Warum feiern Orthodoxe Weihnachten später?

Weihnachtsfest Orthodoxe feiern etwa zwei Wochen später als der Rest der Christen. Wie begehen sie das Fest und wo liegen die Unterscheide zu Protestanten und Katholiken?

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Orthodoxe Christen gibt es gerade in NRW viele. Sie kamen Anfang der Wirtschaftswunderzeiten aus der früheren Sowjetunion sowie aus dem ehemaligen Jugoslawien. Benötigt wurden sie als Gastarbeiter. Sie brachten aber nicht nur ihre Arbeitskraft mit, sondern auch ihre Kultur und ihre Konfession. Viele von ihnen haben die Bräuche und Sitten konserviert und pflegen sie auch noch weiter. Besonders viel Wert legen dabei die Serben und Mazedonier auf ihren orthodoxen Glauben – auch jenseits ihrer Heimat, wo das Fest noch viel größer ausfällt.

Woran liegt das, das Orthodoxe später feiern als die anderen Christen? Die Antwort ist simpel. An einer anderen Berechnung. „Wir feiern das Fest nach einem anderen, älteren Kalender“, sagt der gebürtige Mazedonier Goran Atanasevic. Die russisch-orthodoxe und die serbisch-orthodoxe Kirche halten beide am alten julianischen Kalender fest. Der 35-jährige Duisburger feiert wie circa 300 Millionen Orthodoxe daher 13 Tage später das Fest der Liebe als die restlichen Christen weltweit.

Er begeht es, wie die Tradition es will, nach den Vorschriften seines orthodoxen Glaubens. Das bedeutet, dass er am 6. Januar, dem heiligen Abend der Orthodoxen, in eine große orthodoxe Kirche nach Düsseldorf geht. Zwei weitere große Kirchen gibt es übrigens noch in Dortmund und Köln, wo gewöhnlich viele Serben, Ukrainer,Mazedoniern und Rumänen leben. „Erwartungs- und erfahrungsgemäß sind die Gotteshäuser sehr gut gefüllt und man findet nur schwer einen Sitzplatz“, sagt Atanasevic, der aus der kleinen Stadt „“ in Mazedonien, die unweit der Grenze zum heutigen Serbien liegt, stammt.

Badnjak und Bozic

Aber Sitzplätze braucht es nicht in orthodoxen Kirchen – zumindest nicht an „Badnji dan“, dem orthodoxen heiligen Abend, und Bozic, dem eigentlichen Pendant zum 1. Weihnachtstag. Denn die meiste Zeit wird gestanden. „Auch das ist typisch orthodox“, weiß Atanasevic. Man begegnet Frauen in Sonntagskleidern, Männer in feinen Zwirnen und Kinder in traditionellen Kostümen. Schnell merkt man: Weihnachten hat die Orthodoxen eingeholt, trotz entsorgter, gebrauchter Weihnachtsbäume auf den Straßen. Die Kinder freuen sich auf ihre Geschenke, die Erwachsenen auf Geselligkeit und den selbst aufgesetzten Schnaps. Ihn, das Nationalgetränk der Balkanesen, gibt es später für alle – für einige wenige sogar bis zum Abwinken.

Zuvor steht aber noch die Messe an. Diese wird gewöhnlich begangen mit dem üblichen Badnjak, einem „Baumstrauss“, welchen die Familien bei sich haben. In Überlieferungen steht, dass der Badnjak eine ganz junge Eiche sei. Der Badnjak stehe symbolisch für das Holz, das die Hirten gebracht haben und das Joseph angezündet hat, um die Hütte, in der Jesus geboren wurde, zu erwärmen. Badnjak bedeute aber auch das Holz, aus dem das Kreuz Jesu gemacht wurde.Der Badnjak wird nachher verbrannt, das soll vor Unglück und Krankheiten schützen.

Die Messe läuft insgesamt ähnlich ab wie bei Katholiken. Es wird gesungen, gebetet und am Ende der Messe werden die Gläubigen von drei Priestern mit Weihrauch bestreut und – der Höhepunkt der Messe – die für serbische Christen so wichtige Weihnachtsbotschaft des serbischen Patriarchen verlesen.

Dieser segnet seine Jünger für das bevorstehende Beisammensein, das Fest und das neue Jahr, das bereits etwa eine Woche alt ist. Und beendet auch die lange Zeit des Fastens. Die strengen Orthodoxen fasten 40 Tage. Das bedeutet: kein Fleisch und keine Milchprodukte. Fisch ist erlaubt. Am 6. Januar darf zudem ganztägig nur Wasser getrunken werden. Alte, Schwangere, Kinder und Kranke sind ausgenommen. „Diejenigen, die gefastet haben, nehmen dann eine Art Abendmahl zu sich“, sagt Goran Atanasevic, der das Fest bei seiner Familie und seinen Eltern verlebt. Er faste aber nicht die gesamten 40 Tage, sondern nur einige Tage vor dem Fest. Am Tag des Badnjaks ist er aber streng zu sich und isst kein Brot und trinkt maximal einen Liter Wasser.

Kirche als Ort des Kennenlernens

„Viele vor allem jüngere Menschen bleiben sogar bis Mitternacht in der Kirche, feiern gemeinsam und lernen sich kennen. Sie brechen das Fasten dann häufig auch in der Kirche“, sagt Goran Atanasevic.

Seine Familie und er fahren aber nach der Messe wieder nach Hause. Denn dann soll „der spaßige Teil beginnen“, sagt der Informatiker. Es wird gegessen, kein Fleisch und kein Käse, und der bekannte Schnaps „Sljivovica“erhitzt. Alle Familienmitglieder bekommen einen großen Schluck – ausgenommen kleine Kinder. Wer mag, der bekommt noch mehr ausgeschenkt.

Danach steht die lang erwartete Bescherung an. Um 24 Uhr wird dann in Atanasevics Familie noch mal etwas Fleisch und leichte Milchprodukte verkostet, als Zeichen des Fastenbrechens. Am 7. Januar ist dann Ruhe angesagt, Familien, die nicht arbeiten müssen, besuchen sich und manche gehen nochmals in die Kirche, erklärt Atanasevic, der sich am 6. Januar für sein Weihnachtsfest freigenommen hat. Das Fest dauert in orthodoxen Ländern wie Serbien, Ukraine, Mazedonien, Rumänien und Russland, drei Tage und somit länger als das Weihnachtsfest, das Protestanten und Katholiken feiern. In der Realität feiern aber viele orthodoxe Christen in NRW nur zwei Tage, da sie sich nicht länger frei nehmen können. Schließlich ist für die Mehrzahl der in Deustchland lebenden Christen Weihnachten erst wieder in 359 Tagen.

Andere Orthodoxe, zum Beispiel aus anderen Balkanstaaten oder der ehemaligen Sowjetunion, kommen ab und an auch in die serbisch-orthodoxe Messe. Orthodoxie kennt keine Grenzen, obgleich Atanasevic bemerkt, dass wegen der kulturellen Unterschiede sehr wohl Unterschiede zwischen den orthodoxen Glaubensrichtungen bestehen. „In unsere Messe kommen auch Russen und Griechen. Aber nicht oft, da Sprachbarrieren bestehen“, erläutert Atanasevic.

Einige orthodoxe Gemeinden, darunter etwa die griechische, übernahmen hingegen den neuen, gregorianischen Kalender, der in Europa seit 1582 benutzt wird. Sie feiern Weihnachten deshalb zeitgleich mit den katholischen und protestantischen Gläubigen.

Weihnachten feiern war in Russland jahrzehntelang verboten

Erst nach dem Zerfall der Sowjetunion durften auch die Russen ihr Weihnachtsfest wieder offiziell am 6. und 7. Januar feiern. Und da sich die Kirche bis heute weigert, die Kalenderreform der gottlosen neuen Machthaber zu übernehmen, wird es wie eh und je nach dem julianischen Kalender datiert. Mittlerweile feiern viele gläubige Russen sowohl das Neujahrs-, als auch das russisch-orthodoxe Weihnachtsfest wieder.

Auch in den sogenannten Ostkirchen, besonders verbreitet in Syrien, im Libanon und Irak, wird Christi Geburt gefeiert. Gerade in Syrien steht Weihnachten leider nicht im Zeichen der Liebe und des Friedens wie in Goran Atanasevic Familie in Duisburg.

tintenfisch ist Journalist bei einer führenden Regionalzeitung Deutschlands.

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