Entschuldigen Sie bitte!

Vergessene Kunst Wer bringt heute noch eine ehrlich gemeinte Entschuldigung hervor? Dabei ist das gar nicht so schwer – und Anlässe gibt es genug. Ein paar Vorschläge

Eine ernst gemeinte Entschuldigung hört man heute immer seltener. Zumindest entsteht der Eindruck, dass sich viele Leute entweder darum herumwinden, sich inflationär immer und für alles entschuldigen, sich großspurig für eine Belanglosigkeit oder aber belanglos für eine Todsünde entschuldigen. Ein aufrichtiges „Es tut mir Leid“ ist dagegen so selten geworden wie ein Kirchenbesuch. Und das ist nicht nur schade, nein, es ist auch Ausdruck einer unfreundlichen Zeit.

Normalerweise geht einer Entschuldigung ein Vergehen voraus, so gering dieses auch sein mag. War es früher nicht möglich, sich selbst von Schuld zu befreien – man bat um Entschuldigung und der Geschädigte sprach den Schuldigen frei –, so ist der Aspekt der Vergebung heute nahezu bedeutungslos geworden.

Im Lateinischen unterscheidet man zwischen apologeticum, der Verteidigung, und excusatio, der Entschuldigung. Das Englische to apologize bedeutet sich zu entschuldigen, aber eher in Richtung Rechtfertigung. Dagegen geht die Bedeutung des Verbs to excuse stärker in Richtung der Entschuldigung, die um eine positive Reaktion des Gegenübers buhlt: „Verzeihen Sie mir“, „Entschuldigen Sie mich“ (excuse me). Es kann aber auch bedeuten, jemandem etwas zu erlassen (to excuse someone from).

Zeigt eine Entschuldigung echte Reue, ist der Geschädigte oft dazu bereit, mildernde Umstände walten zu lassen. Mit ein paar netten Worten oder einem Handschlag ist die Sache aus der Welt geschafft – „Schwamm drüber!“ Verkommt eine Entschuldigung allerdings zum taktischen Manöver, um endlich wieder Ruhe in einem Konflikt einkehren zu lassen, kann man sie sich auch besser gleich sparen.

Die folgenden Texten stellen hilfreiche, aber natürlich rein subjektive Anleitungen dar, wie man sich heutzutage auf moderne Art für alltägliche private oder geschäftliche Verfehlungen entschuldigen kann. Einige von Ihnen wurden tatsächlich ausgesprochen, andere warten noch darauf. Viel Spaß. Und entschuldigen Sie bitte!

Die Dress-like-an-Animal-Party

Mein lieber, treuer Freund, es tut mir furchtbar leid, dass ich nicht zu deiner Dress-like-an-Animal-Party erschienen bin. Ich wäre wirklich gerne gekommen, glaub’ mir das bitte. Und glaub’ mir auch das Folgende: Als ich deine Einladung erhielt, hatte ich die Idee, mich als Bibo aus der Sesamstraße zu verkleiden. Du kennst doch den Kostümverleih hier um die Ecke, die haben so ein Kostüm, war auch gar nicht teuer. An dem Abend der Party steige ich in die U-Bahn Schönleinstraße Richtung Alexanderplatz, das Kostüm hatte ich schon angezogen, ich wollte schon immer mal als Vögelchen die Welt erleben. Bis zum Alexanderplatz ging dann auch alles gut, ein paar Kommentare von Halbstarken, staunende Kinder, einige von ihnen waren auch ein bisschen verängstigt, ein Mädchen lachte ziemlich laut, aber ansonsten nichts Aufregendes.

Am Alexanderplatz wartete ich dann auf die Tram nach Norden als so ein Haufen angetrunkener Touristen anfing, Fotos von mir zu machen. Naja, dachte ich, sollen sie doch ihre Fotos machen, dann haben sie zuhause etwas zu erzählen. Du weißt, ich kann manchmal ein komischer Vogel sein, aber alles in allem bin ich ein freundlicher Mensch. Doch als einer von ihnen mir eine Feder aus dem Kleidchen zog und sie als Trophäe in den Nachthimmel streckte, ist mir die gute Laune vergangen. Die Szene muss surreal ausgesehen haben: Ein Faustkampf zwischen Bibo und einer Handvoll Touristen. Einer hat mir heftig vors Schienbein getreten, zum Glück war das Kostüm gut gepolstert. Dafür habe ich auch zwei, drei Treffer landen können. Dann kam die Polizei und hat uns alle einkassiert. Auf der Wache haben die Polizisten Fotos von mir gemacht und gelacht. Erst im Morgengrauen konnte ich wieder gehen. Ich bin mir sicher, das steht heute irgendwo in der Zeitung. Zum Glück ist an dem Kostüm nichts kaputtgegangen. Du siehst also, dass ich nicht kommen konnte, war nicht meine Schuld. Ich hoffe, ihr hattet wenigstens einen schönen Abend.

Die Bahn

Der Regionalexpress nach Braunschweig hält heute nicht in Braunschweig. Wir bitten um Entschuldigung!

Geburtstagsbrief

Liebe Mami, heute war ein herrlicher Sommermorgen, einige Schäfchenwolken am Himmel, die Sonne hielt ihre Kraft noch zurück. Ich machte mich von zuhause auf den Weg zur Post am Hermannplatz. Kennst du doch? Das ist der Platz mit dem großen Kaufhaus, der früher so hübsch war und heute aussieht wie ein ausgekippter Mülleimer. Ich war gerade raus und um die erste Straßenecke gebogen, als mir ein Vogel aufs Jackett schiss. Ich schaute nach oben und drohte dem Übeltäter, beim nächsten Mal den Spieß umzudrehen, haha. Dann wischte ich die Soße, so gut es ging, mit einem Taschentuch weg. Einige Schritte weiter stolperte ich über eine Steinplatte, die ein Stück aus dem Boden ragte, und schlug im Fallen einen Purzelbaum. Den Schwung mitnehmend, stand ich auch schon wieder auf beiden Beinen und wurde im nächsten Moment von einer Horde Schulkindern über den Haufen gerannt. Eine nette alte Frau reichte mir ihren Gehstock, und als ich mich daran hochgezogen hatte und ihr danken wollte, schlug sie damit auf meinen Kopf ein, traf aber zum Glück nur die Schulter. Sie riss mir meine Tasche aus der Hand, stieg in einen schwarzen Mercedes und rauschte davon. Ihr fassungslos hinterher schauend, spürte ich einen unangenehmen Schmerz im linken Bein. Ein großer schwarzer Hund hatte mich gebissen und ließ nicht ab.

Verdammt noch mal, das tat jetzt aber richtig weh! Ich zog mein Messer aus der Hosentasche, das hast du mir doch letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt. Ich stach es dem Hund in den Rücken, worauf er seine Zähne aus meinem Fleisch zog, aufheulte und sich davonmachte. Ein Fahrradfahrer musste dem Hund ausweichen und, nein, das war ja mein Fahrrad, und das Messer steckte im Rücken des Hundes, und meine Tasche mit dem Brief an dich darin hatte die alte Dame, und auf meinem Jackett war ein milchiger Fleck, der nach Vogelscheiße roch. ‚Werd jetzt bloß nicht ohnmächtig‘, dachte ich und atmete kräftig durch. Dann humpelte ich nach Hause, verband mein Bein und ließ alle Rollläden herunter. Fürs Erste hatten mir diese Unglückshandlanger genug zugesetzt. Gegen solche Fiesheiten wäre jeder machtlos gewesen, oder? Jetzt liege ich auf meinem Bett und schreibe diesen Brief an dich. Du siehst also, ich habe deinen Geburtstag nicht vergessen, sondern werde erst morgen einen neuen Anlauf zur Post schaffen. Deshalb erreicht dich dieser Brief einen Tag zu spät. Mami, alles Liebe zum Geburtstag, nachträglich! Dein T.

Making of …

Mir wurde immer vorgeworfen, dass ich in meinen Filmen Tiere quäle. Nehmen Sie zum Beispiel Das liebevolle Lumpengesindel, da soll ich vor einer Actionszene angeblich einen Hund k.o. geschlagen haben, damit er während des ganzen Geballers ruhig liegen bleibt. Aber ich habe ihn nicht k.o. geschlagen, ich habe ihn tot geschlagen, zack und fertig.

Die verpasste Mathearbeit

Sehr geehrter Dr. P. Zwackelmann,

mein Sohn Philipp konnte am Montag leider nicht an den ersten beiden Stunden teilnehmen und somit auch nicht die Mathematikarbeit mitschreiben. Das hatte folgende Gründe: Am Morgen kam ich in sein Zimmer, und er lag nicht in seinem Bett. Da öffnete sich wie von Geisterhand die Schranktür und Philipp steckte den Kopf aus dem Schrank. Als ich zum Schrank ging, war da aber niemand mehr drin. Verdutzt schaute ich im Zimmer herum und sah Philipp unterm Schreibtisch. Aber als ich zum Schreibtisch ging, war er nicht mehr da, sondern schwebte draußen vorm Fenster. Als ich das Fenster öffnete, verlor Philipp seine Fliehkraft und fiel. Natürlich bin ich gleich hinterhergesprungen, Philipp ist schließlich mein einziger Sohn. Wir fielen also hinunter und kurz bevor wir auf den Boden schlugen, wachte ich schweißgebadet aus dem Traum auf. Es war schon hell, und ich schaute zum Wecker, der bereits kurz nach neun Uhr anzeigte. Kurz gesagt: Ich habe schlecht geträumt, verschlafen und konnte Philipp deshalb nicht rechtzeitig wecken. Ich bitte Sie hiermit, das Fehlen meines Sohnes zu entschuldigen.

Mit den besten Grüßen, Ihr Prof. Dr. K.-H. Schiesser

Aussage vor Gericht

Euer Ehren, hohes Gericht, von mir wird angenommen, dass ich meine Frau aus Gewinnsucht ermordet habe. Ich will versuchen, die Ereignisse, die zum Tod meiner Frau geführt haben, für das Gericht und die Anwesenden wahrheitsgemäß darzustellen.

Alles begann damit, dass unsere Haushälterin am Abend, der dem schrecklichen Morgen vorausging, aus Krankheitsgründen absagte. Deshalb bin ich am nächsten Tag eine halbe Stunde früher aufgestanden, um Frühstück und Kaffee zuzubereiten. Seit wir diese Haushälterin hatten, bin ich ein bisschen schusselig geworden, was den Haushalt angeht. Zuerst klappte alles ganz gut, aber dann habe ich aus Versehen die Kaffeekanne vom Tisch gestoßen. Davon ist meine Frau wach geworden. Sie müssen auch wissen, dass wir viele Antiquitäten und Kunstgegenstände in der Wohnung haben, teure Vasen, Designermöbel und eben diese Skulptur von Alberto Giacometti. Nachdem die Eltern meiner Frau ebenfalls bei einem Unfall ums Leben gekommen waren, konnten wir unseren gemeinsamen Vorlieben in dieser Richtung ausgiebig nachgehen. Als ich in der Küche war, um ein Wischtuch zu holen, muss meine Frau aus dem Schlafzimmer gekommen sein. Als ich gerade aus der Küche kam, sah sie mich vorwurfsvoll an und sagte, immer noch ein bisschen verschlafen: „Na, was hast du heute wieder?“ Sie hat wohl den Kaffee auf dem dunklen Parkettfußboden übersehen, rutschte aus, fiel nach hinten und schlug mit dem Kopf gegen die Giacometti-Skulptur. Sie war sofort tot. Alleinerbe hin oder her, genauso ist es passiert, Euer Ehren, ich schwör’s.

Die verpasste Hochzeit

Die zehn wichtigsten Gründe, warum es besser war, dass ich nicht zu deiner Hochzeit gekommen bin:

1. Es gibt definitiv keinen Zug, der nach Meppen fährt. Und der Taxifahrer hat gesagt, er fahre da nicht hin.

2. Von Erdbeerbowle bekomme ich Ausschlag. Das habe ich dir doch schon hunderttausend Mal gesagt.

3. Du weißt, ich tanze gern. Manche Leute sagen, ich tanze fantastisch. Aber das stimmt nicht. Ich tanze phänomenal, ich tanze epochal. Ich hätte euch beim Tanzen doch alle nur wie Idioten aussehen lassen.

4. Apropos tanzen, dein Musikgeschmack war schon immer miserabel.

5. Apropos miserabel, deine neue Kollektion von Modehüten ist wirklich ein Albtraum.

6. Apropos Albtraum, deine anderen Hutkollektionen vorher waren auch furchtbar. Ich hab’s dir nur nicht gesagt, ich dachte, du verkraftest das nicht.

7. Apropos verkraften, wie geht es dir eigentlich damit, dass dein pensionierter Vater immer noch die Fäden im Geschäft zieht?

8. Apropos Fäden, seit du diesen Fusselbart trägst, siehst du genau so bescheuert aus wie der Franz.

9. Apropos Franz, du wusstest doch, dass ich mit der Frau vom Franz eine Affäre hatte (mit der Tochter übrigens auch) und dass der Franz das auch mitbekommen hat (nicht das mit der Tochter, nur das mit der Frau).

10. Apropos Affäre, deine Frau hat mich schon immer mehr geliebt als dich (hast du dir „euren“ Sohn eigentlich schon mal genau angesehen?).

Interview mit einem Schriftsteller

Warum ich so selten bei Lesungen in Deutschland auftrete? Sie müssen sich das so vorstellen: Bei meiner letzten Lesetour durch Italien habe ich jeden Abend vor mindestens 500 Menschen gelesen. In Mailand kamen sogar 1.967 Besucher, die bezahlt haben. Man kann also von knapp 2.500 Menschen ausgehen, die sich in den Festsaal gezwängt haben. An diesem erwähnten Abend musste ich bis 3 Uhr 42 morgens lesen, weil die Leute einfach nicht nach Hause gehen wollten. Ich habe gelesen und gelesen und die Ragazzi haben keinen Pieps von sich gegeben. Sie wissen ja, was die Italiener sonst für ein temperamentvolles Völkchen sind. Zu jeder vollen Stunde habe ich fünf Minuten Pause gemacht, in der es durchgängig Applaus gab.

Zurück in Deutschland lese ich vor zwanzig Leuten, von denen sich fünf um den Eintritt drücken und zehn nach der Pause abhauen. Und nach fünf Minuten fangen die Trottel schon an zu husten, sie klappern mit den Schuhen, rascheln mit Kaugummipapier, es gibt peinliche Zwischenrufe und so weiter. Deshalb habe ich irgendwann gesagt: ‚Gut, ich trete gerne in Deutschland auf, ich liebe mein Land, aber eine Stunde den Hampelmann machen kostet dann auch 4.000 Euro.‘ Und das ist schon ein Sonderpreis. Wie würden Sie sich dabei fühlen, wenn am Ende einer Lesung noch zehn Leutchen im Raum sitzen, von denen acht eingeschlafen sind, einer lobotomiert und einer ein hässliches Groupie ist? Ist doch ganz klar, dass ich da nicht einfach nach Hause gehe, meiner Frau ein Küsschen auf die Wange drücke und einpenne. Da muss ich natürlich erst mal Luft ablassen. Aber mit 4.000 Euro lässt sich auch heute kein Richter mehr bestechen, wenn es um vorsätzliche Körperverletzung geht. Und in gewissen Etablissements werde ich auch nur noch zweiter Klasse behandelt und begegne irgendeinem Kleinstadtbürgermeister auf dem Flur. Ich bin zwei Mal verheiratet gewesen, habe acht Kinder, die Essen, Kleidung und eine Ausbildung brauchen – das alles muss bezahlt werden, das alles muss ich bezahlen.

Bleiben wir doch beim Beispiel Mailand. 45.000 Euro für den Auftritt, ein paar Interviews und Beischlaf mit der bildhübschen Tochter eines angesehenen Großindustriellen, die sich ein Kind von mir gewünscht hat. Und ich zahle ja Steuern hier in Deutschland. Eigentlich kann ich es mir nicht leisten, hier zu lesen, aber ich leiste es mir, so oft es eben geht. Letztes Jahr habe ich vier Bücher geschrieben, bin zwei Mal um die Welt getourt und war sogar für einen Auftritt in einer chinesischen Raumstation vorgesehen. Leider ist daraus nichts geworden, weil – ach, ich könnte noch stundenlang fortfahren, Ihnen die Gründe zu nennen, warum ich so selten in Deutschland auftrete. Vielleicht schreibe ich einfach mein nächstes Buch darüber.

Termin beim Psychiater

Meine liebe Frau, ich hab mich ins Bett gelegt. Mir ist nicht gut. Lass dir kurz erklären, was passiert ist. Ich habe meine Armbanduhr doch so eingestellt, dass sie zwölf Minuten vor geht. Ich habe dir ja davon erzählt. Meine Studien über Pünktlichkeit und Verspätungen, ich fand doch heraus, dass zwölf Minuten die ideale Pufferzeit sind. Und heute war mein erster Termin bei dem Psychotherapeuten. Wie lange wir über dieses Thema gesprochen haben. Und wie lieb du mich dabei immer unterstützt hast, bis ich mich endlich zu diesem Schritt durchringen konnte, mir professionelle Hilfe zu holen. Also heute war mein erster Termin – und natürlich war ich zu früh dran. Im Ladengeschäft des Hauses, in dem der Psychotherapeut praktiziert, befindet sich ja diese Eisdiele, weißt du? Punkt vier zeigte meine Uhr an. Ich hatte also noch ein bisschen Zeit und da erwärmte mich das stolze Gefühl, mein Leben endlich in die richtigen Bahnen gelenkt zu haben. Zur Belohnung kaufte ich mir eine bescheidene Kugel Eis. Das Eis schmeckte mir so gut, dass ich nicht bloß daran leckte, sondern es in wenigen Bissen lustvoll hinunterschlang und mir gleich noch eine zweite Kugel kaufte. Aber auch diese hatte ich in wenigen Sekunden verdrückt. Dann kaufte ich mir eine dritte Kugel, dann eine vierte, eine fünfte, eine sechste, eine siebte, eine achte, eine neunte, eine zehnte, eine elfte und als ich schließlich die zwölfte Kugel verspeist hatte, bekam ich schreckliche Bauchschmerzen und lief nach Hause, um mich hinzulegen. Bitte mach’ mir doch einen Tee, wenn du heim kommst. Und sei mir nicht böse. Sowie es mir besser geht, mache ich auch gleich einen neuen Termin. Dein Mann.

Entschuldigung an Gott

Ich habe an John Lennon geglaubt. Und an viele andere, die ihm ähnlich waren. Ich habe ein Bild von dir neben das von Marilyn Monroe auf ein Blatt Papier gemalt, es war kein schönes Bild, muss ich zugeben. Aber das lag auch eher an dir. Ich habe unter das Bild auch noch deinen Namen geschrieben und ihn in höchst ungebührlicher Weise verulkt. Am Sabbat habe ich die besten Geschäfte abgeschlossen. Ich habe meinen Vater und meine Mutter verleumdet. Ich habe getötet, ja, aber nie einen Menschen. Ich habe mir in der Nacht Gedanken über Scarlett Johansson gemacht und mein Körper hat diesen Versuchungen nachgegeben. Ich habe eine Flasche Rothschild-Wein gestohlen, ich hatte kein Geld dabei, ich hatte eine Verabredung mit einem schönen Mädchen. Ich habe andere in Unehre gebracht. Ich habe das Haus von Clint Eastwood, die Frau von Leonardo DiCaprio, die Position des Bundespräsidenten, die Heiterkeit der Betrunkenen und noch unzähliges anderes begehrt.

Du siehst, ich habe nicht nach deinem Gesetz gelebt, obwohl ich doch in manchen Momenten glaubte, deine Stimme zu hören. Es ist aber auch so schwer, keines deiner Gesetze zu brechen, verdammt, oh entschuldige bitte. Weißt du was, vergessen wir die Sache doch einfach, tut mir echt leid, aber das zwischen dir und mir, das kann keine echte Liebesbeziehung sein. Sorry.

Die ungeschriebene Rezension

Es ist schwer, jemandem etwas über Miles Davis zu sagen, der nichts von ihm weiß. Miles Davis ist ein großer Jazz-Trompeter. Freddie Hubbard ist nicht so groß wie Miles Davis. Und Till Brönner ist im Vergleich zu Miles Davis ein Nichts. Und Paolo Fresu, Wynton Marsalis und Nils Petter Molvær sind im Vergleich zu Miles Davis einfach Seifenblasen. Überhaupt sind alle Menschen Seifenblasen im Vergleich zu Miles Davis. Nur im Vergleich zu dem Jazz-Saxophonisten Charlie Parker ist auch Miles Davis eine Seifenblase. Deshalb schreibe ich statt über Miles Davis besser etwas über Charlie Parker. Obwohl auch Charlie Parker so groß ist, dass über ihn nichts Rechtes zu schreiben ist. Weshalb ich doch besser über Miles Davis schreibe. Aber nach Charlie Parker über Miles Davis zu schreiben, ist irgendwie beleidigend. Und über Charlie Parker ist nichts zu schreiben. Deshalb schreibe ich besser über keinen von beiden.

Tobias Premper, Jahrgang 1974, lebt als Künstler, Schriftsteller und freier Autor in Berlin. Weitere Infos unter: tobiaspremper.com

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