Fleischlos in Flandern

Klimaschutz Gut fürs Klima und fürs Image: Mit einem "vegetarischen Donnerstag" will die flämische Stadt Gent die Treibhausgase reduzieren

Überzeugte Fleischesser stehen in den städtischen Kantinen Gents seit Mai vor einem Problem. Das Tagesgericht enthält donnerstags nur noch pflanzliche Zutaten. Damit will die Stadt in Kooperation mit der Organisation Ethisch Vegetarische Alternatief (EVA) ihre Bürger anregen, einmal wöchentlich auf Fleisch zu verzichten. Auch an den anderen Tagen wird das vegetarische Angebot deutlich erweitert. Und nicht nur die Verwaltungsangestellten sollen sich künftig gesünder ernähren: Zum Start des neuen Schuljahrs im Spetember machen auch die Schulkantinen Gents an der Aktion "Donnerstag Veggietag" mit. Weitere Einrichtungen sollen folgen, die lokale Gastronomie beteiligt sich bereits an dem Projekt.

Gent zählt zu den 370 europäischen Metropolen, die seit letztem Herbst die Eurocities Declaration for Climate Changeunterzeichnet haben und sich darin zu einer klimafreundlichen Stadtpolitik bekennen. Im Verhältnis zur – mit knapp 240.000 relativ geringen – Einwohnerzahl weist Gent zudem die weltweit höchste Dichte vegetarischer Restaurants auf. Der fleischlose Donnerstag kombiniert also Klimaschutz und Tierethik mit dem Appell zu gesunder Ernährung. "Ein Ansatz mit Pioniergeist", so die Selbstdarstellung, "noch nie zuvor hat eine Stadt eine vergleichbare Initiative ergriffen." Sollten alle Bewohner donnerstags fleischlos essen, spare das laut Stadtverwaltung so viel CO2 wie die jährlichen Abgase von 18.000 Autos.

Überhöhter Fleischkonsum wird bagatellisiert

Umweltorganisationen betonen seit langem, dass Nutzviehhaltung für 18% aller Treibhausgase verantwortlich ist. Ursache ist das Methan (CH4), das beim Verdauungsprozess von Rindern und Schafenfreigesetzt wird. Eine großflächige Unterstützung von offizieller Seite vermisste Initiator Tobias Leenaert von EVA jedoch bisher. "Ich kenne kein Problem, das von offizieller Seite so bagatellisiert wird wie der überhöhte Fleischkonsum. Man ermutigt die Menschen, Sparlampen zu benutzen, im Haushalt wenig Energie zu verbrauchen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Doch niemand fordert sie auf, weniger Fleisch zu essen – als sei das ein spezieller Teil der Privatsphäre."

Das Genter Projekt soll nun in größerem Rahmen ein Umdenken einleiten. In Belgien wollen die Städte Hasselt und Leuven sich dem fleischlosen Donnerstag anschließen. Die weltweite Medienresonanz hat auch internationale Interessenten auf den Plan gerufen. So erwägt die brasilianische Metropole São Paulo eine vergleichbare Initiative, was angesichts der dortigen fleischlastigen Cuisine bemerkenswert ist. Die US-Tierrechtorganisation PETA forderte in einem Schreiben 1000 Bürgermeister auf, sich anzuschließen. Selbst die Leiterin der UN-Klimabehörde IPCC nahm mit EVA Kontakt auf, um das Beispiel global zu fördern.

All diese Reaktionen zeigen, wie sehr Massentierhaltung, gesunde Ernährung und Klimaschutz in den letzten Jahren in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt sind. Und nicht nur das: erstmals sind diese Themen jenseits miefiger Bioladen- und Wollsockenklischees Lifestylekompatibel geworden. Ihre Kombination zahlt sich daher auch für die Stadt Gent aus, die sich dadurch touristisch in den Vordergrund schiebt. Mit einem Rahmenprogramm aus Kochvorführungen und Diskussionen und vegetarischen Gratis-Stadtplänen flankiert sie den fleischlosen Donnerstag. Zudem konnte mit der Branchengröße Alprosoya ein Sponsor ins Boot geholt werden, der ebenfalls auf dem Sprung aus der Bioladen-Subkultur in die Mainstreamsupermärkte steht. "Gutes Citymarketing", nennt es Initiator Tobias Leenaert, wie sich das pittoreske Gent ein neues Image als nachhaltige Stadt verschafft.

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