Rubinrot - und strohdoof

Rubinrot Ein deutscher Fantasy-Film tritt an, das Twilight-Publikum für sich zu gewinnen. "Rubinrot" versagt auf so ziemlich jeder Ebene.

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Wieso? Wieso werden Filme wie „Rubinrot“ gedreht, seelenlose cineastische Desaster, schlecht gespielt und noch dazu ganz ohne Schauwerte? Um dass zu verstehen muss man einen kurzen Blick auf den Kontext werfen:

Das Ende der Twilight-Saga hat eine Lücke hinterlassen. Keine, die man füllen müsste. Die Welt wäre vermutlich besser dran, wenn man sie in aller Ruhe bis in alle Ewigkeit klaffen ließe. Diesen Gefallen tut man ihr aber nicht, denn ein ungeschriebenes Gesetz der Filmbranche besagt nun einmal, dass derartige Lücken gefüllt werden müssen, gerne auch mit schrecklichen Trash-Filmen, wie es „Eragon“ seinerzeit einer war. Die Verfilmung des ersten Teils des Fantasy-Zyklus von Jungautor Christopher Paolini sollte der Auftakt einer großen Blockbuster-Reihe sein, die Nachfolge des Herrn der Ringe antreten - und endete als Flop. Fortsetzungen Fehlanzeige. Das geschah dem Film ganz Recht, verhunzte er doch die eh schon reichlich uninspirierte Vorlage (Handlung George Lucas, Setting J.R.R. Tolkien) gnadenlos.

„Rubinrot“ hat das Potenzial ein ähnliches Schicksal zu erleiden und hätte das auch nicht weniger verdient. Auch dieser Film basiert auf Teil I einer erfolgreichen Romanreihe, der Trilogie „Liebe geht durch alle Zeiten“ von Kerstin Gier.

Über die Qualität der Bücher soll hier kein Wort verloren werden, ich habe sie nicht gelesen. Schlechter als der Film können sie kaum sein.

Worum geht es?

Nicht ganz einfach zu beantworten, diese Frage. Irgendwie gibt es da eine Loge und die will.... Ja, was auch immer, die führt irgendwas im Schilde und kein Mensch weiß, ob das nun gut oder schlecht ist. Dann ist da Gwendolyn (Maria Ehrich), die aus einer besonderen Familie stammt, die dieser Loge deshalb nahe steht, weil in ihr seit jeher ein „Zeitreise-Gen“ weitergegeben wird.

Bisher glaubten nur alle, dass nicht sie, sondern ihre arrogante und trotzdem von allen hofierte Cousine Charlotte (Laura Berlin) dieses Gen geerbt hätte. Tja, Überraschung, Überraschung, dem ist nicht so. Und so muss die völlig unvorbereitete Gwen mit dem Schnösel Gideon de Villiers (Jannis Niewöhner), einem anderen aus dem exklusiven Club der Zeitreisenden, kooperieren und für die zwielichtige Loge eine ganz, ganz wichtige und geheime Geheimmission erfüllen.

Jaja, das hört sich jetzt alles ziemlich wirr an. Ist es auch.

Die Exposition des Films nimmt einige Zeit in Anspruch und erklärt und erklärt. Dass man nur selten den vollen Durchblick, daran ändert das nichts.

Auch sonst wird hier praktisch alles falsch gemacht, was man überhaupt falsch machen kann.

Der ganze Kram mit den Zeitreisen, der doch so unglaublich geheim sein soll, über den weiß Gwendolin – zumindest gerüchteweise – schon Anfang an Bescheid und teilt dies dem Zuschauer auch prompt mit, da läuft der Film keine fünf Minuten. Das Gwen „der Rubin“ ist, der letzte Edelstein im Kreis der Zwölf, die durch die Zeit reisen und so weiter und so fort, das alles ist zwar merkwürdig, so richtig vom Hocker haut die Erkenntnis dann allerdings doch keinen.

Wie wunderbar war der Beginn von „Harry Potter und der Stein der Weisen“, wie großartig die Zerstörung des grauen, langweiligen Spießer-Paradieses im Ligusterweg Nummer 4 durch den Einbruch der Magie.

Eine der eindrucksvollsten Szenen aus der Verfilmung ist die, in der sich für Harry zum ersten Mal das Tor zur Winkelgasse und damit zur magischen Welt öffnet. Diese Szene hatte Zauber.

In „Rubinrot“ hat nichts, aber auch gar nichts Zauber. Der Film wäre nur halb so schlecht, hätte man die Handlung einfach nach einem gängigen Schema konstruiert. Ansätze für so ein Schema sind auch zu erkennen, aber irgendwie verlaufen die meisten Handlungsstränge, wenn nicht sogar alle, dann doch im Sand.

Etwas mehr als zwei Stunden lang wird x-mal durch die Vergangenheit gereist und wieder zurück, es wird gefechtet, gekämpft und natürlich auch ein bisschen rumgeknutscht, ohne dass je so etwas ein Spannungsbogen zu erkennen wäre.

Das liegt vor allem daran, dass der Film auf viel zu vielen Hochzeiten gleichzeitig tanzen will.

Da wäre die altehrwürdige, vermeintlich typisch englische Schule – by the way: Warum muss das alles in England spielen? Wie es bei deutschen Produktionen so üblich ist wird natürlich wieder einmal ein ziemlich klischeetriefendes Bild von der Heimat unserer angelsächsischen Freunde gezeichnet – , die nicht mehr ist als ein Biotop der üblichen Stereotype (oberflächliche Mädchengangs, fiese Lehrer und und und). Vielleicht wollte man hier so etwas wie Hogwarts-Feeling einbauen, eine Szene aus der Schulmensa erinnern tatsächlich entfernt an die Bilder aus der großen Halle, in der Harry und seine Freunde gelegentlich von den Slytherins am Nebentisch angepöbelt wurden.

Dann ist da noch Gwens Familie, ein Haufen eindimensionaler Pseudo-Charaktere bestehend aus der gestrengen Oma, der hochnäsigen Cousine Charlotte und deren ebenso hochnäsiger Mutter, einer offenbar hellseherisch begabten Tante (die auch hätte als Parodie auf Professor Trelawney aus Harry Potter durchgehen können), dem jüngeren Bruder, der kaum mehr ist als ein Statist und natürlich, last but not least, ihrer von Veronica Ferres in bester Standard-Veronica-Ferres-Manier gemimter Mutter, die aus nicht wirklich überzeugenden Gründen lieber geheim hielt, dass auch Gwen Träger des Zeitreise-Gens sein könnte.

Achja, in der Vergangenheit begegnet die von Maria Ehrich unglaublich nervig verkörperte Gwen dann auch noch ihrem längst verstorbenen Großvater. Was hatte der nochmal mit dem Ganzen zu tun? Gideon de Villiers ist, wie schon Robert Pattinson und Taylor Lautner als Vampir- und Werwolf-Jungs, nicht viel mehr als eine gutaussehende Projektionsfläche für weibliches Schmachten. Jannis Niewöhner spielt ihn mal als reservierten Snob, mal als Weiberhelden und mal als ganz normalen Jungen von nebenan, was zuweilen etwas leicht Schizophrenes hat.

Außerdem gibt es noch die Logen-Mitglieder, den bösen Grafen von Saint-Germain, der kurzerhand via Wikipedia gesucht und gefunden wird und und und....

Das alles ist zu viel 122 Minuten Laufzeit. Nichts passt wirklich zusammen, alles wirkt lieblos zusammengewürfelt. Nicht einmal die Zeitreisen um die es ja zentral gehen soll wissen zu überzeugen. Die Londons vergangener Jahrhunderte sind bereits in vielen Filmen wieder zum Leben erweckt worden und in den meisten weitaus überzeugender als in „Rubinrot“.

Es wird viel geredet in diesem Film. Was ist über die Dialoge zu sagen? Mmmh, beispielsweise, dass sie die Krönung sind auf diesem Haufen Schund, dass sie klingen wie aus einem Film fürein Publikum, das nicht halb so alt ist wie die anvisierte Zielgruppe. Vielleicht. Besser ist es wohl, sich einfach darüber auszuschweigen.In den unendlichen Wirrnissen dieses Films fällt es da kaum mehr auf, dass er inhaltlich stellenweise recht bedenklich ausfällt.

Gwens Schule ist ein Hort von simpel gestrickten Teenager-Karikaturen, die sich nur dafür interessieren wer mit welcher Begleitung zum Schulball kommt, Außenseiter wie Gwendolyn mobben und große Augen bekommen, wenn eine Limo aufs Schulgelände rollt.

Gwendolyns charakterliche Entwicklung – wann immer sie auch stattfinden mag – verläuft nun nicht so, dass sie genug Stärke findet, diesem Wahnsinn die Stirn zu bieten. Nein, stattdessen wird sie in ihn integriert, avanciert durch die von der Loge spendierten Kreditkarten und ihren attraktive Ball-Begleitung zu einer der Coolen. Ganz getreu dem Motto, das Problem sind nicht die anderen, das Problem bist du. Also marschier' gefälligst mit dem Strom und mit ein bisschen Glück angelst du dir 'nen hübschen Kerl und die anderen starren dich neidisch an.

Nein, das ist wirklich nicht der Stoff, aus dem gute Jugendbücher geschnitzt sind.

Der eigentliche Held im Herrn der Ringe, das war Sam. Selbst Frodo konnte der Ring korrumpieren, nicht aber ihn. Im entscheidenden Moment bewies er wahre Größe, indem er sich ins Gedächtnis rief, wer er eigentlich war:

Ein einfacher Hobbit aus dem Auenland mit sich und der Welt recht zufrieden. Warum sollte er nach der immensen Macht streben, die der Ring ihm verhieß?

Am Ende, nach all den Abenteuern und Gefahren, steht also ein Lob der Bescheidenheit.

Tolkiens Botschaft mag uns konservativ, ja reaktionär erscheinen, doch sie ist so einfach wie weise und gerade in unserer Zeit der obsessive Dimensionen erreichenden Pseudo-Selbstverwirklichung besonders wertvoll.

Am Schluss von „Rubinrot“ dagegen versichert Gideon seiner Gwen „Du bist etwas Besonderes.“

Wie gewöhnlich. Wie schade.

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