Bundesinnenminister Thomas De Maizière hat die linke Internetplattform linksunten-indymedia.org verboten und alle damit verbundenen E-Mail-Accounts sowie die Tor-Seite der Plattform schließen lassen.
Hintergrund ist neben dem G20-Gipfel nicht zuletzt die nahende Bundestagswahl. Man mag von der Maßnahme politisch halten, was man möchte, festzuhalten ist auf jeden Fall, dass dieses Verbot ein zahnloser Tiger ist, da es sich durch eine schlichte Umfirmierung leicht umgehen lässt; der eine oder andere erinnert sich vielleicht noch an das Katz-und-Maus-Spiel rund um kino.to und ständig neu aufkommende, ähnlich klingende Kopien der verbotenen Seite.
Eingebetteter Medieninhalt
Karikatur: „Linksunten“; Quelle: www.timoessner.de
Die PR-trächtige Aktion des Innenministers bedeutet vermutlich in erster Linie eine symbolische Geste, die kurz vor der Bundestagswahl im September nur wenig Spielraum für Interpretation lässt: Die alteingesessenen Parteien haben offenbar derart Panik vor der erstarkenden rechten AfD, dass sie sich in politischem Mimikry üben und dem politischen Gegner die Wähler durch Anpassung abluchsen wollen.
Was De Maizière ebenso wie ein Boris Palmer oder ein Horst Seehofer vergisst: Die Bürger sind weitaus aufgeklärter über das politische Spiel, als die Politiker im Bund offenbar zu glauben scheinen. Die Wählerinnen und Wähler lassen sich nicht so einfach mit Platitüden umgarnen, weil die Absicht der Politiker im Wahljahr offensichtlich ist. Gleichzeitig müssen die großen Parteien viel zu spät erkennen, dass sie in den vergangenen Jahren eben jene wiederholt enttäuscht und hingehalten haben, die sie nun erneut für sich gewinnen wollen – zur Not eben mit einem Rechtsruck, wenn der Eindruck vorherrscht, dass rechte Ideologien wieder salonfähig sind. Einem Rechtsruck, der angesichts des beispiellosen Staatsversagens in der Causa NSU einer Kapitulation und einem Offenbarungseid gleichkommen. Einem Rechtsruck, den die überwiegende Mehrheit der Bürger längst nicht mehr mitgehen wollen.
Statt den staatszersetzenden Tendenzen entgegenzuwirken und den Leitsatz „Wehret den Anfängen“ ernst zu nehmen, ergeben sich De Maizière, Palmer, Seehofer und Co. ihrem vermeintlichen Schicksal und versuchen ein Gespür für Wählergruppen aller Seiten zu entwickeln, anstatt Ideen und Konzepte aus persönlicher Überzeugung heraus zu entwickeln und diese konsequent zu verfolgen. Ein Politiker mit Charakter und Profil ist für Wähler immer noch attraktiver, als weichgewaschene Opportunisten; da hilft auch keine PR-Kampagne im Look &Feel einer Parfum-Werbung.
Seit Monaten verliert sich eine Partei nach der anderen in schmeichelnden Worthülsen und leeren symbolischen Gesten, mit dem erwartbaren Effekt, dass die nächste Bundestagswahl – egal, wie sie ausgeht – schlagartig Ernüchterung bei allen Beteiligten auslösen wird. Und das ist das einzig Gute an diesem Bundestagswahljahr!
Kommentare 5
VerSchlimmBessert
«..., festzuhalten ist auf jeden Fall, dass dieses Verbot ein zahnloser Tiger ist, ...»
Heute Nachmittag hatte ich einen Kommentar aus Hamburg gehört. Die Polizei hat über diese Plattform durchaus Informationen sammeln können zur Prävention. Diese Informationen fallen nun erst einmal weg, bis die Polizei herausgefunden hat, wie sich die Gruppen neu organisieren.
Der etwas öffentlichkeitsgierige Innenminister hat der Polizeiarbeit also Schaden zugefügt und damit seinen Amtseid gebrochen – das aber sicher in «Guter Absicht» und unwissentlich.
Die radikale Mitte schlägt um sich - gegen alles abseits vom Mainstream. Und mit dem Verbot von Untenlinks schadet sie sich sogar selbst.
Ja, Untenlinks war/ist ein Portal in dem jede Menge dumpfe "Aktivisten" aktiv waren/sind. Untenlinks war aber auch ein Portal, in dem eben diese Dorfdeppen von Antifa und vergleichbare Aktivisten sich der Diskussion mit anderen Linken stellen mussten - und durchaus auch eine Menge Kritik für ihren infantilen Aktionismus erhalten haben.
Mit der Abschaltung von Untenlinks werden sich die Deppen nun anderweitig organisieren und jetzt noch mehr in ihrer apolitischen Blase leben.
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Meinungen verbieten war noch nie erfolgreich, das sollten sich sowohl Maizière als auch die Moralapostel der Kulturlinken hinter die Ohren schreiben.
Das BMI gab gestern auf Twitter (!) bekannt, wie es sich eine Handhabe gegen indymedia konstruiert hat.
Hinter jeder Internetseite steht ein Betreiber. Handelt es sich um ein Betreiberteam von mindestens 2 Personen, ist dies ein Verein im 1/2
Sinne des weiten Vereinsbegriffs des Vereinsgesetzes. Dieser kann bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen verboten werden. 2/2
m(
Zwei von vielen kritischen Kommentaren auf Twitter dazu:
"Könnte @BMI_Bund dann bitte mal analog Regierung verbieten? Deren Gesetze richten sich regelm. gg verfassungsgemäße Ordnung, sagt @BVerfG"
"Könnte sich wenigstens das BMI an den Rechtsstaat halten? Wäre irgendwie angebracht."
Damals ... ! De Maizière über Türkei „Wir sollten nicht Schiedsrichter bei den Menschenrechten sein“ ... und er mag sicherlich auch den Sultan E. auf einem bestimmten Gebiet - der Herr Innenminister!
Keine Frage, der BMI ist ja auch Rechts.