"XY" - ein Stück deutscher Fernsehgeschichte

Medien. Die ZDF-Serie "Aktenzeichen XY ... ungelöst" geht in ihr fünfzigstes Jahr. Was macht die Kultsendung so erfolgreich? Ist sie tatsächlich eine Hilfe für die Polizei?

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Die Kriminalsendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" geht 2017 in ihre 50igstes Sendejahr. Am 20. Oktober 1967 hatte Eduard Zimmermann zusammen mit dem ZDF die beliebte Sendung aus der Taufe gehoben. Später übernahm seine Tochter Sabine die Sendung.

4500 Fälle, 1800 Verbrechen gelöst, Aufklärungsqoute bei 40 Prozent

Mehr als 4500 ungelösten Krimanalfällen wurden bis zur vegangenen Sendung am Mittwoch, 11. Januar, ausgestrahlt. Dabei konnten, laut ZDF, 1800 Verbrechen aufgeklärt werden. Somit liege die Aufklärungsquote der XY-Fälle bei mehr als 40 Prozent, sagt der Münchner Fahnder Alfred Hettmer vom Landeskriminalamt Bayern. Er ist seit mehr als 30 Jahren an der Seite der XY-Moderatoren - und arbeitet seit rund 15 Jahren mit Moderator Rudi Cerne zusammen. Der Müncher fasst die für die Sendung so wichtigen Zuschauerhinweise am Ende jeder Sendung zusammen.

Die Kriminalsendung, die immer wieder den Namen, Besetzung und Format wechselte, war und ist ein Quotenschlager für das ZDF. Früher gab es die beliebten Schalten nach Wien zu Peter Nidetzky und nach Zürich zu Konrad Töns. Die gibt es aber heute nicht mehr. Obwohl man nach wie vor Fälle aus dem benachbarten Ausland ausstrahlt. Die Fälle und somit auch die realitätsnahen XY-Filme und - Einspieler sind, so scheint es, härter und brutaler geworden. Jedoch bleiben die Verbrechen die gleichen: Vergewaltigungen, Raubüberfälle, Morde, Entführungen, schwere Diebstähle und Betrug prägen die Sendung seit 50 Jahren. Hinzu gekommen ist seit den 2000er Jahren die Cyberkriminalität.

Bürgerbeteiligung wurde schon früh praktiziert

Zentral für die Kultsendung ist die Einbindung der Zuschauer. Damit war sie eine der ersten Sendung in der Republik, die schon Zuschauerbindung betrieb. Heute wird viel über die Einbindung und Beteiligung der Nutzer (Social Media), Leser (Zeitungen), Zuhörer (Radio), Zuschauer (Fernsehen) und User (Internet) gesprochen. Die Pioniere von XY integrierten die Zuschauer in ihre bürgernahe Sendung schon Mitte der 70iger Jahre. Schließlich war das auch ihr Konzept und ein Grund, wieso XY erfolgreich ist und sich seit 50 Jahren auf dem rauen TV-Markt behaupten konnte. Am vergangenen Mittwoch sahen 5,49 Millionen Zuschauer das ZDF-Kriminalmagazin, der Marktanteil betrug 16,4 Prozent, meldete der Stern am Donnerstag, 12. Januar 2017, auf seiner Homepage.

Dank der vielen "Hinwiesen aus der Bevölkerung", wie es so schön bei XY heißt, kann XY zusammen mit der Polizei den Überfall, den Mord oder etwa die Entführung fernsehtauglich nachstellen. Und, "wenn ein Täter, Mitwisser oder Zeuge sieht, dass über seinen Fall berichtet wird, erwächst ein Druck", sagt TV-Ermittler Alfred Hettmer.

Täter sehen sich im Fernsehen

Pychologisch erwiesen ist, dass Täter gerne in ihren Umfeld über ihre Taten sprechen, um damit zu kokettieren oder zu prahlen. Nicht selten kam es in der Vergangenheit daraufhin vor, dass Mitwisser sich bei der Polizei meldeten und wichtige Indizien und Hinwiese zu Tat und Täter gaben. Ebenso stellten sich Täter immer wieder, da sie sich im Fernsehen sahen und nicht weiter in der Öffentlichkeit stehen wollten - aus Scham, Mitgefühl für ihre Opfer oder Einsicht.

Dennoch: Zeugen von Straftaten gingen oft davon aus, dass ihre Beobachtungen nicht wichtig seien oder die Polizei schon Bescheid wisse und ihre Hinweise nicht benötige, so Alfred Hettmer. "Durch die Sendung merken sie, dass sie doch helfen können." Die nachgestellten Szenen (oftmals fünf pro Sendung) haben das Ziel, an die Gefühle der Zuschauer zu appellieren. Sie sähen, welche zum Teil schlimmen Folgen die Tat für ein Opfer habe. "Das löst Betroffenheit aus", erklärt Hettmer das Erfolgsrezept der Sendung. Im Schnitt gehen pro Sendung rund 200 Anrufe auf den acht geschalteten Telefonen ein. Die Telefone sind bis kurz vor zwei Uhr nachts geschaltet.

Das ZDF sagt zudem: "Zuweilen sind die Ermittler schon während der Sendung dicht am Ziel." So habe einmal eine Zuschauerin einen Vergewaltiger erkannt und sich sofort bei der Polizei gemeldet, dieser konnte nach wenigen Stunden dingfest gemacht werden.

Kultsendung sorgt auch für Kritik

Kritik gibt es aber auch an der Kultsendung, die mittlerweile etwa zehn Mal im Jahr ausgestrahlt wird und mindestens einmal im Jahr ein "Special" bietet.

So ist der Vorwurf, dass die Bürger nicht die Arbeit der Polizei machen sollen, da die Polizei dafür Experte sei. Der Bürger wird somit zu ständiger Skepsis und zum Blockwart erzogen. Dies fördere Mißtrauen in der Bevölkerung. Dennoch helfen die Zuschauer der Polizei dabei, gerade bei festgefahrenen Fällen, wenn die Polizei an die Öffentlichkeit geht. Und das ZDF erreicht gewönhlich mehr Zuschauer und Bürger als es die herkömmliche Öffentlickeitsarbeit der Polizei und die Berichterstattung der Regionalzeitungen schaffen. Die gute Aufklärungsquote von 40 Prozent, "dank der Hilfe der Zuschauer", wie Rudi Cerne in der vergangenen Sendung anfangs sagte, belegt das.

Auch ist es für Opfer von Straftaten und Verbrechen oftmals schmerzshaft, das an ihnen verübte Verbrehen noch einmal als nachgestellten Kurzfilm im Fernsehen zu sehen. Zuschauer werden zu Voyeuren und erfreuen bzw. urteilen über das Pech, Schicksal und die Vorfälle anderer Menschen. Dies soll Privatsache bzw. nur Täter, Opfer, die Polizei und Vollzugsbehördenbleiben etwas angehen, so manch ein Kritiker.

Rechte Tendenzen sollen befördert werden

Auch soll XY rechte Tendenzen fördern, da früher überproportional viele Fälle von ausländischen Tätern und Tätergruppen, die besonders kriminalbelastet (junge Männer, alleinstehend, anderer Kulturkreis, wenig Sprachkenntnisse, schlechte Bildung) sind, gezeigt wurden. Das schürt bei der Bevölkerung, die oftmals nicht genug bereit ist, zu differenzieren, Ängste und Vorurteile über Ausländer. Rechte Tendenzen verstärkten sich dadurch, heißt es. In der Tat waren vor mehr als 20 Jahren viele Fälle aus der Schweiz und Österreich durch einen hohen Anteil an ausländischen Tätern oder Tatverdächtigen gekennzeichnet - viele gezeigte Täter sollten vom Balkan und aus der Türkei stammen.

Nächste Sendung im Februar

"Aktenzeichen....XY ungelöst" ist trotz aller Kritik nicht mehr wegzudenken aus der deutschen Fernsehlandschaft. Selbst auf der Onlineplattform "Youtube" gibt es ein reichhaltiges Angebot an alten Folgen, die hohe Klick-Zahlen haben. Und aussterben wird die Sendung auch nie, denn Kriminalität wird es leider immer geben. Aber auch diejenigen, die sie aufklären, bekämpfen und dabei auf "Hinweise aus der Bevölkerung" angewiesen sind. Die nächste Sendung ist für Mittwoch, 8. Februar 2017, geplant .

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DER AUTOR IST JOURNALIST BEI DER GRÖßTEN REGIONALZEITUNG DEUTSCHLANDS.

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