einigen Wochen und Monaten offen auf die Straßen brodelt und die öffentliche Ruhe empfindlich stört. Leider bringt die neue Bewegung keine neuen Argumente in die öffentliche Diskussion ein, sondern kocht alte und längst überwundene Vorurteile neu auf.

Von Fußballschlägern zu politischen Krawallmachern

Das Phänomen der Hooligan-Szene stammt ursprünglich aus England und der extremen Fankultur. Im Zentrum stehen der eigene Fußballverein und die Verteidigung der Vereinsehre. Im weiteren Sinne spielen die Überwindung eigener Ängste, der Gruppenzusammenhalt oder schlicht die schiere Lust an Gewalt eine gewichtige Rolle. Die Mitglieder kommen aus allen Teilen der Gesellschaft, und die persönliche Motivation dafür kann höchst unterschiedlich sein.

Im Zuge der Gewaltexzesse um Fußballspiele (etwa beim berühmt-berüchtigten Nord-Derby) und schwersten Ausschreitungen mit Schwer- und sogar tödlich Verletzten, verschärften Polizei und Politik hierzulande die Maßnahmen gegen die Hooligan-Szene in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend.

Dafür gibt es zwei zentrale Auslöser: Der Tod des Jugendlichen Adrian Maleika im Zuge einer Prügelei zwischen HSV-Fans und Fans vom SV Werder Bremen im Zuge eines DFB-Pokalspiels am 16. Oktober 1982 veranlasste die Polizei, ihre Sicherheitsmaßnahmen zu verschärfen und strikter auszuführen sowie die Szene genauer zu beobachten. Dazu zählt auch die Einrichtung der „Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze“, die – wie der Name schon andeutet – die Einsätze der Polizei rund um Sportveranstaltungen dokumentiert.

Als sich im Oktober vergangenen Jahres einige hundert Hooligans unter dem Sammelbegriff „HoGeSa“ mit ähnlich gewaltbereiten Mitgliedern der Salafisten-Szene in Köln zu einer Massenschlägerei trafen und die halbe Innenstadt verwüsteten, reagierte der BGH nur knapp drei Monate später mit einem erstaunlich zeitnahen Urteil und erklärte unter dem Aktenzeichen 3 StR 233/14 am 22.01.2015, dass Hooligan-Gruppen als kriminelle Vereinigungen eingestuft werden können, wenn sich die Mitglieder zu Massenschlägereien verabreden. Das bedeutet im Klartext: Eine Stadt hat nun die juristische Möglichkeit, eine angemeldete Demonstration zu verbieten und im Zweifel mit vollem Polizei-Einsatz durchzugreifen, um erneute Ausschreitungen wie in Köln zu verhindern.

Das Urteil kam gewissermaßen gerade rechtzeitig, denn schon hatten sich die Hooligans und die Salafisten zur zweiten Runde in Wuppertal verabredet. Diese verlief – nicht zuletzt dank des klaren Rechtsrahmens durch das BGH-Urteil – entsprechend kleiner und weniger verheerend.

Eingebetteter MedieninhaltKarikatur: „Kolosseum“; Quelle: www.timoessner.de

Das braune Marketing: Hass und Gewalt für die PR

Neu an dem Kölner Aufruhr war, dass sich die bisher weitestgehend politisch unstrukturierten Gruppierungen der Hooligans plötzlich mit einem vorgeblich politischen Ziel organisiert hatten. Obwohl viele der Mitglieder verdächtig oft mit rechtsradikalen und rassistischen Tattoos, Parolen und Aktionen auftreten, war die Hooligan-Szene bisher keine politische Bewegung oder bundesweit derart zahlreich vereint. Mit dem erklärten Ziel, das Abendland gegen eine angeblich drohende Islamisierung verteidigen zu wollen, ergibt sich ein gemeinsames Ziel – und damit der Zwang zur Struktur.

Wer etwas Erfahrung mit Werbung und Marketing hat, dem fällt schnell auf, dass die Präsenz von Pegida & Co. einer gewissen Strategie zu folgen scheint. Es liest sich gewissermaßen wie das Einmaleins einer gezielten Kampagne.

Bad Publicity = Publicity = Good Publicity

Der Auftritt der Hogesa war ein Knall in der Medienlandschaft und verursachte für mehrere Tage ein Blätterrauschen im Zeitungswald. Thema Nummer eins in der öffentlichen Wahrnehmung war die unerwartete Heftigkeit des Gewaltausbruchs. Im Zuge der Berichterstattung wurden dann Ausschnitte in Schleife durch alle Kanäle gejagt, von höchst sympathisch wirkenden Schlägertypen, die ihren Hoheitsanspruch auf das Land stellten und dies ebenso eifrig wie einfach formuliert in die Kameras schnauzten.

So wandte sich die öffentliche Diskussion nach dem ersten Schrecken ab von der Frage der Verursacher der Gewalt und richtete den Fokus auf die Beweggründe der Versammlung.

Getrennt marschieren, gemeinsam schlagen

Das war die Geburtsstunde von Pegida und ihren zahlreichen dezentralen Ablegern. Plötzlich versammelten sich auf den Straßen deutscher Städte ganze Menschenmassen und machten ihrem Unmut lautstark Luft. Bemerkenswert war die Streitkultur dieser Demonstrationen: Sie war einfach nicht vorhanden. Statt eines Austauschs mit dem Rest der Gesellschaft wurde der Dialog mit der sogenannten „Lügenpresse“ verwehrt, wurden Kundgebungen im Stil von Frontalunterricht abgehalten; die Hauptbotschaft: Man habe es satt, es müsse sich etwas ändern – und dabei soll alles so bleiben, wie es früher einmal war.

Die Journalisten stürzten sich natürlich sofort drauf. Wenn es für diesen Berufsstand so etwas wie ein gefundenes Fressen gibt, dann sind es Menschen, die keine Fragen beantworten wollen – da schlägt der Instinkt sofort Alarm. Noch besser sind Gruppen, die keine Antworten geben wollen – denn irgendeiner aus der Gruppe findet sich immer, der dann doch mit der Kamera spricht.

Die Videoschnipsel und Interviewfetzen bestätigten offenbar den ersten Eindruck der öffentlichen Wahrnehmung: Hier haben sich die Verlorenen, die Vergessenen und Extremtheoretiker aller Couleur zusammen gefunden. Von Anti-Amerikanismus bis Anti-Zuwanderung, in den Kommentaren war so ziemlich alles dabei. Den Medienvertretern bot sich eine Szenerie dar, die man wunderbar ausschlachten konnte: blanker Hass, diffuse Ängste und eine ungezügelte, ziellose Wut. Wunderbarer Stoff fürs Titelblatt und alle Satiriker des Landes.

Diffuse Ängste und ziellose Wut

Nun ist es sicherlich so, dass in Deutschland nicht alles richtig läuft. Einiges läuft bestimmt auch so falsch, dass man dringend etwas tun muss. Leider offenbart sich exakt bei solchen Phänomenen wie der Pegida-Bewegung das große Problem mit der politischen Verantwortung jedes Bürgers einer Demokratie: Um an der öffentlichen Diskussion teilnehmen zu können und ernst genommen zu werden, muss man über ein gewisses Grundmaß an Vorwissen und Allgemeinbildung verfügen, damit man sich mit komplexen Problemen auseinander setzen und sachlich argumentieren kann.

Niemand stellt in Frage, dass wir eine Vielzahl von komplexen politischen Baustellen in Deutschland haben. Bis zu diesem Punkt würde auch niemand ernsthaft auf die Idee kommen, den Menschen ihr Recht auf Meinungsfreiheit oder ihr Demonstrationsrecht abzuerkennen. Wir haben in diesem Land allerdings sehr schlechte Erfahrungen damit gemacht, eine Minderheit für sämtliches Unglück verantwortlich zu machen; das war nie eine Lösung, das brauchen wir als Gesellschaft nicht und das wollen wir als aufgeklärte Menschen auch bestimmt nicht noch einmal erleben. Erfreulicherweise sieht ein Großteil der Bevölkerung das weiterhin ganz ähnlich, denn die Demonstrationen blieben trotz der zahlenmäßig mitunter vielleicht beeindruckenden Größe doch relativ überschaubar: Selbst 50.000 Demonstranten entsprechen weniger als 0,1 Prozent der Bevölkerung.

In der Zwischenzeit hat sich allerdings das ganze Land für Wochen und Monate über Pegida & Co, eine angeblich drohende Übernahme unserer Weihnachtsmärkte durch unchristliche Zottelbärte oder angeblich massenhaft durch menschenfressende Ausländer verschwundene blondlockige Kinderchen das Maul zerrissen. Dabei ist klar, dass es nicht um Islam oder Kultur geht. Es geht um Ausländer – und zwar die mit der dunklen Haut. Wie der greise Griesgram Methusalix es im „Asterix“-Band „das Geschenk Cäsars“ so schön auf den Punkt brachte: „Ich hab nichts gegen Fremde. Einige meiner besten Freunde sind Fremde. Aber diese Fremden sind nicht von hier!“

„Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss“

Was haben Cato der Ältere und unsere ewiggestrigen Zeitgenossen gemeinsam? Nun, es ist die Überzeugung einer empfundenen Bedrohung auf der einen Seite und die stetige, nicht müde werdende Wiederbelebung eines längst widerlegten Irrglaubens.

Der römische Redner hatte es sich vor gut 2000 Jahren zur Angewohnheit gemacht, jede seiner Reden im Senat – ob es zum Thema passte oder nicht – mit den Worten „Ceterum censeo Carthaginem esse delendam“ abzuschließen: „Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss.“ Das ging jahrelang so und erhielt deshalb auch einen festen Eintrag in den Geschichtsbüchern. Dabei hatten Rom und Karthago längst alle Streitigkeiten beigelegt und waren friedliche, verlässliche Handelspartner.

Ganz ähnlich lässt sich ein gewisser Anteil der Bevölkerung entgegen jeder gesamtgesellschaftlichen Weiterentwicklung nicht von dem Gedanken abbringen, dass Ausländer generell schlecht für Deutschland sind und man der Einwanderung einen Riegel vorschieben sollte. Um nicht direkt als Nazi unangenehm aufzufallen – man lernt ja doch etwas dazu –, greifen diese Leute nun gewissermaßen zur Bibel und mahnen den schädlichen Einfluss fremder Religionen auf unsere Kultur an. Da ist es vermutlich purer Zufall, dass man das Abendland nur gegen den kulturellen Einfluss mit dunkler Hautfarbe schützen möchte.

Die Vorstellung, dass uns „die Ausländer“ als abstrakter schwammartiger Parasitenhaufen nur auf der kollektiven Tasche liegen, wurde bereits hinlänglich diskutiert und durch die Wirklichkeit widerlegt – das soll an dieser Stelle nicht neu aufgerollt werden. Es ist allerdings der erste zentrale Punkt des ominösen „Forderungspapiers“ der Pegida, mit der sich die Bewegung um Bärtchenträger Bachmann als seriös aufstellen wollte, der schon hinfällig war, noch bevor die Druckertinte auf dem Papier trocken war.

So wurden auch die anderen Punkte auf der Liste von der bundesweiten Presse schon ausreichend auseinander genommen. Es geht an dieser Stelle auch nicht um die erneute Enthüllung inhaltsloser Argumentationshülsen, sondern um das leider etwas vergessene „Wehret den Anfängen“.

Wehret den Anfängen

Als Cato der Ältere einige Jahre lang seinen Lieblings-Refrain fleißig genug in die Köpfe seiner Senatskollegen gehämmert hatte, erlebte Rom eine Rezession. Die Wirtschaft bröckelte, und das fragile politische System drohte unter dem wachsenden Unmut der Bevölkerung zu kippen. Der geneigte Leser ahnt vielleicht bereits, was folgte: Rom erklärte Kathargo den Krieg. Steter Tropfen höhlt den Stein.

Wer hier Parallelen zur Nazi-Zeit erkennt und sich an einen ähnlich verhängnisschweren Satz der faschistischen Propaganda erinnert fühlt: Jepp, das war Absicht. Egal, ob zu Zeiten der alten Römer, der alten Nazis oder der neuen Rechten: Die Mechanismen und Strategien sind durchaus vergleichbar, ebenso wie der wirtschaftliche und soziale Kontext. Wenn sich Unsicherheit breitmacht, braucht der Mensch Halt – ein einfaches Feindbild schafft Struktur. Schnell finden sich Übereifrige, die in dieser Struktur ihren Platz einnehmen und schnelle Lösungen im Rahmen der neuen Werteordnung schaffen.

So geht die Gefahr bei Pegida weniger von den Anführern der Bewegung aus, als vielmehr von den Mitläufern. Denn mit einer wachsenden Zahl von Menschen, die sich der Bewegung anschließen, beginnt eine wachsende Zahl anderer Menschen darüber nachzudenken, ob die Gründe und Forderungen der Bewegung nicht sogar gerechtfertigt wären? Einhunderttausend Lemminge KÖNNEN sich nicht irren!

Irgendeiner in der Bewegung kommt früher oder später zu dem Schluss, dass die gewünschte Veränderung nicht schnell genug eintritt oder die gewählten Mittel nicht drastisch bzw. effektiv genug sind. So waren vermutlich nur wenige erstaunt, als das passierte, was zwangsläufig droht, wenn ausländerfeindliche Demonstrationen zeitlich und örtlich mit der Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften zusammenfallen. Am Morgen des 14. Januar wird die Leiche des Eritreers Khaled B. vor dem Asylbewerberheim gefunden, in dessen Nähe auch die Pegida-Demos stattfinden. Die Bewohner berichten von offenen Drohungen und Todesangst. Die Dresdener Polizei ermittelt mit einem 25-köpfigen Team schnell, gründlich und selbstverständlich völlig neutral. Bereits eine Woche später wird von der Staatsanwaltschaft festgestellt, dass ein anderer Asylbewerber den jungen Schwarzafrikaner brutal erstochen hat. Wie praktisch.

Der Anschlag von Paris: Wasser auf die Mühlen der Kulturkrieger

Etwa zu dieser Zeit offenbart die AfD ihre direkte Sympathie für und die Identifikation mit der Pegida-Bewegung. Als in Paris der entsetzliche Anschlag auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ von islamistisch motivierten Attentätern ausgeführt wurde, erklärte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD), Alexander Gauland: „All diejenigen, die bisher die Sorgen der Menschen vor einer drohenden Gefahr durch Islamismus ignoriert oder verlacht haben, werden durch diese Bluttat Lügen gestraft“ und führte weiter aus, dass der tödliche Angriff auf die Redaktion des französischen Satiremagazins zeige, „wie fragil und schutzbedürftig die Grundwerte unserer Gesellschaft sind.“

Das ist natürlich Blödsinn, denn die Grundwerte einer freien und offenen Gesellschaft waren historisch gesehen langfristig immer stärker als Terror, Diktaturen oder Faschismus. Tatsächlich bewahrheitet sich in diesem schrecklichen Verbrechen lediglich das Paradoxon von Freiheit und Sicherheit: Es gibt keine perfekte Sicherheit – und Kriminelle stellen in jeder Gesellschaftsform ein Problem dar. Blut- und Gewalttaten lassen sich nicht gänzlich verhindern. Ganz gewiss ist es völlig sinnlos, seine Freiheit zugunsten von Sicherheit aufzugeben – Mörder, Hetzer und Gewalttäter gab es auch in den Diktaturen der Geschichte im Übermaß.

Wir haben als Gesellschaft kein Problem mit kriminellen Ausländern oder einer dominanten Kultur, die unsere bedroht. Wir haben ein Problem mit Arschlöchern! Das darf auch gerne zur Sprache gebracht werden. Allerdings und auch wenn das einige Leser jetzt traurig macht: Wir können unser Problem mit Arschlöchern nicht lösen, indem wir sie ausbürgern oder präventiv töten. Es gibt auch keinen entsprechenden Test, mit dem man etwa Einreisende durchleuchten könnte.

Von norwegischer Besonnenheit lernen

Der einzige Weg, als offene Gesellschaft mit Terror umzugehen, ist jener, den Norwegen wählte, als der Anschlag auf Utøya verübt wurde: Statt dem Terror nachzugeben, antworteten die Norweger mit einem umso beherzteren „Kampf für Offenheit, Toleranz und Vielfalt“ mit zahlreichen herzerwärmenden, inspirierenden Beispielen für Zwischenmenschlichkeit. „Das norwegische Volk antwortete, indem es sich zu den eigenen Werten bekannte. Der Attentäter scheiterte, das Volk hat gewonnen“, brachte es Ministerpräsident Jens Stoltenberg während einer Kranzniederlegung in Oslo auf den Punkt.

Stoltenbergs Zitat soll gewissermaßen das Fazit sein. Es ist ziemlich egal, aus welcher Richtung der Terror kommt. Mir sind „unsere“ Terroristen nicht lieber als andere. Wer Angst sät, der will Macht ausüben – es liegt also an jedem von uns, den Hetzern und Panikmachern schlichtweg zu verbieten, ihre Version von Catos Refrain in unsere Herzen und Köpfe zu hämmern.

Ja, wo laufen sie denn?

Inzwischen schwindet der Rückhalt für die Pegida-Bewegung. Wie so viele Gruppierungen scheitert sie an internem Machtkampf, hässlichen Altlasten ihrer Führungs-Figuren und der Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens. Als die Grünen als Partei aus der Friedens- und Anti-Atomkraft-Bewegung hervorgingen, hatten sie ein zentrales gemeinsames und vor allem realistisch erreichbares politisches Ziel. Den Pegida-Anhängern dagegen dürfte inzwischen klar sein, dass ein Deutschland ohne Ausländer schlichtweg unrealistisch ist – egal, was man davon halten mag. So schwinden die Teilnehmerzahlen der „Abendspaziergänge“ allmählich, und auch die zweite Prügelrunde in Wuppertal fiel eher mau aus. Auch der WDR konstatierte in einem Bericht in der „Aktuellen Stunde“ vom 15. März: „Demo-Fazit: Keine Basis für Pegida.“ In der Zwischenzeit hat sich Pegida von Ablegern wie Legida losgesagt und von der AfD distanziert, die einige Zeit regelrecht als politischer Arm der Bewegung auftrat.

Eingebetteter MedieninhaltKarikatur: „Rechten Arm runter“; Quelle: www.timoessner.de

Der MDR meldet indes, dass Ex-Pegida-Führer Bachmann einen eigenen Kandidaten zur Dresdner Oberbürgermeisterwahl im Juni aufstellen will. Nach Informationen der Stadtverwaltung Dresden ist die Versammlung mit bis zu 30.000 Teilnehmern angemeldet. Der Schuss wird vermutlich nach hinten losgehen: Erstens waren die Zahlen der Pegida bisher wohl aus PR-Gründen immer grob überschätzt; die erhobenen Teilnehmerzahlen der Polizei und unabhängiger Beobachter lagen bei jeder Demo bedeutend geringer. Zweitens wohnen in Dresden laut Melderegister vom 31. Dezember letzten Jahres gut 541.000 Einwohner. Damit ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass Bachmanns OB-Kandidat ins Amt kommt. Die etablierten Parteien werden zudem ihr Möglichstes tun, um neue Konkurrenz zu verhindern.

Gift im Kopf

Die Gefahr, die bleibt, ist das Gift in den Köpfen der Menschen. Was Pegida in den letzten Monaten angerichtet hat, ist unmittelbar nicht sichtbar. Es wird aber deutlich in den Internetforen, den Gesprächen zwischen Freunden und der Stimmung an den Stammtischen. Plötzlich zerstreiten sich Familien über das Thema Einwanderung und selbst Menschen in meinem Umkreis, die ich als charakterlich gefestigt und vorsichtig im Umgang mit Medien kenne, ließen plötzlich Sympathie für die Bewegung durchblicken.

Es ist unbestreitbar, dass wir in der Frage um die Einwanderung eine öffentliche Diskussion brauchen – wie zu so vielen anderen Themen von A wie Arbeitsmarkt bis Z wie Zivilcourage. Ebenso unbestreitbar ist und bleibt jedoch, dass wir auf der Grundlage dessen, was wir in der Zwischenzeit als Gesellschaft dazugelernt haben, eine konstruktive und zielführende Gesprächskultur brauchen – statt auf alte Lügen neu hereinzufallen.

Quellen:

http://www.mdr.de/nachrichten/pegida-dresden230_zc-e9a9d57e_zs-6c4417e7.html

http://www.hintergrund.de/20091007509/hintergrund/11-september-und-die-folgen/warum-propaganda-die-wahrheit-uebertrumpft.html

http://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/aktuelle_stunde/videodemofazitkeinebasisfuerpegida100.html

https://www.fussballoutlet24.de/blog/Die-haeufigsten-Fussballverletzungen-und-vorbeugende-Massnahmen/b-86/

http://www.tagesspiegel.de/politik/liveticker-zu-anschlag-auf-charlie-hebdo-trauer-vor-franzoesischer-botschaft-in-berlin/11196110.html

http://www.zeit.de/news/2012-07/22/terrorismus-norwegen-stolz-auf-toleranz-und-offenheit-trotz-der-terroranschlaege-22165007

http://www.taz.de/!142855/

http://www.zeit.de/sport/2015-01/fans-hooligans-dynamo-dresden-gewalt-elbflorenz

http://www.faszination-fankurve.de/index.php?head=Aufloesungwelle-bei-Hooligans-Gruppen&folder=sites&site=news_detail&news_id=8763

http://www.mdr.de/nachrichten/bgh-urteil-zu-hooligans100.html

http://www.fnp.de/nachrichten/politik/Frankfurter-Szene-zaehlt-zu-der-haertesten;art673,1100256

https://www.polizei.nrw.de/media/Dokumente/Behoerden/LZPD/ZIS_Jahresbericht_2013_14.pdf

http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/jugendkulturen-in-deutschland/36239/von-guten-und-mitlaeufern

http://www.tagesspiegel.de/berlin/gewalt-im-fussball-polizei-diskutiert-datenspeicherung-von-hooligans/11381374.htm

http://www.fussball-gegen-nazis.de/beitrag/kein-bier-f%C3%BCr-rassisten-internationale-wochen-gegen-rassismus-2015-10120

http://www.l-iz.de/leben/faelle-unfaelle/2015/03/rechtsextremisten-nehmen-lokaljournalist-ins-visier-80134

http://www.ardmediathek.de/tv/Sport-inside/Au%C3%9Fer-Kontrolle-Deutschlands-unsichere/WDR-Fernsehen/Video?documentId=27101302&bcastId=1493328

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Timo Essner

Flensburger Jung, zweisprachig aufgewachsen, dritter Sohn von Literaten.Karikaturist und freier Redakteur in diversen Publikationen on- und offline.

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