Für viele Niederländer war der 1. Oktober ein „historischer Tag“. Für das größte Gasfeld Europas unter der Nordprovinz Groningen wurde die Förderung eingestellt. Erstmals seit 60 Jahren geht das Land einem Winter ohne einheimisches Erdgas entgegen.
Schon lange gab es darüber heftige Debatten, verschärft durch das Bestreben der EU, unabhängig von russischen Ressourcen zu werden. Allenthalben wurde Groningen als naheliegende Alternative gehandelt. Ein nachvollziehbarer Gedanke, zumal noch beachtliche Vorkommen im Boden stecken. Auch deshalb werden die Bohrlöcher wohl erst in einem Jahr zubetoniert. Bei einem harten Winter soll Groninger Gas als Notfallreserve weiter zur Verfügung stehen.
Vom Exporteur zum Importeur von Gas
Die Niederlande müssen es nun verkraften, dass ihnen Einkünfte in Größenordnungen aus dem Export dieses Rohstoffs, unter anderem nach Deutschland, verloren gehen. Gut 430 Milliarden Euro wurden bisher an diesem Gasfeld verdient.
Nur ändert das nichts daran, dass die unterbundene Förderung alternativlos ist. Mit der Zeit wurden mehr als tausend Erdbeben registriert, ausgelöst durch die entstandenen Druckunterschiede im Boden. Es gab keine Todesopfer, aber immer wieder trugen Häuser in der Region schwere, teils irreparable Schäden davon. Den Bewohnern bescherte das ein jahrelanges bürokratisches Tauziehen um adäquate Entschädigungen. Ganz abgesehen von der ständigen Verunsicherung im eigenen Zuhause.
Rückgriff auf Kohlekraftwerke
Noch schwerer wiegt, dass die Fördergesellschaft NAM und die Regierung diese Zustände konstant ignorierten. Nach dem schwersten Beben 2012 wurde die Fördermenge zunächst sogar noch erhöht. Eine Untersuchungskommission nannte das Anfang des Jahres ein „beispielloses Systemversagen“. Das Misstrauen gegenüber Regierung, Parteien und parlamentarischer Demokratie wurde dadurch erschüttert – und das weit über die betroffene Provinz hinaus.
Natürlich ist der einigermaßen überstürzte Umstieg vom Gasexporteur zum -importeur nicht leicht. Der Rückgriff auf Kohlekraftwerke ist so alarmierend wie das in anderen Ländern bevorstehende Comeback der Kernenergie. Heraufbeschworen wird die Misere in diesem Fall durch fahrlässig späte Entscheidungen der Regierung, der längst bewusst war, dass es in Groningen nicht weitergehen konnte wie bisher.
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