Miss-Management: Siemens und der Stellenabbau

Siemens streicht Stellen Siemens streicht 7000 Stellen und begründet das mit der Energiewende. Dabei sollte ein Technologiekonzern von der Boombranche profitieren. Ein Kommentar

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In dieser Woche wurde bekannt, dass Siemens weltweit etwa 7000 Stellen einsparen will. Auch Werke in Berlin, Leipzig und Görlitz sind betroffen, und es droht ein enormer Verlust an Arbeitsplätzen, immerhin will Siemens ausgerechnet in seinem Stammland Deutschland gut die Hälfte der angekündigten Stellen abbauen.

Argumentiert wird dafür neben dem Geschäft mit Zügen, bspw. dem ICE3, ausgerechnet mit der Energiewende. Dabei sollte man denken, dass Siemens als Technologiekonzern von der Energiewende profitieren und damit auch Interesse an der essenziellen Forschung & Entwicklung in den Kernbetrieben haben sollte. Denn einem Rückgang im Turbinengeschäft für Atomkraft- oder Kohlekraftwerke steht ein wachsender Bedarf für kleinere Turbinen in der dezentralen Energieerzeugung gegenüber – etwa für Gaskraftwerke, Gezeitenkraftwerke oder Wasserkraftwerke.

Das Argument, dass die Energiewende Schuld am Rückgang des Turbinengeschäfts sein soll, ist schwer nachvollziehbar, vor allem vor dem Hintergrund, dass Siemens gleichzeitig wieder Rekordgewinne verzeichnet. Wahrscheinlicher ist, dass die Siemens-Manager schlichtweg die Aktie bereinigen wollen und dafür das Geschäft umstrukturieren werden – so etwas geht fast immer mit Kündigungen einher.

Ein Blick auf die Börsenwerte zeigt: War die Siemens-Aktie in den letzten sechs Monaten regelrecht im freien Fall, hat sich ihr Kurs in dieser Woche stabilisiert und steigt wieder leicht an – zeitlich einhergehend mit der Meldung über die Einsparung von Mitarbeitern, sprich: Fixkosten.

Damit man sich allerdings im Management nicht vorwerfen lassen muss, die Veränderung am Markt nicht rechtzeitig erkannt und beizeiten eine sanfte Umstrukturierung ohne Kündigungswelle eingeleitet zu haben, braucht man einen Sündenbock. Da klingt „böse Energiewende“ natürlich besser als „wir haben im Management leider Mist gebaut“. Dabei ist längst bekannt, dass die Energiewende bereits heute gegenüber Kern- und Kohlekraft ein Vielfaches an Arbeitsplätzen geschaffen hat, und die Entwicklung von Zukunftstechnologien erfordert Know-How im eigenen Haus: Wenn eine Firma an seinen Mitarbeitern spart, spart sie ihr geistiges, kreatives und entwicklerisches Potenzial ein.

Das zeigt sich besonders in der Zugsparte: Seit Jahren versagt Siemens schlichtweg bei der Entwicklung, Endfertigung und Auslieferung des ICx, während bspw. die Franzosen es mit ihrem Konkurrenzprodukt nicht nur hinbekommen, sondern auch noch weitaus besser machen. Das geht schon so lange, dass sogar die Deutsche Bahn angesichts der Verspätung nervös wird und lieber bei Bombardier einkauft. Siemens muss umbauen – aber Schuld daran sind einzig Missmanagement und Fehlentscheidungen, die nun wie so oft auf die Angestellten abgewälzt werden.

Mit Blick auf das heutige Siemens-Management rund um Johannes „Joe Kaeser“ Käser sei abschließend der Gründungsvater Werner Siemens zitiert: „Mir würde das Geld wie glühendes Eisen in der Hand brennen, wenn ich treuen Gehülfen nicht den erwarteten Anteil gäbe.“ Das kann ein gerechter Lohn sein. Das kann ein sicherer Arbeitsplatz bedeuten. Es bedeutet aber auch, als Manager Verantwortungsbewusstsein zu beweisen und die Konsequenz für das eigene Versagen selbst zu tragen.

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Geschrieben von

Timo Essner

Flensburger Jung, zweisprachig aufgewachsen, dritter Sohn von Literaten.Karikaturist und freier Redakteur in diversen Publikationen on- und offline.

Timo Essner

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