Der Siegeszug der Grünen

Analyse, Politik Eine Analyse nach der Kommunalwahl in NRW

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Während sich die CDU, trotz ihres prestigeträchtigen Sieges der NRW-Landehauptstadt, und die SPD, trotz der Verteidigung der sogenannten Herzkammer der Sozialdemokratie, weiter im Sinkflug, manche sagen sogar im Niedergang, befinden, jubeln wieder einmal die Grünen. In jüngster Zeit tun sie das vermehrt – nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich etwa. Und nicht nur auf Bundesebene, sondern vor allem auf kommunaler und landespolitischer Ebene.

Im vergangenen Jahr haben sie groß bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg abgeräumt, nun bei der Kommunalwahl in NRW, wo sie erstmals in drei großen westdeutschen Städten Oberbürgermeister stellen und nicht selten die Mehrheit in den Stadträten haben. Die Gründe für den Höhenflug der Grünen liegen klar auf der Hand. Dominiert doch kein anderes Thema mehr den (politischen, wirtschaftlichen, sozialen) Diskurs und damit auch die Schlagzeilen – ausgenommen seit einem halben Jahr und aktuell wieder mehr denn je die Corona-Pandemie – als der Klimawandel und alles was mittelbar und unmittelbar mit ihm zu tun hat. Ein jeder sollte mittlerweile um die desaströsen Folgen der Erderwärmung, Gletscherschmelze, des Artensterbens, der Verschmutzung der Meere (die Liste ließe sich endlos verlängern) samt seinen ökonomischen Folgen wissen. Keine andere politische Partei verkörpert – ganz wertneutral formuliert – dies authentischer als die Grünen. Jenem Markenkern der Grünen gepaart mit vielerorts frischen Ideen zur Bürgerbeteiligung, Mobilität und den Willen zur Abkehr der „alten Ordnung“ beschert ihnen derzeit einen Siegeszug – auf kommunaler, landes- sowie bundepolitischer Ebene (die Umfragen und Resultate zeigen es, auch, wenn es während des Lockdowns für kurzer Zeit einen kleinen Knick gab).

Agenda-Setting auf grüne Art und Weise

Dazu haben die Habecks und Baerbocks eine klare menschliche Haltung in der Flüchtlingsfrage, die nicht nur viele Menschen emotionalisiert, sondern auch insbesondere von einer großen Mehrheit der Unter-30-Jährigen mitgetragen wird. Das führt dazu, dass die Ökologen anscheinend besser die Bedürfnisse der jungen Menschen als andere Parteien zusammen kennen.

Auch in vermeintlich kleinen Dingen zeigt sich, dass die Grünen fortschrittsgewandt und sich als weltoffen und kosmopolitisch betrachten: Wenn die konservativen Parteien in den Stadträten etwa gegen die Umbenennung von Straßennamen mit zweifelhafter deutscher (Kolonial-)Historie sind, stellen die Grünen einen Antrag nach den nächsten für eben jene Umbenennung – auch, wenn sich dadurch ältere Bürger irritiert fühlen könnten und deutliche Mehrkosten auf die Kommune zukämen. Damit richten sich die Grünen aber auch öffentlichkeitswirksam und gemäß dem Zeitgeist gegen eine Geschichtsvergessenheit.

Grüne sind bei jungen Wählern beliebter denn je

Die konsequente paritätische Besetzung der Listenplätze und der Ämter in Parteien und Fraktionen verleiht ihnen obendrein Glaubwürdigkeit. Und macht sie modern. Im krassen Gegensatz etwa zur Union, die größtenteils gegen Frauenquoten und die paritätische Besetzung von Mann und Frau ist.

Es ist derzeit mithin „in“ grün zu sein und ökologisch zu wählen. „Fridays for future“ verleiht der grünen Partei insbesondere in Deutschland Flügel. Diesen Aufwind wissen die „hippen“ Ökologen zu nutzen, scheint es. Beinahe jede kommunale Aktion des Nabu, vom BUND oder anderen Umweltschutzvereine wird mit den Grünen in Verbindung gebracht, obwohl diese durch ein breites, parteiübergreifendes Bündnis repräsentiert werden.

Auch der unbedingte Gestaltungswille und die Übernahme von Verantwortung kommen bei den Wählern, vor allen Dingen bei den jüngeren, gut an. Auch, wenn dies sich mancherorts darin niederschlägt, dass die Grünen Koalitionen und Verhandlungen mit eigentlichen politischen und ideologischen Gegnern eingehen. Das kritisieren viele, besonders die Linke, als Machthunger und als Verlogenheit. Viele Kritiker übersehen dabei allzu oft, dass selbst die Linke in Thüringen, geschuldet der Minderheitsregierung, stellenweise gemeinsame Sachen mit der CDU machen (müssen).

Andere sehen darin den Beweis, dass die Grünen wenig anders oder gar revolutionär, sondern eher bürgerlich sind und (fast) alles tun, um an die Macht zu kommen.

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