Auf den ersten Blick ist das Faszinierende am Ashley-Madison-Hack der schier bodenlose Abgrund, den dieser offenbart: Männer und Frauen (offenbar aber ganz überwiegend Männer) betrügen ihre Partner und werden dafür ihrerseits von einem millionenschweren Konzern zur Kasse gebeten. Dieser wiederum wird von Hackern angegriffen, die den Konzern moralisch unter Druck setzen wollen, dabei allerdings Erpressern das Feld bestellen und Menschen in den Selbstmord treiben.
Mitte August startete die Hackergruppe Impact Team einen Angriff auf die Dating-Plattform Ashley Madison. Dabei erbeutete sie unter anderem die Daten zahlreicher Nutzerprofile samt Bankverbindungen und geheimer sexueller Vorlieben. Außerdem brachte sie ans Licht, dass die Betreiber der Seite systematisch Fakeprofile anlegen, um die Frauenquote zu steigern. 31,3 Millionen Männern standen knapp 12.000 echte Frauenprofile gegenüber. Zudem wurde die Löschung der Benutzerdaten für aufgegebene Profile, für die Ashley Madison 19 US-Dollar extra kassierte, nie durchgeführt. Zwei Männer sollen in Reaktion auf die Enthüllungen Selbstmord begangen haben. Die Hacker weisen jegliche Verantwortung für die Geschehnisse von sich, da sie ja keine Unschuldigen getroffen hätten. So weit, so bodenlos.
Wirft man allerdings einen zweiten Blick auf die Ereignisse, dann legt diese Affäre die bürgerliche Sexualmoral bloß. Denn natürlich widerspricht ein Seitensprungportal der Moralvorstellung von Bis-dass-der-Tod-euch-scheidet. Die Ehe als bürgerliche Vorstellung von Liebe erfordert eine lebenslange, exklusive Ausrichtung der sexuellen und emotionalen Intimität auf einen einzigen Partner. Diese Ausschließlichkeit und das Scheitern an ihrem Anspruch führen aber nicht nur zu großer Unaufrichtigkeit. Sie führen auch dazu, dass ganz im Sinne der kapitalistischen Marktgesetze gesellschaftliche Institutionen geschaffen werden, in denen eine Abweichung von moralischen Standards ausgelebt werden kann: sauber, diskret und gegen Bezahlung.
Prostitution ist ein altbekanntes Beispiel für eine solche Institution, Ashley Madison ein anderes. Beide dienen auf ihre je eigene Weise der Aufrechterhaltung der heilen bürgerlichen Welt. Was dabei vergessen wird: Von einer aufrichtigen Auseinandersetzung mit bürgerlichen Standards könnten auch die profitieren, die angeblich im Zentrum der bürgerlichen Ehevorstellungen stehen sollten – die Liebespaare. Schade eigentlich.
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