Am Sonntag versammelten sich auf der Berliner Galopprennbahn Hoppegarten »Zehn tausende Tierfreunde, um 14 Elefanten dabei zuzusehen, wie sie freudig zu ihrem Futter laufen«. Diese verblüffend harmlose Interpretation des Moderators beklatschte das Publikum derart handfest, dass man geneigt war, ihm zu glauben. Draußen vor den Toren der Arena hatten böse Zungen das Volk noch vor seiner eigenen Verdummung gewarnt, für die solche Veranstaltungen und irgendwie auch die Elefanten verantwortlich seien. Da keine Zeit war für komplexe Argumentationsketten vom Elefanten zur Verdummung, entschied das Volk mit der ihm in solchen Momenten stets eigenen intuitiven Sicherheit: »Volks verdummung? Dit wüsst ick.« Und strebte dem Spektakel zu.
Kaum hatte das Volk die Tore passiert, wurde es gewahr, dass die Liebeserklärung, die hier in den märkischen Sand gestampft werden sollte, nicht nur den Dickhäutern galt, sondern auch den Indern, die ja in diesem, unserem Land in letzter Zeit so schlecht weggekommen sind - und das nur wegen eines blöden Kinder-Reims. Es ging nicht nur um den öffentlichen Futterlauf der 14 Elefanten, sondern es sollte ein Tag der Verbundenheit werden zwischen den beiden Völkern, also dem deutschen und dem indischen, und ein »Zeichen der Toleranz« gesetzt werden.
Das Volk, so muss man sagen, zeigte sich dieser, ihm unverhofft zukommenden Aufgabe gewachsen. Es tolerierte an diesem Tag alles, was sich ihm bot, mit geradezu elefantösem Gleichmut: nach dem Verdummungs-Vorwurf und der Leibesvisitation die indischen Imbissbuden mit ihrem Korianderduft, die Samosas und die Patadams, die an diesem Tag Patadums hießen, die fahrenden indischen Händler mit ihrem illustren Warenangebot, die indischen Tänze, mit und ohne Bauch, und die dabei unerlässliche indische Musik. Vor allem der Tanz zu Ehren einer elefantenköpfigen Gottheit berührte das Volk in seiner tiefsten Seele. Als Zeichen der Verbundenheit schwenkte es das aufblasbare Konterfei von Benjamin Blümchen und erreichte so mit der ihm eigenen Spontaneität den religiösen Schulterschluss.
Ebenso wohlwollend tolerierte das Volk den indischen Co-Moderator und vor allem den original indischen Maharadscha mit dem langen Namen und die mitgereiste Prinzessin. »Am Rande der Wüste Thar liegt Jodh pur, eine Stadt, die den Charme und die Tradition der alten Welt vereint. Jodhpur war die Festung der Maharadschas der Rathore-Dynastie, die schon seit dem 5. Jahrhundert ...«, aber lassen wir das. Was braucht es vieler Worte, wenn einem die Co-Co-Moderatorin von RTLefant doch versichert, dass sie tags zuvor mit dem Maharadscha zum Essen war und sich der Gast dabei als »sehr charmant« und vor allem »sehr europäisch« erwiesen habe. Der Pressetext zitierte den Maharadscha zudem mit den Worten: »Ich habe früh gelernt, zu tun, was von mir erwartet wurde. Ich weiß nicht, ob es gut oder schlecht ist.« Solch unverhohlen menschliches Geständnis schlägt Brücken zwischen den Kulturen.
Mit unübersehbaren Gesten der Verbundenheit duldete das Volk schließlich die 14 Elefanten auf der »schönsten Galopprennbahn Deutschlands«, und nur unverbesserliche Kritikaster werden festgestellt haben, dass kein einziger unter ihnen herausragende Softwarekenntnisse vorzuweisen hatte. Stattdessen sagte ihnen der Beipackzettel so sympathische Eigenarten wie Gemütlichkeit, Zutraulichkeit und Verschmustheit nach. Wem das nicht die Tierliebe im Herzen entfacht, kann der sich noch Mensch nennen? Und so besah sich denn das Volk milden Blickes das unbeholfene Gerenne der tonnenschweren Tiere. In den Pausen fläzte man im Gras, Volk und Elefanten, hüben aß man Heu und bewarf sich auch damit, drüben gab es Thüringer und Lachsersatz, und es war klar: Man war sich an diesem Tage näher gekommen. Auf der Suche nach einer Serviette wird dem einen oder der anderen ein Flugblatt der Protestler in die Finger gekommen sein: »Veranstaltungen wie diese nehmen den Tieren jede Würde, jeden Respekt und jede natürliche Schönheit.« Da konnte das Volk nur noch schmunzeln: »Von wegen! Wir machen es uns schön, gell Dumbo ?«
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