#TTIPLeaks: ein Kommentar in Wort und Bild

Wirtschaft & Wahlfreiheit Wenn Schwarzseher zu Hellsehern werden: #TTIPLeaks zeigt schwarz auf weiß, dass die schlimmsten Befürchtungen über die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen Realität sind

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TTIP soll in erster Linie die Wirtschaft fördern, unterstützen und schützen
TTIP soll in erster Linie die Wirtschaft fördern, unterstützen und schützen

Foto: JOE KLAMAR/AFP/GettyImages

Greenpeace hat nach der jüngsten Verhandlungsrunde am vergangenen Wochenende um das sogenannte Freihandelsabkommen TTIP den aktuellen Stand der Papiere zugespielt bekommen und die Erkenntnisse werden seit gestern medienwirksam verbreitet.

Unter dem Schlagwort „TTIP Leaks“ wird nun offensichtlich schwarz auf weiß bekannt, was bisher nur befürchtet wurde:

Die USA versuchen offenbar mit höchstem Druck, die EU-Vertreter zur Unterschrift zu bringen - für eine Gesetzesammlung, die in erster Linie die Wirtschaft und Unternehmen fördern, unterstützen und schützen soll.

Eingebetteter Medieninhalt

Karikatur: „TTIP-Verhandlungen“ (2014); Quelle: www.timoessner.de

Dies geschieht letztlich und zwangsläufig zum Nachteil aller betroffenen Bürger, die erstens gar nicht erst gefragt werden und zweitens eine ungleiche, weitaus schutzlosere Position vor Gericht haben, als internationale Konzerne und superreiche Briefkastenkonstrukte.

Wie mag das erst aussehen, wenn die Klagen zukünftig vor den Schiedsgerichten verhandelt würden, deren Entscheidungsprozess auch wiederum im Geheimen ablaufen sollen?

So fallen die öffentlichen Reaktionen nach fast drei Jahren intransparenter Verhandlungen entsprechend aus: Es bewahrheiten sich die schlimmsten Ahnungen, gleichzeitig sind Land und Leute dem unbekannten Whistleblower von Herzen dankbar – zum großen Unmut der Verhandlungsführer und nicht zuletzt zum Nachteil jener politischen Akteure, die bisher maßgeblich als Befürworter und Verteidiger von TTIP auftraten:

Eingebetteter Medieninhalt

Karikatur: „#TTIPLeaks – es kommt alles raus“; Quelle: www.timoessner.de

Kaum waren die Medienmeldungen am Sonntagabend im Netz, wurden auch schon Stimmen laut, welche die Empörung als verfrüht und unbedacht abtun wollten.

Zwei Anmerkungen an die Kritiker der Kritiker

Da Obama bei seinem Besuch in Hannover kürzlich darauf drängte, die Verträge bis Ende diesen Jahres zur Unterschrift zu bringen, kann erstens von „zu früh“ nicht mehr die Rede sein. Meiner bescheidenen Meinung nach wäre „allerhöchste Eisenbahn“ der treffendere Begriff.

Zweitens liegen die Fakten nun auf dem Tisch, was die Argumentationsstärke grundlegend umkehrt – schließlich war die Intransparenz bisher die größte Schutzmauer für die Verhandler. Mit einer Offenlegung kehrt sich die Argumentationslage um 180 Grad:

Jetzt müssen die TTIP-Befürworter uns anderen erklären, warum wir eine offensichtliche Zerschlagung des Rechtsstaats, der Mitbestimmung und unserer historisch erkämpften Bürgerrechte bedenkenlos hinnehmen sollten.

Schließlich geht es nicht um alte Grabenkämpfe à la „Unternehmen vs. Gewerkschaften“; bei TTIP geht es um eine Handvoll Großkonzerne, die sich gegenüber knapp 800 Millionen Menschen ein Sonderrecht herauszumogeln versuchen, welches wirtschaftliche Einzelinteressen über die gesamtgesellschaftlichen stellen soll.

In einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, in der „gleiches Recht für alle“ ein fundamentales Prinzip darstellt, darf es weder Geheimverhandlungen über Gesetze geben, welche sich tiefgreifend auf alle Bürger auswirken, noch ein Zustand geschaffen werden, der einige wenige „gleicher“ macht als andere.

Ergänzung von 06.05.2016:

Bitte beachten Sie auch den Beitrag des „Postillons“: Ratgeber TTIP

Bitte beachten Sie auch das Video von „Münster gegen TTIP“: der Vertrag (ca. 3 Min)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Timo Essner

Flensburger Jung, zweisprachig aufgewachsen, dritter Sohn von Literaten.Karikaturist und freier Redakteur in diversen Publikationen on- und offline.

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