Längst hat sich herumgesprochen: Die Niederlande sind nicht jene tolerante Insel der Seligen, für die sie früher gern gehalten wurden. Kaum verwundern kann daher ein jüngstes 28 Millionen Euro schweres Vorhaben der Regierung in Den Haag: Der viel diskutierte Aktionsplan gegen Radikalisierung und Polarisierung soll islamistische Tendenzen, vor allem den wachsenden Rechtsextremismus bekämpfen. 67 Gewalttaten gingen im Vorjahr auf das Konto von Rechtsradikalen - 38 waren es 2005. So jedenfalls bilanzieren es Anne-Frank-Stiftung und Universität Leiden in ihrem jährlich veröffentlichten Report Monitor Rassismus und Extremismus. Besonders besorgniserregend, resümieren sie, sei die erkennbar wachsende Präsenz offen nazistischer Gruppen innerhalb der radikalen Rechten.
Maßgeblichen Anteil daran hat das internationale Skinhead-Netzwerk Blood Honour (Blut und Ehre), dem es in jüngster Zeit gelungen ist, in den Niederlanden eigene Strukturen aufzubauen. Neben Jugendlichen aus der Gabber-Szene (einer Spielart des Techno) sind es Gewaltbereite aus vorhandenen rechtsextremen Parteien, die sich dem Netzwerk anschließen. Als "revolutionäre Vorhut" der Szene betrachten sich nach eigenem Empfinden die Racial Volunteer Force (Rassen-Freiwilligentruppe/RVF), die auf Gewalt nicht verzichtet und deren Antisemitismus obsessive Züge trägt. Judenhass gehört ohnehin zum Allgemeingut der niederländischen extremen Rechten - die Gesellschaft gilt ihnen als Israel freundlich und pro-jüdisch -, die RVF macht kein Hehl aus ihrer Solidarität mit militanten Islamisten und den Attentätern des 11. September 2001.
Es fehlt nicht an Versuchen, die äußerste Rechte - angesichts der bisherigen Zersplitterung - in einer Sammlungsbewegung zusammen zu führen und sich der Islamophobie als ideologischer Unterfütterung zu bedienen, wie sie auch bei der bürgerlichen Rechten zusehends an Einfluss gewinnt. Seit Jahren wird in den Niederlanden eine aggressive Integrationsdebatte geführt, die in Wirklichkeit eine Islam-Debatte ist. Daran docken neben den Rechtspopulisten auch rechtsextreme Parteien an, etwa die Nationalistische Volks Beweging, bei deren Versammlungen zuweilen Symbole auftauchen, die an die 1945 aufgelöste Nationaal-Socialistische Beweging erinnern.
Bei Wahlen spielen diese Parteien bislang keine Rolle, was sich auch damit erklären lässt, dass Fremdenfeindlichkeit in der politischen Mitte eine Heimstatt findet und so besonders den Rechtspopulisten einen Stimmenzuwachs beschert. Teile der Bevölkerung lehnen "politische Korrektheit" offen ab und hassen die multikulturelle Gesellschaft.
Im Nachbarland Belgien machten in den vergangenen Jahren militante Neonazi-Organisationen wie Blut, Boden, Ehre und Treue mit paramilitärischen Trainingscamps, Waffenfunden bei Razzien und offener SS-Verehrung von sich reden. Die Terrorgruppe Combat18 hatte vor einem Jahr gar damit begonnen, eine paramilitärische Gruppe innerhalb der belgischen Armee aufzubauen. Als die Ermittler einschritten, stellten sie ein beachtliches Waffenarsenal sicher.
Die faktische Zweiteilung des Landes findet sich bei der extremen Rechten wieder. Entsprechende Gruppierungen berufen sich nur selten auf Belgien an sich. Ausnahmen bilden der französischsprachige Front National und sein flämischer Ableger Fervent Nationaal. Sie wollen auf einer rechtsextremen Basis den schwelenden Konflikt zwischen Wallonen und Flamen überwinden - und nehmen dafür konstant bescheidene Wahlergebnisse in Kauf.
Dies gilt vor allem für Flandern, wo man den belgischen Staat inzwischen beinahe flächendeckend ablehnt. Folglich steht auch die extreme Rechte nicht abseits, fordert die Unabhängigkeit dieses Landesteils und akzentuiert den antiwallonischen Reflex mit völkischen und fremdenfeindlichen Parolen. Mit diesem Amalgam konnte der Vlaams Belang (VB) - als Nachfolger des wegen Rassismus verbotenen Vlaams Blok - zur inzwischen stärksten Partei Flanderns aufsteigen. Die Selbstverpflichtung aller übrigen Parteien, sich auf keine Kooperation mit dem VB einzulassen, die Besinnung also auf den so genannten cordon sanitaire, lässt die aggressiven Regionalisten sich erst recht als "Stimme des Volkes" gerieren.
Dem VB ist gelungen, wovon die rechten Sammlungsbewegungen in den Niederlanden noch träumen: Diese rechten Flamen schlagen eine Brücke zwischen bürgerlichen und militanten Nationalen, sie präsentieren sich als Anwalt des kleinen Mannes, der sich gegenüber sozialer Entbehrung nicht verschließt, und weniger als radikal-sezessionistische Vorhut. Das hindert den VB nicht daran, enge Kontakte zu sämtlichen Fraktionen der flämischen Rechten zu pflegen, bis hin zu militanten Neonazigruppen wie der erwähnten Formation Blut, Boden, Ehre und Treue.
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