Basketball ist Gigantensport. Vor allem natürlich in den USA. Zwei-Zentner-Leute wuchten ihre Körper durch die Luft. Sie heben zu spektakulären Flügen ab, dreschen aus fast vier Meter Höhe Bälle durch den Korb. Mit einer Pranke können sie eine Kugel umfassen, für die Otto Normalverbraucher beide Hände benötigt. Selbst die klein wirkenden Männer, die flink zwischen den über zwei Meter hohen Muskelbergen hindurchwieseln, sind in natura über 1,80m große Athleten. Wenn sie den Ball zwischen Hand und Parkett hin- und herspringen lassen und zu einem Slalomlauf durch die Zone ansetzen, sieht es aus, als sei der Ball einem Jojo gleich an der Handfläche befestigt. Ohne hinzugucken spielen die "Kleinen" blitzsaubere Pässe, mit zwei, drei Pendelbewegungen haben sie sich Platz für einen überraschenden Wurf geschaffen. In puncto Beweglichkeit stehen ihnen die Riesen kaum nach. Sie schrauben ihre mehrfach verdrehten Körper in die Höhe und versenken selbst in der Rückwärtsbewegung den Ball im Korb. In der deutschen Basketball-Liga sind die Giganten etwas kleiner und die Spielmacher weniger trickreich als in Übersee. Aber ein Meisterschaftsfinale, wie das zwischen ALBA Berlin und Bayer Leverkusen, ist nichtsdestotrotz ein Gigantentreffen. Unter den Körben tummeln sich Zwei-Meter-Männer en masse: Femerling (2,15) gegen Gnad (2,08), Hammink (2,10) gegen Gieseck (2,07) oder Papic (2,06) gegen Terdenge (2,05). Auch sportlich gesehen sind ALBA und Bayer die Titanen des deutschen Basketballs. Sie teilten sich die Meisterschaften der neunziger Jahre - die "Recken vom Rhein" sackten von 1990 bis 1996 sieben Titel ein, dann folgte die Siegesserie der Berliner. Die riss auch in diesem Jahr nicht. ALBA gewann nach Siegen 3:0. Kein gutes Jahr für Leverkusen also: Zuerst lassen sich die Fußballer die Meisterschale noch aus den Händen reißen, und jetzt sind die Basketballer zu grün für eine Überraschung. Erst in der Endphase des ersten und des dritten Spiels brachten sie sich durch eigene Fehler um einen Sieg - und die Zuschauer um größere Spannung. Die Zeit scheint noch nicht reif für einen Machtwechsel im deutschen Basketball.
Trotzdem mehren sich die Zeichen, dass die Albatrosse ihren Zenit überschritten haben. Der Zauber von Coach Pesic ist verflogen. Zwar formt er aus Talenten und mittelmäßigen Spielern gute Akteure. Gedacht sei an den Defensivkünstler Henrik Rödl oder an Trainersohn Marko, Jörg Lütcke, Stephen Arigbabu, Vladimir Bogojevic. Gut, Rödl ist ein exzellenter Spieler, aber eben nur in der Verteidigung. Mit offensivfreudigen Individualisten, die eine wirkliche Klassemannschaft braucht, hat Pesic jedoch seine Schwierigkeiten. Seit Jahren halten es die kreativen Leute, die Spielmacher, nur maximal eine Saison bei ihm aus. Mit Terry Dehere, dem mageren Ersatz für Frankie King, wird es wohl ebenso sein. Spieler, auf deren Qualitäten im Angriffsspiel die Mannschaft angewiesen ist, stagnieren. Center Patrick Femerling kriegt die Bälle nicht mehr in den Korb gestopft. Ademola Okulaja spielt nach seinem College-Aufenthalt in Übersee, bei dem er angeblich besser geworden ist, viel weniger spektakulär als früher. Marko Pesic hat sich zwecks Weiterentwicklung gleich nach Griechenland aufgemacht. Arigbabu ging ein Jahr früher. Stipo Papic, der eine echte Verstärkung in der Offensive sein könnte, erhält selbst in Bestform nur wenig Einsatzzeit. Einziger Lichtblick dieser Saison ist das sensationelle Comeback von Jörg Lütcke nach langer Verletzungspause. Typischerweise ist Lütcke Defensivspieler ...
Der einstige ALBA-Geist, der geprägt war von risikoreichem Hurra-Basketball, ist einem Sicherheitsdenken gewichen, das zwar Erfolge noch immer ermöglicht - sie in nationalem Maßstab fast schon routinemäßig generiert - aber bei weitem keine Begeisterung mehr hervorruft. Nur zum Saisonfinale war die Max-Schmeling-Halle deshalb gefüllt. Da kommt es für Berliner Basketballfans wie gerufen, dass die "kleinen Albatrosse" von TuS Lichterfelde derzeit um den Aufstieg in die erste Bundesliga kämpfen. Wenn sich hier der erfrischende erste Teil der ALBA-Story wiederholt, wiegen die Krisen beim Original nicht mehr so schwer. Und noch einen Kandidaten für regionale Begeisterungsschübe hat die erste Liga ja: das Cottbus des Basketballs, den SSV Weißenfels. Als Aufsteiger qualifizierten sich die Sachsen gar für die Play-offs.
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