Kunst und Kasse

Linksbündig Die Künstlersozialkasse ist wichtiger denn je

Dass die Künstlersozialkasse, als sie in den frühen achtziger Jahren eingeführt wurde, ein beliebter Gegenstand von Spott war - und dass diese Belustigung heute nach kurzem Nachdenken überhaupt erst verstanden wird -, sagt zweierlei aus: Erstens haben wir uns an die Einrichtung der Künstlersozialkasse gewöhnt. Zweitens, und hier wird es spannender: In nur zwanzig Jahren hat sich die Stellung der Künstler in der Gesellschaft tiefgreifend verändert. Grund für die Belustigung der Zeitgenossen nämlich war, wie bei als witzig empfundenem oft, dass ein Begriff, der stark mit Bedeutung aufgeladen ist, sich mit einem anderen paart, der dessen Sinn ad absurdum führt: Der Künstler als romantischer Bohemien, mal als Seher, mal als Narr, mal als Genie, so entrückt wie autonom neben der Gesellschaft stehend - und eine Sozial-versicherung, die ihm nichts profaneres beschert, als seine ökonomische Absicherung in eben der Gesellschaft.

Inzwischen, kaum drei Jahrzehnte später, ist nichts unzeitgemäßer als dieser Widerspruch. Der Narr, der angeblich Unangepasste, wurde vom Rand der Gesellschaft geradewegs in deren Mitte katapultiert. Die Krise der Künstlersozialkasse singt selbst davon ein Lied - denn beklagt wird, dass immer mehr Selbstständige sich als ihr Klientel verstehen. Während der Kreativarbeiter zum gesellschaftlichen Rollenmodell geworden ist - weil jeder zu jeder Zeit schöpferisch und innovativ sein soll - ist auch die Zahl der Künstler und derer, deren Arbeit im weiteren Sinne kreativ ist, förmlich explodiert. Nicht nur die Arbeit selbst, auch die Kultur der Arbeit ist durch den früheren Sonderling (nicht den höfischen oder großbürgerlichen Auftragskünstler!) geprägt: eigenständig, uneingeschränkt beweglich, nur bei kreativem Output gewürdigt und bezahlt und per se zu hohem Risiko bereit. In dem Maße aber, in dem der Randständige zum gesellschaftlichen Rollenmodell wird, gewinnt auch die Frage an Bedeutung, ob diese Figur des schöpfenden Solitär ökonomisch überlebensfähig ist. In Zeiten, in denen man in den Creative Industries gar ein wichtiges Standbein der nachindustriellen Gesellschaft sieht, wird diese Frage zentral.

Die verwertende Wirtschaft, die die Hälfte der Sozial- und Rentenversicherungsbeiträge für die Kreativarbeiter entrichten muss, läuft nun gegen die Künstlersozialkasse Sturm. Mit dem Argument, andere Selbstständige, die berufsständische Sozialversicherungen in Anspruch nähmen, Ärzte etwa und Rechtsanwälte, bezahlten ihre Beiträge ausschließlich selbst. Nicht das örtliche Krankenhaus wird zur Kasse gebeten - sondern nur die niedergelassenen Praxen. Weshalb sollten Kreative anders behandelt werden? Der Einwand ist nicht unberechtigt. Denn in der Tat ist zunächst schwer zu argumentieren, weshalb sich der Künstler einerseits als ökonomisches Subjekt emanzipiert hat, andererseits aber alimentiert werden soll. Doch der Einspruch verweist auf einen anderen Widerspruch: Zwar sind die Kreativen in der Ökonomie wie in der Gesellschaft angekommen, anderseits überlebt das Bild des Künstlers als Bohemien. Zum einen sind Kreative oft erschreckend unbeholfen, auf dem Markt realistische Bedingungen für ihr Schaffen auszuhandeln. Sowohl Solidarität als auch Kalkulation sind vielen offenbar noch immer Begriffe aus einer fremden, irdenen Sphäre. Zum anderen scheint in der verwertenden Wirtschaft, der quantitativen und qualitativen Bedeutung der schöpfenden Zunft zum Trotz, die allgemeine Überzeugung zu herschen, dass man den Kreativen, den Bohemien eben, nicht ernsthaft zu bezahlen braucht.

Fast erübrigt sich, zu bemerken, dass in dieser Lage der kreative Stand natürlich der Alimentierung bedarf - und solange ihre Auftraggeber Leistungen nur symbolisch vergelten, mögen sie für diese auch aufkommen.

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