Castorfs APO

Zeuge Vor der Berliner Volksbühne demonstriert eine Querfront gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung. Vor drei Jahren wurde sie besetzt. Was hat das miteinander zu tun?
Ausgabe 19/2020

Ende September 2017 waren alle gegen uns. Die Hauptstadtpresse, der Großteil der Mitarbeiter des Theaters. Die Intendanten der anderen Häuser, Schauspieler, Musiker, Künstler der Stadt. Die Intellektuellen und Dichter. Die normalen Leute, fast alle meine Freunde, ganz Berlin, ganz Deutschland. Und dann kamen auch noch die Besetzer. Seit Wochen war die Rede davon, aber dann kamen sie eben wirklich. Die Sonne schien gleißend hell an dem Tag, und als ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr, fuhr ich schnell.

Als ich ankam, erklärte mir die liebe Kollegin, die aus München gekommen war, einen zackigen Bob trug, teure Schminke und immer alles wusste und nie irgendwas verstand, dass es um drei losgehen sollte. Und dann sagte sie entrüstet: „Du guckst ja so, als würdest du dich darauf freuen!“ Tat ich das? Ich wollte wohl, dass es weitergeht, immer weitergeht. Aber wahrscheinlich doch auch, damit es endlich aufhören konnte. Vor ein paar Monaten hatte ich den Job als Redaktionsleiter im Team Dercon angenommen. Chris Dercon war vom Londoner Museum Tate gekommen und wurde von der damals in Berlin regierenden SPD als Nachfolger des Intendanten und Regisseurs Frank Castorf eingesetzt. Castorf hatte die Volksbühne über 20 Jahre lang sehr erfolgreich geleitet. Dercons Ernennung wurde von himmelschreiendem Protest begleitet. Von „einer Handlung gegen den Willen des Volkes“ war zu lesen und einem Angriff auf die Tradition der Bühne und des deutschen Sprechtheaters durch einen „Kosmopoliten“, der keinen Sinn für die Verwurzelungen der Volksbühne habe.

Die Besetzer kamen an diesem Tag mit circa 30 Leuten, aber im Hintergrund kamen immer mehr. Einige sprangen aus den vorgefahrenen Robben-und-Wientjes-Planwagen. Vom Look her studentisch, AStA-haft. Etwa fünf hatten blaue Mao-Jacken an, sie schienen die Anführer zu sein. Und sie hatten den dicken, glatzköpfigen Türsteher von dieser Nobeldisco dabei, der in den 90ern immer vor den richtigen Clubs stand. Mit langen Fahrradschlössern und Ketten riegelten sie die großen Eingangstüren im Kassenbereich von innen ab, vor den Seiteneingängen postierten sie ihr Wachpersonal, sodass ihnen in null Komma nichts der ganze Südteil des Gebäudes gehörte. Dann schleppten sie haufenweise alte Plastikstühle, riesige Töpfe, Biertische, Gaskocher, Sofas, Stehlampen aus den 70ern, einfach Unrat und viele Schlafsachen hinein. Zwei Polizisten standen am Rande. Der eine entgegnete meinem fragenden Gesicht in leierndem Ton, er könne vorerst kein Problem erkennen. Es waren große Zeiten. Und sie wurden immer noch größer.

Ein paar Tage später ging ich mit meiner Freundin und ihrer Tante, die aus den USA zu Besuch war, in die Volksbühne. Mittlerweile schaute die ganze Welt auf den Monolithen in der Mitte der deutschen Hauptstadt. Das linke Kunstkollektiv mit dem Namen „Staub zu Glitzer” hatte sich temporär eingerichtet.. Überall lagen Leute im Kreis herum und diskutierten oder schliefen oder beides. Die Tante, die von deutscher Kultur wenig verstand, fragte, warum diese Lumpen hier mich und meinen Boss am Arbeiten hinderten? Ich versuchte es ihr zu erklären. Ich hatte durchaus Sympathie für die Besetzer, fand sie aber auch scheiße, überhaupt war ich mir in diesen Tagen oft unsicher, wer ich war. Ein Agent zwischen den Fronten? Ein gemeiner, ordentlich bezahlter Söldner oder ein Avantgardist, weil ich versuchte, die Wirklichkeit mit all ihren Widersprüchen zu leben? Ich wurde jedenfalls Beobachter des größten Kulturkampfs der Nachwendezeit, in dem sich die politischen Koordinaten der kommenden Zeit auf merkwürdige Weise verschoben. Wussten die Besetzer, welche Geister sie riefen?

Wir standen also dort herum, da kam einer der Besetzer auf uns zu, ein süßer, schwelgerischer, stark schwitzender Mensch, und übergab uns sehr freundlich das rote Programmbuch, das ich gerade eben als Redakteur begleitet hatte. In dem Buch schrieben wir auf, wie wir uns die Zukunft der Volksbühne vorstellten. Auf das Cover hatte jemand mit schwarzem Edding „Mein Kampf “ geschrieben. Ich sah mich um und merkte, dass alle das rote Programmbuch trugen – und überall „Mein Kampf“ drauf. Der Tante konnte ich das nicht mehr erklären. Aber dann freute ich mich darüber und sagte zu ihr: „So was gibt es einfach nur hier. Das Unerklärliche!“

Über dem Treppenhaus, in dem wir damals standen, war ein großes Transparent entrollt, darauf stand: „Make Berlin Geil Again.“

Breite Front gegen den Boss

Auch das war nicht einfach zu verstehen. Warum bezogen sich die doch linken Besetzer auf Trump? Vieles ging eben durcheinander. Klar war: Es gab eine breite Front gegen meinen Boss, die sich in einer Flut schlimmer und kluger Feuilletonbeiträge und kritischer Kunstkommentare entlud, die zum Teil doch ziemlich nachvollziehbar erklärten, warum nicht funktionieren konnte, was mein Boss sich ausgedacht hatte. Noch bevor der Linken-Politiker Klaus Lederer sein Amt als Kultursenator antreten sollte, hatte er bereits ankündigt, Dercon passe nicht zur Volksbühne, sein Vertrag wäre zu prüfen.

Doch unterhalb dieser noblen Meinungsführer fand sich besonders im Internet alsbald ein riesiger Mob zusammen. Jeder schnauzte dort seine Meinung, offenen Hass und alle möglichen verstrahlten Verschwörungstheorien hinein, die knalligsten Ergebnisse präsentierte unser Internetbeauftragter wöchentlich in einem Meeting. Er war ziemlich am Ende. Denn wo der Internetbeauftragte versuchte für Aufklärung zu sorgen, wohlmeinend zu kommentieren und beidem täglich nicht hinterherkam, entfaltete sich das schwarz glänzende Reich, in dem die radikale Linke und die radikale Rechte zusammen gegen den neoliberalen Feind kämpften. Gegen syrische Laiendarsteller, jüdisches Geld, die SPD, Start-up-Business, Tanz auf einer Theaterbühne, geschlechtergerechte Sprache, englische Sprache, die Vertreibung normaler Menschen aus Berlin-Mitte und die bildende Kunst an und für sich. Und vor allem dagegen, dass ein Kosmopolit nun das deutsche Sprechtheater übernehmen wollte und also natürlich zerstören musste.

Sie agierten im Modus einer Kulturschutztruppe, die am Tage wetterte und nachts Fäkalien an unsere Bürotüren schmierte. In den Zeitungen konnten man lesen, dass es in Deutschland nicht möglich wäre, dass alte Linke und neue Rechte gemeinsam auf die Straße gingen und was kaputtschlugen, wie in Frankreich. Aber auf den Schnellstraßen von Facebook und Twitter trafen sie sich nun genau an dem dunklen Waldstück, wo man scharf rechts zur Volksbühne abbog. Sie waren das Volk. Und das würde man ja wohl noch sagen dürfen.

Nach vielen groben Fehlern und großen Missverständnissen musste mein Boss gehen. Die Protestler trugen einen Sieg davon, sie hatten den neoliberalen Kosmopoliten aus der Stadt gejagt.

Nur ein Bürger

Dieser Tage versammeln sich um die Volksbühne erneut Hunderte Demonstranten. Wenn ich das Haus samstagnachmittags anfahre, habe ich ein Déjà-vu: Eine Schar von Leuten hält Transparente hoch und demonstriert für und gegen so allerhand. Sie nennen es Hygiene-Demos oder auch Hygiene-Spaziergänge, und es ist im wahrsten Sinne ein „gäriger Haufen“, wie man ihn in Deutschland lange nicht gesehen hat. Radikale Impfgegner finden sich hier, 5G-Gegner, AfD-Politiker, viele Ältere, wild Verzottelte, junge Hools, aber auch einige in der hochpreisigen, wetterfesten Kleidung der Mittelschicht. Auf selbst gemalten Plakaten steht „Widerstand 2020“, einer ruft gegen das Rothschild-Regime, eine Christengruppe singt ein Lied zur Klampfe, ein Mann mit einer Zigarre und T-Shirt gibt Interviews vor zig Kameras und Mikrofonen. Ich frage ihn, ob er zu den Organisatoren gehöre. Nein, er sei nur ein Bürger, lacht er freundlich.

Sie reden und sie senden. Nach irgendwohin. Es hängt eine dunkle, verwirrte Euphorie in den Straßen um die Volksbühne. Die Mainstreammedien nennen die Demonstranten wohl zu Recht Querfront, was traditionell den Moment meint, in dem sich eigentlich verfeindete, links- und rechtsgerichtete Lager spontan zusammentun. Polizei ist heute auch viel da. Zwischen den Beamten sitzen einige im Schneidersitz auf dem Boden und meditieren für das Grundgesetz. Denn das ist es, was die Protestler zusammenführt, sie glauben: Was uns als Schutz der Bevölkerung gegen das Virus verkauft wird, richtet sich gegen unsere Demokratie. Im Gespräch werden dunkle Mächte und große Lügen angedeutet; das Verbrechen und die Verschwörung der Bundesregierung, powered by Bill Gates, das wäre ja offensichtlich. Deutschland im September 2020, für sie hier logischerweise eine Merkel- oder eben Corona-Diktatur.

Kunst ist, wenn man was macht: Theaterbesetzung 2017

Foto: Christian Mang/Imago Images

Auch ein Déjà-vu: Vor drei Jahren galt Frank Castorf vielen als Lichtgestalt. Seit man denken konnte, war er, der gebürtige Ostberliner, Intendant der Volksbühne gewesen. Die Dercon-Gegner glaubten nicht, dass er freiwillig abgetreten war, für sie wurde er durch eine Kabale vom Thron gestürzt. Castorf blieb das charismatische Genie, das sich hinter dem Vorhang meldete und mit seinen Worten Kraft gab. In diesen Tagen macht er sich erneut zum Stichwortgeber. Im Spiegel nannte er die Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung von Covid-19 eine „Kampagne“. Castorf möchte sich wie alle hier am Platz nicht von der Kanzlerin sagen lassen, dass er die Hände waschen muss. Sogar Trump findet er jetzt super, „weil der aus der Reihe tanzt“. Der große Regisseur hat eine große Sehnsucht nach „republikanischem Widerstand“ und einem „wahnsinnigen Bürgeraufstand“.

Bei Verstand muss man sagen: Es sind andere Leute als damals, die sich heute am Rosa-Luxemburg-Platz treffen. Der Geist und Versammlungsort ist jedoch derselbe. Neben Castorf sind weitere prägende Leute von vor drei Jahren wieder federführend. Wie Hendrik Sodenkamp, der damals eine blaue Mao-Jacke trug und heute die Hygiene-Demos mitorganisiert und als Herausgeber der Zeitung Demokratischer Widerstand in Erscheinung tritt, in der auch der bekannte Philosoph Giorgio Agamben schreibt.

Einer seiner Mitstreiter, der Journalist Anselm Lenz, schrieb damals energisch gegen Dercon und für die Sache der Besetzer. Nun ist auch er Herausgeber der Zeitung, die in einer Auflage von 380.000 Exemplaren umsonst verteilt und als momentan größte Wochenzeitung Europas angepriesen wird.

Die Zeitung ist die Stimme einer neuen außerparlamentarischen Opposition, einer neuen APO. Die Spenden kämen von Medizinern und Juristen, im Leitartikel wird gegen die „verfassungsbrüchige Regierung“ empfohlen: „Masken ab!“ Rhetorisch wird gefragt: „Wo warst Du bei Corona?“ Antwort, na klar: „In der Opposition.“

Als Redaktionssitz wird die Postadresse der Volksbühne angegeben, das Haus selbst dementiert. Den Zeitungsmachern ist das egal. Um den 1. Mai herum wurde Lenz von Ken Jebsen für dessen Anti-Mainstream-Organ KenFM interviewt, der immer ein offenes Ohr für Verschwörungstheoretiker hat. Sie kommen auch auf die Volksbühne zu sprechen. Von dem Interims-Dingsbums sei nicht viel zu erwarten. Der aktuelle Intendant Klaus Dörr könne gar nicht für das Haus sprechen, denn „das ist unser aller Theater, Punkt“.

Das mochte ich damals an den Besetzern. Diese grandiose, völlig hanebüchene Behauptung, dieses Theater würde allen gehören. Von ungefähr kommt der Anspruch nicht, er bezieht sich auf die Gründungsgeschichte des Hauses. Allein durch Spenden der Mitglieder des Vereins Freie Volksbühne, sogenannte Arbeitergroschen, konnte der kolossale Bau des Theaters 1913 finanziert werden. Seitdem gilt es als Epizentrum proletarischer Kultur. Der Theaterreformer Erwin Piscator begründete hier das politische Theater, setzte Bühnenkunst im Auftrag der KPD in Szene. Zuletzt eben Castorf, Pollesch, Schlingensief und Sophie Rois, die die Sprache und die Haltungen meiner Generation spiegelten und formten. Jeder, der in dieses Haus zum Arbeiten geht, verändert sich. Es ist ein magischer Ort. Die Arbeiter, die ich dort traf, sind mit einem beeindruckenden Selbstbewusstsein und natürlichem Widerstandsgeist ausgestattet. Das war oft nervig, aber es war auch stur und schön. Überhaupt traf ich in der Volksbühne zum ersten Mal die Leute meiner Familie und meines Dorfes wieder, die ich vor Jahren verlassen hatte: Arbeiter und Handwerker. Ihnen war ich nun suspekt. Draußen die Linken, mit deren Ideen ich erwachsen wurde, auch ihr Feind war ich nun. Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich stand zum ersten Mal auf der falschen Seite. Und ich fand es verwirrend, aber auch betörend.

Das Raunen

Kurz vor der Besetzung der Volksbühne saß ich mit dem Schriftsteller Maxim Biller, den ich bewunderte, und meinem Boss im Café gegenüber der Volksbühne. Wir redeten, sie redeten, ich hörte zu. Irgendwann sprachen sie über die Deutschen, die gerne dunkel raunen würden. Ich verstand das nicht. Raunen? Die Deutschen? Wer sind die? Und wenn, dann reden sie doch zackig, ordentlich, auf ein Ziel hin. Nein, nein, schauten sie mich an wie einen, der noch nicht alt genug war und kein Kosmopolit: Die Deutschen können nicht klar und deutlich sprechen. Vielleicht können sie es nicht, vielleicht wollen sie es nicht. Sie tun es nicht. Ich kann mich nicht mehr ganz genau erinnern, aber so ungefähr war es und ich musste lange darüber nachdenken. Vor etwa einem Jahr schrieb Maxim Biller einen Text über den „Linksrechtsdeutschen“. Auch die Volksbühne kommt darin vor. Biller rechnet mit einem eigentlich aufgeklärten, kulturpolitischen Milieu ab, das sich durch eine schwermütig aufgeblasene, aber nie wirklich vollzogene Vergangenheitsbewältigung mit der neuen Rechten gemeinmacht. Sie teilen deren antimoderne, antiwestliche Positionen. Kann es sein, dass der „Linksrechtsdeutsche“ zum ersten Mal während der Volksbühnenbesetzung auf der Straße in Erscheinung trat? Damals verschwischten sich die Konturen. Es schien sich etwas aufzulösen. Links und rechts waren nicht mehr so klar.

Ob sie links oder rechts stehen, scheint die Demonstranten vor der Volksbühne nicht zu kümmern. Sie rufen einfach Widerstand, wie Pegida. Einige haben einen Alu-Bommel am Cowboyhut oder Revers befestigt, manche tragen ihn als Kette um den Hals. Mir wird erklärt, dass sei der Querdenker-Bommel. Ob ich von Bodo Schiffmann gehört habe? Der sei Arzt, gegen Corona, und der würde jetzt eine Partei gründen, „Widerstand 2020“. Aktuell führt er auf seiner Webseite fast 100.000 Mitglieder, Tendenz rapide steigend. Schiffmann hat den Querdenker-Bommel erfunden, der HNO-Arzt trägt ihn auch in seiner Praxis. Um die Volksbühne herum tragen sie ihn, um sich zu erkennen. Als Gleichgesinnte. Und Ermöglicher einer anderen, alternativen Welt. Es fühlt sich gefährlich an hier, wie eine offene Wunde, dunkel, leuchtend rot und wie Zukunft. Keiner scheint zu wissen, warum man so ganz genau zusammensitzt. Aber eine große Erwartung sättigt die Luft. Nicht alle sind komplett verspulte Rechte. Eine Frau trägt einen Hut mit durchgestrichener AfD-Sprechblase. „Vor zehn Jahren wäre es doch undenkbar gewesen, dass sie hier gemeinsam mit Nazis stehen, oder?“, frage ich sie. „Nazis?“, antwortet sie. „Ich sehe jetzt auf Anhieb keine.“ Und wenn es welche gäbe, wäre das doch nur ein Abbild der Gesellschaft, wir seien doch alle Menschen.

Was in der Politik zu Faschismus und Totalitarismus führt, ist auf der Bühne genau richtig, hat der Volksbühnen-Dramaturg Carl Hegemann zur besten Castorf-Zeit aus der Volksbühne herausgebrüllt. Es waren herrliche, postmoderne Zeiten, in der sie alles, was sie links und rechts am Wegrand fanden, in größter Kreativkonzentration durch ihren messerscharfen Fleischwolf gedreht haben. Heute passiert das unter völlig anderen Vorzeichen. Vor drei Jahren war der „Widerstand“ zu guter Letzt ein Spiel mit Symbolen und Stimmungen, die Castorf’sche Ästhetik nachahmend, als Kunst ein Flop, aber durchaus mit politischen Folgen. Den Volksbühnen-Besetzern war wichtig, dass sie queer sind, jetzt hat es ein e weniger, quer. Aber jetzt ist kein diskursiver Kulturkrieg, jetzt ist Seuche, jetzt ist der Ernstfall. Und um die Volksbühne herum plädieren sie Seite an Seite mit Rechtsnationalen für deutsche kulturelle Identität und Selbstermächtigung, gegen Weltoffenheit, Internationalität, letztlich gegen das Zivilisatorische. Sie wollen keine Masken tragen und keinen Abstand halten. Ihre Distanzlosigkeit ist Prinzip – unmittelbare Nähe suchen, verschmelzen, wieder Masse werden. So nah ran, dass man nichts mehr erkennt.

Am dritten Tag der Besetzung wurde die AfD in den Bundestag gewählt. „Der Geist der AfD ist an diesem Wochenende nicht nur in den Bundestag eingezogen, sondern auch in die Volksbühne. Sie argumentieren wie rechtsradikale Verschwörungstheoretiker, die sagen, sie geben Deutschland den Deutschen zurück“, schrieb der Journalist Frédéric Schwilden. Ich fand nicht, dass das stimmte. Ich fand, in der Volksbühne saßen junge Menschen, die das Richtige wollten. Sie waren nur am falschen Ort. Jetzt mögen die Demonstranten am richtigen Ort sein, aber sie wollen das Falsche.

Timo Feldhaus arbeitete von 2017 bis 2019 als Redaktionsleiter an der Volksbühne Berlin. Seit 2019 ist er Redakteur im Feuilleton des Freitag

Eine frühere Version dieses Textes enthielt einen Falschnennung des Namens des Kunstkollektivs „Staub zu Glitzer” und eine missverständliche Formulierung zur Arbeit von Anselm Lenz. Beides wurde nachträglich korrigiert

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