Geschichtsstunde trivial

Bildungsfernsehen? Serien wie "Das Adlon" wollen Glanzstücke deutscher Fernsehkultur sein. Die Realität sieht leider anders aus

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Geschichtsstunde trivial

Screenshot: ZDF.de

Es ist immer wieder das Gleiche. 2009 sendete das ZDF einen aufwändig gemachten Dreiteiler über die Krupps. Der Stoff hatte Potenzial, schließlich spielte die mächtige Inudstriellendynastie eine wichtige Rolle in der deutschen Geschichte 20. Jahrhunderts.

Anfang 2013 servierte das ZDF seinen Zuschauern nun wieder einen Dreiteiler und wieder wollte man eine große Familiensaga daraus machen, eine Erzählung epischen Ausmaßes mit einer Rahmenhandlung angesiedelt in den 90ern und einer Binnenhandlung, die in der wilhelminischen Epoche einsetzt und in der DDR der Fünfzigerjahre endet. Dieses Mal sollte es um das legendäre Berliner Adlon gehen.

Die beiden ZDF-Projekte sind sich nicht nur thematisch ähnlich, sie gleichen sich auch in ihrer Qualität. „Das Adlon – Eine Familiensaga“ und „Die Krupps – eine deutsche Familie“ reihen sich ein die Liste deutscher Historienfilme, die eigentlich nicht viel anders sind als das ebenfalls im Zweiten heimische „Traumschiff“: Schöne Bilder, aber inhaltlich so anspruchsvoll wie eine Telenovela.

Die Geschichte des Adlon-Dreiteilers ist lang und kompliziert. Es geht nicht nur um die Adlons, sondern auch um die Familie Schadt. Es geht gleich zwei Mal um Mädchen, die von ihren Müttern getrennt werden, es geht um gefühlte zwei Dutzend Nebencharaktere, von denen man sich einige hätten sparen können (was bitteschön hat Billy Wilder eigentlich in diesem Film zu suchen gehabt?), während andere wie Louis Adlon junior viel zu kurz kommen. Der Film ist überladen und wie schon gesagt, kompliziert. Aber nicht komplex. Irgendwie will er sich zwar mit der Thematik deutsche (Kollektiv-)Schuld auseinandersetzen, aber eine richtige Auseinandersetzung mit einem solchen Thema muss eben über das Dreschen ausgeleierter Phrasen hinausgehen.

Stattdessen strotzt die Adlon-Saga wie schon die „Die Krupps“ vor Plattitüden. Die Dialoge hätten auch Vierzehnjährige für ein Rollenspiel im Geschichtsunterricht fabrizieren können.

So steht im zweiten Teil Josephine Preuß in ihrer Rolle als Sonja Schadt mit ihrem Geliebten Julian Zimmermann alias Ken Duken am Fenster – der Reichstag steht in Flammen.

„Das werden sie den Kommunisten anhängen!“, kommt sofort der Kommentar. „Show, don't tell“ ist ja eigentlich ein Ratschlag für Schriftsteller, doch anscheinend gibt es auch Filmschaffende, die sich einmal mit ihm auseinandersetzen sollten.

Bedenklich ist die Darstellung der Bediensteten Galla, einer Schwarzen. Sie sagt nicht viel und wird von den anderen Charakteren teilweise behandelt wie ein großes Kind. Als das erste Radio ins Adlon einzieht, scheint ihr das Ding nicht geheuer zu sein, man gewinnt fast den Eindruck sie hielte es für eine Art Hexerei.

Ebenso nervig wie unnötig sind auch die immer wieder eingeschobenen Sequenzen aus der Rahmenhandlung, in der die mittlerweile über neunzig Jahre alte Sonja mit nostalgisch-verklärtem Blick einer Hotelangestellten in prätentiös-langatmiger Manier ihre Lebensgeschichte auf die Nase bindet. Dieser Angestellten gebührt wirklich einiger Respekt, immerhin sind ihr am Ende der Historienseifenopfer immer noch nicht die Augen zugefallen. Vielleicht hat sie sich auch mit der Frage wach gehalten, warum sie die andauernd an „Titanic“ denken muss.

So reiht sich denn Trivialität an Trivialität, dramatische Wendung an dramatische Wendung. Das Ganze erinnert fatal an das Histotainment von Guido Knopp, der ja schon so gut wie im Ruhestand ist.

Manch einer hatte die „Das Adlon“ schon mit „Downtown Abbey“ verglichen oder gar als deutsche Antwort darauf betrachtet. Genau so gut könnte man die BBC-Produktion „Sherlock“ mit einer durchschnittlichen „Tatort“-Folge vergleichen .

Das Ärgerlichste an solchen Filmen ist nicht, dass sie dumm sind. Schlimmer wiegt, dass ihre Macher anscheinend glauben, so sehe Qualitätsfernsehen aus. Wahrscheinlich klopfen sich nach den Dreharbeiten zu Filmen wie „Das Adlon“ oder die „Die Krupps“ gegenseitig alle Beteiligten auf die Schulter und sind fest überzeugt, eine ganz besondere Perle öffentlich-rechtlich-ambitionierter Unterhaltung geschaffen zu haben.

Auch im Kino ist der Trend zum Trivial-Historienfilm offenbar angekommen. Daniel Kehlmanns Roma „Die Vermessung der Welt“, in dem es um die großen Geister Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt ging, erntete viel Lob von der Kritik. Die letztes Jahr in die Kinos gekommene Verfilmung hingegen enttäuschte, daran konnte auch das 3D nichts ändern. Auf der Leinwand wurde der „Vermessung der Welt“ eine ziemlich simple Komödie vor historischer Kulisse. Von dem Charme der weit subtileren Vorlage war der Streifen Welten entfernt.

Alle Kritik wird jedoch nichts daran ändern, dass uns diese Art pseudo-kultivierter Unterhaltung noch eine ganze Weile erhalten bleiben wird. Es ist, wie das Til-Schweiger-Kino Ausdruck gesellschaftlicher Stagnation.

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