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US-Wahlkampf Der ultimative Ratgeber für alle, die jetzt noch ins Rennen um die Präsidentschaft einsteigen wollen

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Ein Slogan, der aufs Basecap passt, ist wichtig
Ein Slogan, der aufs Basecap passt, ist wichtig

Bild: Joshua Lott/Getty Images

Der Beruf des US-Präsidentschaftskandidatur-Bewerbers ist ein altehrwürdiger und in seiner Bedeutung kaum zu unterschätzen.
Das demokratische System der Vereinigten Staaten gilt gemeinhin als einer der erfolgreichsten Zweige der dortigen Unterhaltungsindustrie und mittlerweile schlägt das Spektakel am Wahltag selbst sogar fast so viele Menschen in seinen Bann wie der Super Bowl, der Kardashian-Clan oder die Finals von The Voice. Für viele Familien ist es zum selbstverständlichen Ritual geworden, sich am Wahlabend gemeinsam im heimischen Wohnzimmer zusammenzufinden, um gemeinsam auf die ersten Hochrechnungen und Prognosen zu warten. Manche gehen sogar ins Wahllokal und geben ihre Stimme ab.

Es ist daher nur logisch, dass sich auch hierzulande immer mehr Menschen fragen: Kann auch ich Präsidentschaftskandidat-Kandidat werden? Sollten auch Sie nichts Besseres vorhaben, als Ihren Hut in den Ring zu werfen, dann könnte es nützlich sein, Folgendes zu beachten:

Voraussetzungen:

Ihre religiöse Herkunft könnte sich unter Umständen als signifikant für den Erfolg Ihrer Kampagne entpuppen. Sollten Sie einer protestantischen Gruppierung angehören, ist das gut, sofern zu den pittoresken Ritualen dieser Strömung weder die Störung der Begräbnisse amerikanischer Marines, noch das gesellige Entzünden von Kreuzen im Mondschein zählen. Das republikanische Wahlvolk findet einen gewissen Hang zur Apokalyptik nicht unbedingt verkehrt, Sie sollten es aber nicht übertreiben und darauf verzichten, etwaige Naturkatastrophen in relevanten Bundesstaaten öffentlich als Manifestationen göttlichen Zorns zu deuten. Als Mormone sollten Sie keine größeren Schwierigkeiten haben, wenn Sie sich vorsichtshalber alle paar Monate von der Polygamie distanzieren (auch wenn es schwerfällt). Sollten Sie Scientology anhängen, wäre es gut für Sie, Tom Cruise zu sein. Die lebendige Kultur der politischen Toleranz in den USA zeigt sich nicht zuletzt darin, dass selbst der Katholizismus mittlerweile in den meisten gesellschaftlichen Schichten im hohen Maße toleriert wird. Sind Sie Moslem, sollten Sie an dieser Stelle die Lektüre des Textes einstellen.

Da Sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht Präsident der Vereinigten Staaten werden, sollten Sie an Ihre genuin politischen Qualitäten nicht zu viele Gedanken verschwenden. Falls vorhanden, tendenziell positiv, falls nicht, dann nicht. Stattdessen sollte Ihr Fokus unbedingt auf den Performance-bezogenen Kompetenzen liegen. Von zentraler Bedeutung ist ihr biographischer Hintergrund. Sollten Sie über einen solchen nicht verfügen, wäre es anzuraten, sich in Bälde einen zuzulegen. Die Erstellung eines wahlkonformen Lebenslaufes ist dabei schwieriger, als man vermuten könnte und bei Bedarf sollte ein professioneller Ghostwriter hinzugezogen werden. Das Geheimnis liegt dabei in einer packenden Mischung aus Halbwahrheiten und purer Fiktion nach der Manier eines Romans von Dan Brown. Wie aktuell das Beispiel des republikanischen Bewerbers Ben Carson zeigt, sollten Sie ihrer Fantasie allerdings auch gewisse Grenzen setzen. Ein Mordversuch als Höhepunkt der kriminellen Karriere als Jugendlicher könnte als Kontrast zu Ihrer heute über jeden Zweifel erhabenen Biederkeit doch etwas zu viel des Guten sein. Das gilt besonders, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass Sie den besagten Mordversuch offenbar nie begangen haben.

Wollen Sie für die Demokraten kandidieren, so empföhle es sich, Frau zu sein oder Schwarzer, im Optimalfall aber eine schwarze Frau. Kandidieren Sie hingegen für die Republikaner, sollten Sie möglichst keine Frau sein, es sei denn die ehemalige Gouverneurin von Alaska und tendenziell nicht schwarz, es sei denn sie sind ein erfolgreicher Unternehmer, der sich am Schopf der eigenen Fast-Food-Kette aus dem Sumpf seiner verkorksten Anfänge gezogen hat. In keinem Fall sollten Sie eine schwarze Frau sein, besonders nicht, wenn Sie kein Geld haben. Im Allgemeinen empfiehlt es sich, Geld zu haben und auch nicht der antiquierten Meinung anzuhängen, dass es zuweilen stinke.

In beiden Parteien wäre es ein Vorteil, sollten Sie einst Tellerwäscher gewesen sein und nun Millionär, ein Nachteil hingegen, sollten sie einst Millionär gewesen sein und nun Tellerwäscher.

Der Wahlkampf:

Im Wahlkampf sollten Sie ganz auf ihre Imagepflege fixiert sein. Es kann von Zeit zu Zeit vorkommen, dass Journalisten Ihnen Fragen inhaltlicher Art stellen, weshalb Sie zur Sicherheit ab und an einen Blick in die eigene Wahlbroschüre riskieren dürfen. Im Zweifelsfall diskreditieren Sie die Meinungen Ihrer Mitbewerber als „unrealistisch“ und „nicht zielführend“ und lassen sich dann mit Verweis auf Ihre knapp bemessene Zeit entschuldigen. Es hat sich gezeigt, dass die Beleidigung etwa in Form der sexistischen Herabsetzung von Journalisten oder perlweißzahnenden Moderationsmaschinen Kandidaten in der Gunst potentieller Wähler meist sinken lässt, es sei denn, Sie sind Donald Trump.
Das eherne Gesetz der Tradition verlangt von Ihnen, durch viele Staaten zu touren. Es kann nicht schaden, die meisten dieser Staaten und im besten Fall auch der jeweiligen Städte namentlich zu kennen. Schon zu Lincolns Zeiten galt die Regel, dass Ansichten als fluide Phänomene zu verstehen sind und sich auf wundersame Weise beim Übertreten von Bundesstaatsgrenzen verändern können. Der Bau einer Mauer an der Grenze zum Ausland als origineller Vorschlag zur Bekämpfung der illegalen Immigration mag Ihnen in Texas Sympathien einbringen, doch Sie sollten bedenken, dass die Wähler im Norden Vorhaben wie dem Bau einer Mauer quer durch den Lake Michigan zur Eindämmung der kanadischen Bedrohung wahrscheinlich eher skeptisch gegenüberstünden.
Sie sollten auf diesen Touren eine gewisse Anzahl von Menschen herzen, die es in ihrem Leben nicht immer leicht hatten. Empirische Daten dazu, welche Art der körperlichen oder gesellschaftlich konstruierten Benachteiligung dem Durchschnittsamerikaner als am meisten bemitleidenswert gilt, liegen leider noch nicht vor.

Sie sollten sich ferner einen markigen Slogan zulegen. Dieser muss unbedingt kurz genug sein, um noch auf die Basecaps zu passen, die Ihre Helfershelfer dann an jenen Teil des besinnungslosen Stimmviehs verteilen, der Ihnen Gefolgschaft geschworen hat und seine bedingungslose Loyalität bar jeder Reflexion gerne durch den Erwerb diverser Fanartikel unterstreicht. Bei der Wahl des Slogans selbst ist Sorgfalt geboten. Wissenschaftler an der Universität Princeton haben in den vergangenen Jahren überaus Präzise Detektoren erarbeitet, die eine etwaige Kontamination mit Resten politischer Kontur frühzeitig erkennen können. In diesem Fall sollten Sie ihren Slogan abstoßen und kurzerhand durch Ihren eigenen Vornamen ersetzen.

Die TV-Duelle:

In den Debatten sollten Sie vor allem nicht schwitzen; seit Nixon wissen wir, dass jede Schweißperle auf der zerfurchten Stirn des Kandidaten circa 0,5 Prozent Wählerstimmen kostet. Die Kunst der effektiven Wahlrhetorik besteht wiederum daraus, möglichst viel und möglichst laut zu sprechen, um so zu verhindern, dass andere möglichst viel und möglichst laut sprechen, sodass Sie wiederum nicht zum vielen und lauten Reden kommen. Wie bereits weiter oben angeschnitten ist hier die Kompetenz der überzeugenden Vortäuschung von Kompetenz gefragt. Lassen Sie die Menschen wissen, was Sie wollen. Zur Erinnerung: Sie wollen Arbeitsplätze schaffen und ganz allgemein halten sie die Wirtschaft für einigermaßen wichtig, sie nimmt einen zentralen, näher aber besser nicht definierten Platz in Ihrer Agenda ein. Sie wolle ein amerikanisches Amerika, ein nicht-amerikanisches Amerika fänden sie weniger gut. Ihre Vorschläge atmen also mit jeder Pore den Geist des amerikanischen Traums, während die Poren ihrer Mitbewerber aufs Unamerikanischste verstopft sind.

Argumentieren Sie nicht zu viel, denn das Fernsehen ist nun wirklich nicht der angemessene Ort für solch ermüdende und komplizierte Denkprozesse. Stattdessen sollten Sie bei passender Gelegenheit gleichnishafte Anekdötchen aus dem Ärmel schütteln können, rührselige Geschichten von der Art, die die Augen des Publikums mit einem feuchten Schleier überziehen. Es sollte um den Kampf des einfachen Mannes gegen die Härten der gesellschaftlichen Verhältnisse gehen und es ist dabei ganz egal, ob Sie solche Menschen tatsächlich schon einmal von Weitem gesehen haben oder sich doch eher in Sphären bewegen, in denen man mit solch bemitleidenswerten Subjekten seltener verkehrt.
Fragen zu Krieg und Frieden in Nahost sind ein haariges Thema und sollten wenn irgend möglich weiträumig umschifft werden. Gerade das republikanische Spektrum zerfällt bei dieser Thematik in einen eher gemäßigt bellizistischen und einen radikaleren bis offen wahnsinnigen Flügel. Wie in allen Dingen gilt es auch hier, die goldene Mitte zu finden.

Unter Beachtung all dieser Hinweise könnten Sie es mit etwas Glück und Geschick in den exklusiven Kreis der letzten zwei Dutzend Bewerber schaffen und so am Ende erhobenen Hauptes wieder von der Bildfläche verschwinden. Noch in ein paar Jahren sollten sich hier und da noch Menschen finden, denen Ihr Gesicht seltsam bekannt vorkommt, auch wenn Sie nicht mehr so genau wissen, woher.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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