Generationengerechtigkeit?

Herrschaft der Alten Wer entscheidet eigentlich über die Zukunft der Jungen und wer bezahlt diese? Jedes zweite Mitglied der CDU und SPD und jeder dritte Wähler sind über 60

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Generationengerechtigkeit?

Foto: Josep Lago/ AFP/ Getty Images

Florian Bernschneider ist 26 Jahre alt. Er ist das jüngste Mitglied des Bundestages in der ablaufenden 17. Legislaturperiode. Damit gehört er zu den sechs Abgeordneten unter 30 und unterschreitet deutlich das Durchschnittsalter des Parlamentes von 49 Jahren. Das man sich da als junger Wähler nicht wirklich vertreten sieht, ist offensichtlich. 1% des Plenums sollen 30% der Bevölkerung vertreten. Gut werden manche sagen, die restlichen 99% werden ja nicht nur für die Interessen ihrer eigenen Altersgruppe eintreten. Das mag stimmen, aber ändert trotzdem nichts an der Tatsache, dass wichtige Entscheidungen meist von denen gefällt werden, die diese gar nicht mehr betreffen werden.

Auch zur Bundestagswahl in sechs Wochen können wir uns zwischen einer 59 jährigen Kanzlerin und einem 66 jährigen Spitzenkandidaten der SPD entscheiden. Eine mathematische Ursache, die diese Verzerrung unterstützt, ist die niedrige Wahlbeteiligung junger Menschen und deren zahlenmäßige Unterlegenheit. Die Wahlbeteiligung der unter 30 Jährigen lag 2009 zwischen 59 und 63%, die der 50 bis 70 Jährigen dagegen zwischen 75 und 80%. Bald wird jeder zweite Wähler über 60 sein.

Ein Lichtblick für junge Menschen ist da Wolfgang Gründinger. Der Autor ist Mitglied imThink Tank 30 des „Club of Rome“ und Sprecher der „Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen“. Er studierte Politik- und Sozialwissenschaften in Regensburg, Berlin und an der University of California in Santa Cruz und promoviert zurzeit an der Humboldt Universität in Berlin zur Rolle der Interessengruppen in der deutschen Energiepolitik. Er ist Mitherausgeber des „Zukunftsmanifestes“. Elf Junge Menschen nehmen in dieser Schrift parteiübergreifend Stellung zu verschiedenen Themen und zeigen Möglichkeiten auf, wie eine junge Demokratie in Zukunft aussehen könnte.

Neben dem recht laschen Wunsch nach einer Stärkung der Gewerkschaften, (dies sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein) der CDUlerin Diana Kinnert, lassen sich hier hervorragende Texte von Gründinger selbst, zum demografischen Wandel und von Jacob Schrot (CDU) zu Europa finden. Schrot hatte 2009 in der ZDF-Show „Ich kann Kanzler“, den Sieg davon getragen. Hier schreibt er von der nötigen Erneuerung der europäischen Idee und dem Projekt Europa. Ebenfalls herausragend: ein Entwurf zur Verwirklichung der „Liquid Democracy“ von Sebastian Jabbusch von den Piraten.

Was deutlich wird, sind die Vorurteile der alten über die junge Generation auf der einen und die Ängste der Jungen auf der anderen Seite. Sie müssen, so scheint es momentan, nicht nur die ständig steigenden Kosten der Renten ihrer Großeltern und Eltern bezahlen, sondern auch noch ihre eigene. Auf die Mindestrente von 660 Euro wird ein Durchschnittsverdiener im Jahre 2030 selbst nicht nach 30 Beitragsjahren kommen. Aber dies müsste nicht so sein. Das System der umlagefinanzierten Rente kann ein gerechtes sein und den Zusammenhalt aller Bürger als eine Solidargemeinschaft stärken. In ihrem Buch „Freiheit statt Kapitalismus“ erklärt Sahra Wagenknecht warum. Bei einer gemeinsamen Rentenkasse für alle Bürger würde das Geld auch in Zukunft reichen. Die Produktivität ist seit 1960 im Jahr im Schnitt um 2,5% gewachsen. Auch wenn diese auf 1% sinken würde, wären in 50 Jahren, immer noch 12% für jeden mehr da. Das Problem der Rentenfinanzierung liegt nicht im demografischen Wandel, sondern in der Privatisierung dieser. Die zu niedrigen Löhne und prekären Arbeitsverhältnisse vieler Bürger lassen zudem eine zusammenhängende Arbeitsbiografie überhaupt nicht zu, die Voraussetzung für gesicherte Renten ist.

Im „Zukunftsmanifest“ spricht sich Gründinger auch für einen „Generationensoli“ aus. Denn es ist nicht so, dass die Jungen das Geld der Alten ja sowieso vererbt bekommen würden. Durch die hohe Lebenserwartung sind es meist erst einmal die Eltern, die das Geld der Großeltern erben. Sie selbst werden es wahrscheinlich, erst als Rentner bekommen. Über eine Umverteilung auch auf Ebene der Altersverteilung von Reichtum muss geredet werden.

In seinem preisgekrönten Essay „Aussterben abgesagt“ und im „Zukunftsmanifest“ spricht Wolfgang Gründinger aber keineswegs nur von den negativen Aspekten und Auswirkungen des demografischen Wandels, sondern sieht auch seine Vorteile. Anstatt sich zu bekämpfen, sollten wir miteinander an einer besseren Zukunft arbeiten. Und Rentner besitzen ein wichtiges Gut - Zeit. Diese können sie investieren und damit entscheidend zum Allgemeinwohl beitragen. Eigentlich eine Idee, die schon seit Jahren in einzelnen Mehrgenerationenhäusern funktioniert, aber noch nicht die punktuellen lokalen Standorte verlassen zu haben scheint. Denn, so Gründinger: „Liebe Alte: Wir brauchen euch!“

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