post light

KEHRSEITE Neulich bekam ich Post von Stefan und Carola. Sie haben sich meiner Schreibfaulheit mit einer Offenheit angenommen, die man an guten Freunden ...

Neulich bekam ich Post von Stefan und Carola. Sie haben sich meiner Schreibfaulheit mit einer Offenheit angenommen, die man an guten Freunden schätzt. Einen "Schreibfreund" nennen sie mich. Balsam auf die Wunde, die das böse "Schreiberling" doch immer wieder aufreißt. Sie fordern: "Grüßen Sie jetzt alle, die Ihnen lieb und teuer sind." So lieb ich es, frei heraus und burschikos. Stefan und Carola wissen, wie man mich anpacken muss.

Ich weiß dagegen wenig über die beiden. Völlig neu ist mir, dass sie mittlerweile bei der Post gelandet sind in der Abteilung "Marketing Brief Privatkunden". Auch wusste ich nicht, wie gut die beiden mit Photoshop umgehen können. Haben sie sich doch tatsächlich die Mühe gemacht, Grußbriefe mit sorgsam auf meinen Geschmack abgestimmten Motiven zu verzieren - schon fix und fertig mit den Aussparungen für die Briefmarke, die Adresse und natürlich für den von mir zu schreibenden Text. Da wird das Schreiben zur Fünf-Minuten-Terrine.

Wirklich, ein Motiv schöner als das andere. Erst einmal die beiden Püppchen auf einem Schlitten, die mit rosa Bäckchen durch den Schnee rodeln. Die geht an eine alte Schulfreundin, der ich immer noch nicht zum ersten Kind gratuliert habe. Für die zweite Karte haben Carola und Stefan aus Dr. Oetkers "Handbuch für die Weihnachtsbäckerei" all die schönen Zutaten abgescannt, die einem die letzten Wochen des Jahres so schmackhaft machen. Zimt ist da zu sehen, Kardamom, Nelken, und unten rechts ein Häufchen Safran. Die schick' ich Muttern und frag' sie endlich, was ich schon immer mal wissen wollte: Macht Safran den Kuchen gelb oder geil? Meine Mutter weiß so etwas.

Lieb und teuer ist mir aber auch G., mein alter Zimmergenosse aus dem Studentenwohnheim, der so stilvoll depressiv sein konnte. Ihm gilt die Karte, auf der ein altes Fahrrad vor einer braunstichigen Winterlandschaft einsam friert. Dezent zieht sich durch das Bild eine weiße Fläche, die Platz zum Schreiben lässt und gleichzeitig daran erinnert, wie doch die Zeit vergeht ... der erste Satz ist damit schon geschrieben. Die letzte Karte aber geht natürlich an Carola und Stefan, die mich so sanft aus meiner Lethargie gerissen haben. Ein Eisbär räkelt sich da faul auf dem Eis, das Hinterteil dem Betrachter neckisch zugestreckt. Was schreib' ich denen? Ich schwanke noch zwischen "Danke, manchmal braucht es eben einen Arschtritt" und "Ihr könnt mich mal".

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden