Warum müssen immer Senegalesen herhalten?

Tatort. Flüchtlinge aus Schwarzafrika sind in deutschen Krimis immer Senegalesen. Obgleich sie dann von Ostafrikanern vorwiegend gespielt werden - wie beim gestrigen Tatort.

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Senegal, man muss es kennen - und lieben. Wer schon einmal im schönen, aber bitterarmen westafrikanischen Land war, weiß, dass die Faszination des Landes nicht die Natur oder die schönen Küsten sind. Sondern: ihre Bewohner.

Sie sind weltweit bekannt, spätestens als sie bei der Fussball-Weltmeisterschaft 2012 in Japan und Südkorea für Furore sorgten und bis ins Viertelfinale vorgedrungen sind sowie ihre ehemaligen Besatzer mit 1 zu 0 eliminierten. Volksfeststimmung in Dakar und anderen großen Städten des 13-Millionen-Landes gab es damals im Juni 2002.

Es gibt nicht die Senegalesen

Es stimmt auch, dass die Senegalesen (gibt es natürlich genauso wenig wie die Italiener, die Algerier oder eben die Deutschen) ein Volk der Reisenden waren und auch noch sind. Sie trifft man überall in Süd-und Westeuropa an. In Portugal und Italien als sogenannte fliegende Händler, in Spanien und Deutschland als mehr oder weniger gut integrierte Migranten oder Armutsflüchtlinge und natürlich im frankophonen Teil Europas (Schweiz, Luxemburg, vor allem Frankreich und Belgien) als Einwanderer, die die "Drecksaufgaben" der Gesellschaft machen, wie es der international anerkannte Sänger Cheihk Lô einmal formulierte. Denn und das ist auch eine Wahrheit: Nur wenige schaffen es in seriöse, langfristige und gut bezahlte Arbeits- und Angestelltenverhältnisse.

Händlersprache Wolof

Die Händlersprache Wolof (Sprache und Ethnie zugleich) war überdies jahrhundertelang bis ins heutige Südsudan verbreitet. Eine senegalesische Diaspora gibt es überall auf der Welt. Sie verkörpern nach außen die <<facon de vivre à la sénégalaise>>.

Sind Senegalesen daher so beliebt für deutsche Filme, allen voran für Krimis im öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Und , wenn ja, warum? Gibt es keine anderen Afrikaner, Nigerianer, Togolesen oder Ivorer, die als Haupt- oder Nebendarsteller sich eignen?

Immer wieder spielen Senegalesen die Täter - die Bösen. Mal als Drogendealer, die dann wie in einem Dortmunder Tatort erschossen werden, in anderen Filmen als Gauner und Kleinkriminelle oder wie gestern im Frankfurter Tatort ("Land in dieser Zeit", HR-Redaktion: Liane Jessen, Lili Kobbe) als Flüchtlinge und mutmaßliche Brandstifter. Senegalesen scheinen eine starke Anziehung auf deutsche Regisseure, Produzenten und Drehbuchautoren zu haben!

Warum nur? Der Senegal ist vielleicht eines der bekanntesten afrikanischen Länder und daher mehr im kollektiven Gedächnis und Fokus als andere. Es stimmt auch, dass der Senegal durch seine Kolonialherren (Portugal, Niederlanden und später notabene Frankreich) bekannt wurde. Es stimmt auch, dass Senegalesen bekannte Politiker, Sportler und Künstler haben: Léopold Sédar Senghor (erste Präsident der Republik Senegals), Abdou Diouf spwie Abdoulaye Wade (Politik). El Hadji Ousseynou Diouf und der ehemalige Wattenscheider Profi Souleymane Sané (Sport). Cheikh Lô und Youssou N'Dour (Musik).

Und eben auch, dass viele Senegalesen sich schon vor den jetzt ersichtlichen und uns beunruhigenden Flüchtlingsstorm (auch so ein aufgeladenes Wort) sich gen Westen bzw. gen reichen, industralisierten Norden machten.

Senegalesen sind bekannter als andere

Leider, und das ist schade, nervig und sogar ignorant, werden in vielen Filmen Senegalesen durch Ostafrafrikaner gespielt. Als, ob der gebildet Zuschauer und weitreisende Zuhörer es nicht mitbekommt. Er geht den Filmemachern sofort auf dem Leim.

Im ARD-Tatort von gestern mit den Ermittlern Paul Brix (Wolfram Koch) und Anna Janneke (Margarita Broich) mimte ein nachweislicher Somali (Warsama Guled) mit dem überhaupt nicht senegalesisch klingenden, sondern viemehr anglophonen Namen John Aliou (http://www.agentur-caci.de/warsama--guled) einen Tatverdächtigen. Sein Französisch war auch keines, das ein Senegalese sprechen würde. Der Dialekt war schlicht nicht authentisch. Denken sich die Macher dieser Krimis nichts dabei oder glauben sie tatsächlich, dass der Zuschauer - gerade beim Tatort sehr kritisch - nicht merke, wenn ein Somali als Senegalese durchgeht oder umgekehrt?

Wenn Afrikaner, dann bitte Senegalese

Die Haare, Gesichtszüge und Hautfarbe des John Alious trotz aller "Ethnopluralität" und "Vermischung der Ethnien", wie es gestern im Film hieß, lassen eindeutig auf eine Herkunft aus Ostafrika schließen. Mittlerweile weiß "der Deutsche" ja, dass der Ostafrikaner anders als der Westafrikaner und der Nordafrikaner (Achtung: nicht Nafri) ganz anders als der schwarze Mann (Achtung: nicht Afri) ist.

In Günther Wallraffs eindrucksvoller Dokumentation von 2009 "Schwarz auf weiß" gab es den Somali Kwami Ogonno, der durch die Republk fuhr, sich den Deutschen präsentierte und nach Arbeit suchte. Auch hier machten die Macher den Fehler, dem Somali einen westafrikanischen Namen zu geben. Aus Unwissenheit? Bestimmt!

Hier muss mehr interkulturelle Kenntnis, Sensibilität und hartes Faktenwissen her. Denn: Wer will afrikanische Filme sehen, in denen Peter Müller einen waschechten Spanier spielt? Oder Andrea Pirlo einen typischen Schweden?

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