Ihr Aufstieg war kometenhaft: mühelos nahmen die Grünen eine Wahlhürde nach der anderen. Doch der Reiz des Neuen ist dahin.“ Man wird sich diesem Urteil nicht leichterhand anschließen. Schließlich stammt der Aufsatz, in dem es steht, aus dem Jahr 1985. Die Probleme der Grünen sind heute andere. Und doch drängt sich angesichts der schwarz-gelben Energiepolitik ein Gedanke auf: Wenn die CDU-Kanzlerin mit dem Atomausstieg das große Konfliktthema seit dem Bundestagswahlkampf 2009 durch Einverleibung ruhigstellt, was bleibt dann noch der Opposition zur Profilierung?
In der Woche von Angela Merkels „Energiewende“ haben sich die Grünen dafür entschieden, erst einmal nichts zu entscheiden – das soll ein Sonderparteitag Ende Juni tun. Lehnt die Partei das schwarz-gelbe Gesetz ab, weil die Meiler nicht schnell genug abgeschaltet werden und Hintertüren offenstehen, wird man ihr mit der „Dagegen-Partei“ kommen. Tritt sie dem großen Merkel-Konsens bei, wird der Wutbürger-Lack rascher abblättern, als sich die Grünen als Volkspartei neu erfunden haben.
Und doch hat die Öko-Partei, verglichen mit der SPD, geradezu Luxusprobleme. Wofür die Sozialdemokraten stehen, lässt sich zurzeit kaum sagen. Außer für den schwarz-gelben Atomausstieg, den man mittragen wird, schon deshalb, weil jede Chance ergriffen wird, sich ein bisschen von den Grünen abzusetzen. Wozu allerdings der Unterschied gut sein soll, erfährt man nicht – es leuchtet weder beim Dauerthema Atom noch jenseits davon eine große Erzählung aus Deutschlands ältester Partei heraus.
Ein Problem, eine Lösung
Bleibt die Linke, die sich ihrer eigenen Probleme schämt und auch nicht recht weiß, wie aus der völlig richtigen Forderung nach einem ökologischen und sozialem Umbau politischer Treibstoff zu saugen ist. Die rot-grüne Umfragemehrheit steht der Partei als Mentekel der eigenen parlamentarischen Bedeutungslosigkeiten vor den verängstigten Augen, was sie, erfolglos, ausgerechnet mit atompolitischen Vorschlägen zu bekämpfen sucht. Oder dem Hinweis auf die Vergangenheit von SPD und Grünen, die den Ausstieg ja auch schon einmal versemmelt hätten.
Wenn nur die Hälfte davon stimmt: Warum würden derzeit trotzdem beinahe 60 Prozent die Opposition wählen? Wegen der Atompolitik? Dann hätten SPD, Grüne und Linke jetzt ein Problem. Und zugleich die Lösung: Denn das Gerede vom „Ein-Parteien-Staat“, das nun angesichts des Ausstiegs die Runde macht, ist nicht nur keine halbe Wahrheit, sondern eine ganze Lüge. Der „Konsens“ verdeckt, wo die großen Konfliktlinien liegen: Von einer umverteilenden Steuerreform über eine den Föderalismus überwindende Kulturoffensive bis zum gesetzlichen Mindestlohn jenseits der acht Euro; vom so wichtigen Schritt zur Bürgerversicherung bis zum Ausstieg aus der sicherheitspolitischen Verschärfungsspirale seit 2001 – es gibt genügend Herausforderungen, bei denen Rot-Grün-Rot (bei aller Verschiedenheit) den Unterschied macht.
So wichtig der Atomausstieg war: Er wird kommen und im besten Falle geht das irgendwann einmal sogar noch schneller und gründlicher. Doch die politische Frucht ist geerntet, die neuen Trauben hängen woanders. Es müsste nur endlich wieder über sie geredet, um sie gestritten werden. Dann wüssten die 60 Prozent auch, warum sie bei der nächsten Wahl für eine der Parteien der mehr oder weniger linken Opposition stimmen sollten. Dass die drei zurzeit nicht an der Regierung sitzen, ist allein ja noch kein guter Grund.
Kommentare 5
Tja, warum würde eine Mehrheit derzeit die Opposition wählen? Mit Sicherheit nicht, weil sie in den jeweiligen Parteiprogrammen ihre Interessen wiederfindet. Vielmehr ist zumindest ein Teil emotional erschüttert - die Berichterstattung über Fukushima hat dafür gesorgt -; ein anderer Teil will einfach Frust ablassen. Kurz, die Mehrheit dieser Mehrheit entscheidet nach Bauchgefühl.
Vielleicht wäre es angemessen, wenn Sie nicht auf Ihr eigenes Bauchgefühl, ergo Ihre Vorurteile, hören, sondern sich an der Realität orientieren würden.
Wenn man die Daten von Umfragen prinzipiell akzeptiert, so hat sich nach Fukushima hinsichtlich der behaupteten Stimmenanteile zwischen Regierung und Opposition genau gar nichts verändert.
Seit über einem Jahr ist in allen Umfragen die jetzige Regierungskoalition weit von einer eigenen Mehrheit entfernt.
Die einzige Wirkung von Fukushima liegt in der Umverteilung der Stimmenanteile innerhalb der Opposition; SPD und LINKE verlieren, die Grünen gewinnen. Der Gesamtanteil liegt jedoch seit dem Frühjahr 2010 konstant bei 55%-60%.
Aber Hauptsache die Menschen für dumm erklären - wen interessieren schon Argumente ...
Möglicherweise würde die Mehrheit derzeit die Opposition wählen, weil sie bereits weiter blickt als die schreibende Berufszunft. Freilich hat Fukushima zu den Verschiebungen innerhalb der Opposition beigetragen. Doch dies allein würde nicht reichen. Die Menschen, die die Opposition wählen würden, haben all die im Artikel genannten und weitere Themen im Gegensatz zum digitalen und analogen Blätterwald bereits entdeckt und in ihre Wahlentscheidung eingerechnet.
So einfach ist das.
1. Was ist Opposition? Alle Parteien, die derzeit nicht an einer Regierungskoalition beteiligt sind?
Wer nach diesem Formalkriterium "Oppostion" ist, wird der Wahl 2013 neu berechnet, je nach dem, welche Wahlstimmensumme mehr als 50 % ergibt.
Das kann, wie wir wissen, eine CDU/CSU/SPD-Regierung ergeben oder eine CDU/CSU/Grün-Regierung.
Wenig wahrscheinlich erscheint zur Zeit eine Fortsetzung der heutigen Koalition, aber auch das kann sich noch mal ändern.
Wenn die FDP ab 2013 wieder "Opposition" ist, wird sie ihre Umfragewerte wieder verbessern können, denn die Unzufriedenheit mit der Regierung, gleich welcher Couleur, wird genauso wachsen wie bei den vergangenen SPD/Grün- und CDU/CSU/SPD-Regimes.
Die Linke kann man als nicht nur formale, sondern inhaltliche Opposition sehen. Aber sie besteht aus zwei Teilen:
a) Einer "Koalition um jeden Preis"-Fraktion. Diese ordnet sich Inhabern der Definitionsmacht ("wer Stasiagent ist, bestimmen wir / wer Antisemit ist, bestimmen wir" usw.) annähernd willenlos unter und gibt die Partei der öffentlichen Lächerlichkeit preis.
b) der andere Teil, der weiter inhaltliche Opposition zum herrschenden Kaputtalismus betreibt, kommt in den Massenmedien nicht vor.
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Wahlumfragen geben keinen Nichtwähleranteil an. So entsteht die Illusion, dass Parteien, die als Stimmensumme über 50 % liegen, tatsächlich eine Bevölkerungsmehrheit hinter sich hätten.
Faktisch wird aber die künftige Bundesregierung, egal welche Wahlstimmensumme ihr zugrunde liegt, von maximal einem Drittel der Wahlberechtigten gewählt sein.
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Es ist bekannt, dass gerade SPD und Grüne vor Wahlen eine heftige und sehr unsachliche Propaganda gegen die Linke betreiben. Sie stellen sich als die Kraft dar, die Die Linke unter Kontrolle bringen könne und so garantieren, dass die BRD bleibt, wie sie ist. (Das hat die SPD in der Vergangenheit auch mit den Grünen gemacht)
Wenn Die Linke sich trotzdem als Wahlstimmenlieferant in einer Koalition anbiedert wird sie über kurz oder lang unter 5 % liegen.
Den Weg der Grünen kann Die Linke nicht gehen, denn dafür gibt es kein Wählerpotential.
2013 werden diese drei Parteien harte Konkurrenten im Kampf um die "linke Wählerschaft" sein. Die SPD wird mangels eigener inhaltlicher Tiefe gegen die Regierung wettern, ohne konkrete Alternativen vorlegen zu können. Was die Grünen ohne ihr Thema Atomkraft anbieten können, zumal ihr Star Kretschmann als Ministerpräsident in den Mühlen des politischen Alltags verschlissen sein wird, das wird man sehen.
Und die Linke? 2002 wurde sie zwischen den Blöcken schwarz-gelb und rot-grün zerrieben. So kam sie nur mit 2 Direktmandaten in den Bundestag. Ein wenig besteht diese Gefahr auch 2013, wenn sie nicht bis dahin ein Profil präsentiert, dass sie von den anderen Parteien unterscheidet und als wählbare Alternative ausweist. Davon ist sie im Moment noch weit entfernt.
Zur Zeit hat die Opposition etwa 60% der möglichen Wählerstimmen. Unterstellen wir mal, das bleibt bis 2013, was würde dieses Potential ausrichten? Wenig, weil die Opposition kein monolithischer Block ist. Es ist nur eine mathematische Größe, mehr nicht. Und ein Bundestag 2013 in der jetzt prognostizierten Zusammensetzung hätte eine grün-rote Bundesregierung und eine schwarze, linke und vielleicht gelbe Opposition. Was würde dies praktisch ändern?