Der Musterschüler

Start Ups Aus der Sicht von Weltbank und IWF wäre Ampion.org wohl die perfekte NGO. Sie fördert Tech-Start-Ups in Afrika und wird dabei von Großkonzernen unterstützt

Wer wissen will, wie hoch ein gängiges Bestechungsgeld in seiner Umgebung ist, der kann die Smartphone-App „Bribed“ zu Rate ziehen. Die weltweite Korruption-Datenbank wird von Nutzern mit Informationen gespeist. Entwickelt wurde sie von Teilnehmern einer Bus Tour der NGO Ampion.org. Sie ist eines der skurrileren Beispiele für den Raum für Innovationen, der sich durch die neue Kommunikationstechnologien öffnet.

Ampion.org will ein Versuchslabor sein und eine Startrampe für Entwickler, Gestalter und Unternehmer, die solche Innovationen verwirklichen. Was Ampion besonders macht, ist, dass sich der Geschäftsbereich der Organisation derzeit auf Afrika beschränkt. Ist das die Entwicklungshilfe von morgen?

„Eine Erweiterung unseres Tätigkeitsfeldes auf Südamerika oder Asien ist möglich“, sagt Jan Schafft. Er hat Ampion mitgegründet und ist dort heute für Marketing und PR zuständig. Das Konzept für die NGO entwickelte er zusammen mit Fabian Guhl neben dem Studium: Busse, in denen Entwickler, Gestalter und Unternehmer gemeinsam durchs Land fahren und dabei neue Technologie- und Geschäftsmodelle konzipieren, verfeinern und präsentieren. Die Busse sollen diese Ideen auch in der Öffentlichkeit bekannter machen.

Im Jahr 2013 startete die erste Bus-Tour durch Afrika, von Harare nach Johannesburg. Bis Ende vergangenen Jahres wurden im Bus mehr als 45 Start Ups gegründet, großteils im IT-Bereich. Für die beliebtesten unter ihnen bietet Ampion auch ein längerfristiges Begleitprogramm an, durch das die Neugründungen mit Geld und Fachwissen unterstützt werden. Zu diesem Zweck hat Ampion eine Reihe kapitalstarker Firmen mit ins Boot geholt, darunter die Software-Unternehmen SAP und Microsoft sowie der Pharmakonzern Merck.

Neben der Korruptions-App „Bribed“ entstand eine ganze Reihe weiterer interessanter Neuentwicklungen. So gibt es SMS- und Sprachnachricht-Dienste für Lernmaterial oder Ebola-Infos. Auch wenn nur die wenigsten Afrikaner ein internetfähiges Smartphone haben, sind einfache Handys dort weiter verbreitet als man glauben könnte. Außerdem wurden Online-Foren für Bauern, Jungunternehmer sowie für Freiwillige und Hilfsorganisationen ins Leben gerufen. Es gibt Carsharing-Plattformen und eine afrikanische Version von Air BnB.

Viele Neuunternehmungen werden nach ein paar Monaten allerdings wieder beendet. „Nicht wenige gehen schief“, sagt Jan Schafft. „Manche nutzen jedoch das Netzwerk, das sie sich über Ampion aufgebaut haben und machen in neuen Konstellationen weiter.“

IWF und Weltbank dürften in Ampion einen Musterschüler sehen, entspricht die NGO doch ziemlich genau den Vorstellungen, die die Institutionen von guter Entwicklungspolitik haben – auch wenn sie selbst diesen nicht immer gerecht werden: marktkonforme Projekte, die zwar in Eigenregie der Menschen vor Ort durchgeführt werden, aber im Prinzip anschlussfähig an die globalisierte Weltwirtschaft sind. Als kritischer Beobachter stellt man sich dabei die Frage, ob Ampion nur ein weiteres Instrument des globalisierten Kapitalismus ist, um die Länder des Südens zu erschließen, fruchtbar zu machen und anschließend auszubeuten. Oder bieten die Busfahrten afrikanischen Unternehmern eine Möglichkeit, kreativ und unabhängig von Entwicklungshilfeindustrie und Großkonzernen eigene, auf die jeweiligen regionalen Kontexte in Afrika angepasste Geschäftsmodelle zu entwickeln?

Beides stimmt, aber nur bedingt. Ampion sieht seine Aufgabe weniger darin, gewinnbringende Geschäftsmodelle auf die Beine zu stellen. Jan Schafft hat keine überzogenen ökonomischen Ansprüche an die Start Ups: „Wir erwarten nicht, dass am Ende des Fellowship-Programms ein Markteinstieg steht.“ Ampion gehe es vielmehr darum, technologischen und ökonomischen Ideen ein Umfeld zu bieten, in dem sie Gehör finden. Ob diese anschließend von großen Kapitalgebern aus dem Norden aufgekauft werden, wer später damit sein Geld verdient, diese Fragen liegen außerhalb des Aufgabenbereichs von Ampion.

Die Konzepte der Tech-Start Ups sind jedenfalls anscheinend an den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerung in den afrikanischen Ländern orientiert. Sie verfolgen einen mal mehr, mal weniger gemeinnützigen Ansatz. Der politisch-ökonomische Kontext in dem sie agieren, ist eine Welthandelsordnung, in der Liberalisierung oft die einseitige Öffnung afrikanischer Märkte für ausländische Investoren bedeutet und in dem Entwicklungshilfe oft wirtschaftliche und geostrategische Zielsetzungen unter einem humanitären Anstrich verbirgt. Diese Probleme, denen sich wirtschaftliches Engagement in vielen afrikanischen Ländern stellen muss, blendet Ampion aus. Es besteht also die Gefahr, dass durch die Bereitstellung von Know-How und technischer Infrastruktur nicht nur Innovationsimpulse verstärkt, sondern auch die gegebenen politisch-ökonomischen Ungleichgewichte stabilisiert werden, wenn am Ende wieder die großen Konzerne aus dem Norden profitieren.

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