Ein Leben mit Migräne

Krankheit Wie Svenja Koch bereits mehr als 50 Jahre mit den Schmerzen umgeht

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Übelkeit, Lichtempfindlichkeit, extreme Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit: Svenja Koch* kennt das alles bestens. „Seit bald 50 Jahren lebe ich nun bereits mit Migräne“, sagt die 64 Jahre alte Ratingerin. Um der Volkskrankheit Herr zu werden, habe sie schon „fast alles ausprobiert, an klinischen Studien teilgenommen, war bei zig Psychologen und Ärzten, war im Magnetresonanztomograph, hat selbst zur Krankheit umfangreich recherchiert“. Gewirkt hat kaum etwas nachhaltig. „Was mir wirklich hilft sind Schmerztabletten“, erklärt Koch, die allein im August bereits vier schwere Migräneattacken hatte, die bis zu drei Tagen anhalten können. „Ich reagiere extrem auf Wetterumschwung von kalt auf warm, das ist aber bei jedem Menschen unterschiedlich.“

Koch nimmt sogenannte Triptane. „Diese Medikamente wurden speziell für die Behandlung von Migräne entwickelt und wirken ausschließlich bei Migräne, nicht bei Spannungskopfschmerzen“, heißt es von einem bekannten Schmerztabletten-Hersteller dazu.

„Ohne die Einnahme von Tabletten schaffe ich die Anfälle nicht.“

Dass Koch, die wegen ihrer Migräne mitunter auch früh verrentet worden ist, viel an Lebensqualität eingebüßt hat, liegt auf der Hand. „Wenn wir etwa mit den Kindern früher Ausflüge machten, auf Familienfesten eingeladen oder im Urlaub waren, und ich die Vorboten vom Migräneschmerz spürte wie Sehstörungen, ein herunterhängendes oder flackerndes linkes Augenlid, wusste ich, es geht wieder los. Dann konnte ich nicht mitfeiern und musste mich in einem dunklen Raum hinlegen und warten, bis die Attacke ein wenig nachlässt“, sagt Koch.

Zudem sei sie früher auf der Arbeit auch wegen ihrer Migräne regelmäßig ausgefallen. Denn auch während der Arbeitszeit kamen die Attacken, ganz plötzlich und unvorbereitet. Svenja Koch beklagt, dass das Verständnis einiger ihrer Kollegen oft nicht da war – für diese unsichtbare Krankheit. Nicht selten hörte sie Sätze wie: „Hast du wieder deine Migräne genommen.“ Sie wurde als Hypochonder abgestempelt von einigen ihrer sogenannten Kollegen, die ihre Arbeit dann mitmachen mussten. „Mir ging es eh schon nicht gut, dann musste ich das auch noch ertragen“, sagt Koch, die glaubt, dass diese Krankheit von ihrer Mutter vererbt worden sei. „Meine Mutter hatte schon Migräne.“ Nun hätten auch Kochs beide Töchter mit Migräne zu kämpfen.

Ein kleiner Trost: Koch ist mit ihrer chronischen Krankheit nicht allein: Mit knapp zehn Millionen Betroffenen gehört Migräne in Deutschland zu den häufigsten Schmerzerkrankungen überhaupt. „Entwickeln kann sie sich in jedem Alter, meistens kommt sie allerdings zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr vor“, sagen Mediziner.

Es heißt jedoch auch von medizinischer Seite: „Trotz intensiver Forschung in den vergangenen Jahren liegt eine Heilung der Migräne noch in weiter Ferne – vielleicht bleibt sie sogar unmöglich.“

Zusammenhänge und auslösende Faktoren seien demnach komplex, die unterschiedlichen Formen und Ausprägungen äußerst vielfältig. Verzweifeln müssen die Betroffenen daran allerdings nicht: Eine effektive Behandlung, oft durch Schmerztabletten, sowie eine Steigerung der Lebensqualität lässt sich auch bei Migräne erreichen.

Svenja Koch weiß das, sie hat in den vielen Jahren gelernt, mit den Schmerzen zu leben, lässt sich von der Migräne nicht beherrschen. „Die Schmerzen und ich haben uns aneinander gewöhnt und ich akzeptiere die Krankheit als Teil von mir“, sagt sie.

Und sagt zugleich auch deutlich, dass für sie die Tabletten kein Teufelszeug seien. „Ohne die Einnahme von Tabletten schaffe ich die Anfälle nicht.“

* Name geändert

Das passiert bei Migräne im Kopf:

Analyse Beim Migräne-Anfall wird ein bestimmter Bereich des Hirnstamms in einen hyperaktiven Zustand versetzt. Dieses „Migräne-Zentrum“ regt daraufhin Fasern des Trigeminus-Nervs an, der mit all seinen Verästelungen das gesamte Gehirn durchzieht. Die Folge: Eine Weitung der Blutgefäße, verbunden mit erhöhter Durchlässigkeit der Gefäßwände. Auf diese Weise gelangen Substanzen, die Entzündungen fördern, ganz leicht in alle Bereiche des Gehirns. Die Schmerzen werden dann durch eine stellenweise Entzündung des Hirngewebes und der Hirnhäute evoziert. Dadurch wird die Schmerzempfindlichkeit in diesen Bereichen derart gesteigert, dass sogar der normale Puls heftige Schmerzen auslöst.

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