Im Internet sind leider alle gleich

Terror 2.0 Für den IS sind soziale Netzwerke ein äußerst wichtiges Propaganda-Instrument. Sie verhalten sich darin wie Werbetreibende aus Hollywood
Ausgabe 11/2015
Webseite eines japanischen Tourismusunternehmens, die von IS-Anhängern gehackt wurde
Webseite eines japanischen Tourismusunternehmens, die von IS-Anhängern gehackt wurde

Foto: AFP

Es wirkt wie ein Katz-und-Maus-Spiel der schnellen, digitalen Art. Mitglieder und Anhänger der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) richten reihenweise Nutzerkonten auf Facebook, Twitter & Co. ein, die ebenso schnell von den Betreibern der sozialen Netzwerke wieder gelöscht werden. Twitter soll zuletzt rund 40.000 Accounts gesperrt haben, die dem IS zugeordnet wurden. Dann geht das Spiel von vorne los. Denn die Verbreitung von Fotos, Videos und Blogs in den sozialen Netzwerken ist für die Terroristen ein äußerst wichtiges Propaganda-Instrument. Hierüber erreichen sie Sympathisanten und verbreiten Informationen, beispielsweise wie man aus Putzmitteln eine Bombe bauen kann.

Evan Kohlmann von Flashpoint Partners, einem auf Sicherheitsfragen spezialisierten Unternehmen, geht davon aus, dass mehr als 90 Prozent der Online-Aktivitäten von Terroristen in den sozialen Medien stattfinden. Hier findet nämlich eine klassische Regel des Guerilla-Kampfes neue Anwendung: Lose organisierte Gruppen sind gegenüber schwerfälligeren Gegnern im Vorteil. Marketing-Profis wissen das schon lange.

Im Gegensatz zu Regierungen und der Polizei sind Terroristen nicht auf die traditionellen Medien angewiesen, um zu kommunizieren und potenzielle Gefolgsleute zu erreichen. Nutzerkonten lassen sich in sozialen Netzwerken schnell und kostenlos einrichten. Über vernetzende Markierungen wie Hashtags erreichen auch neue User schnell ein Millionenpublikum auf der ganzen Welt.

Dies hat zwei für Terroristen positive Effekte: Sympathisanten werden zu Markenbotschaftern des IS, insbesondere in den westlichen Ländern, in denen soziale Medien zum Alltag der Menschen gehören. Dort verbreiten sie die Ansichten der Terroristen. So gelingt es den IS-Anhängern immer wieder, die Agenda der Nachrichten mitzubestimmen und durch den Echtzeit-Charakter der Meldungen traditionelle Medien unter Druck zu setzen.

Gegen die Nutzerkonten von Terroristen vorzugehen, mag verständlich sein, allein es reicht nicht aus. Facebook und Twitter werden auch im besten Fall Stunden brauchen, um solche Konten zu identifizieren und nach transparenten Richtlinien zu löschen. Das Video der Hinrichtung des US-amerikanischen Journalisten James Foley konnte zwei Stunden lang von einem Profil mit mehr als 10.000 Followern getwittert werden, bevor es gelöscht wurde.

Auch in diesen Fällen gilt die eiserne Regel des Netzes, dass sich eine im Internet verbreitete Information nie wieder einfangen lässt. Außerdem gehen auch Terroristen mit der Zeit und setzten zuletzt auch auf mobile Messenger-Dienste. Es gebe WhatsApp-Gruppen, die aktuelle Kriegsbilder aus Syrien verbreiten, sagt der nordrhein-westfälische Verfassungsschutzchef Burkhard Freier. „Diese Bilder scheinen zur Radikalisierung junger Leute beizutragen.“

Dass die IS-Terroristen nun einen eigenen Facebook-Klon namens 5elafabook.com programmiert haben, ist der nächste Schritt, um möglichst ungestört agieren zu können. Die Verbreitung der Propaganda wird aber weiterhin in den beliebtesten sozialen Kanälen stattfinden. Der IS benutzt dafür die gleichen Methoden wie Kampagnen gegen Sexismus, für ein Grundeinkommen oder für einen neuen Blockbuster aus Hollywood.

Tobias Schwarz ist Projektleiter von netzpiloten.de. Weitere Beiträge der Netzpiloten finden sie auf freitag.de

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Geschrieben von

Tobias Schwarz

Projektleiter von "Netzpiloten.de". Veröffentlicht regelmäßig zu medien- und netzpolitischen Themen, den digitalen Wandel, Innovation und Netzkultur.

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