Aufschub für Merkel

Opel Die Kanzlerin verkündet den Opel-Deal wie einen Erfolg. Wie groß dieser Schritt in Richtung Zukunft des Autobauers wirklich ist, wird sich erst nach den Wahlen zeigen

Diesmal ist Angela Merkel die erste gewesen. Als sich das Thema Opel vor ein paar Monaten als Wahlkampfschlager anbot, war es noch ihr SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier, der als erster in einer der Werkshallen vor den Beschäftigten aufkreuzte und Hilfe versprach. Anders nach der Entscheidung von General Motors, Opel nun doch an Magna und die Sberbank zu verkaufen: Am Donnerstagnachmittag liefen schon die Wiederholungen des kurzen Auftritts der Kanzlerin im Fernsehen, da hatten die Sozialdemokraten noch nicht einmal eine Presseerklärung veröffentlicht.

Als Steinmeier dann schließlich vor die Presse trat, spulte auch der SPD-Mann die Wahlkampfpflichtsätze ab: aufatmen, glücklicher Tag, wichtiger Schritt – und was man nun doch bitte sehr sonst alles noch in der Entscheidung des Verwaltungsrates der Detroiter GM-Manager sehen soll. Einen Erfolg jedenfalls.

Was an dem „qualitativen Sprung“ wirklich dran ist, der Merkel zu einer Hochstimmung „allerbesten Mutes“ verhalf, muss sich erst noch erweisen. Klar ist bisher: General Motors will nun doch 55 Prozent am Autobauer Opel an Magna verkaufen. Nachrichtenagenturen berichten allerdings, der GM-Verwaltungsrat habe seine Empfehlung an Bedingungen geknüpft.

Offene Punkte

Wichtige Punkte, teilte auch General Motors mit, müssten noch ausgehandelt werden – darunter eine schriftliche Zusage der Gewerkschaften über den Sparbeitrag der Beschäftigung. Auch von noch offenen „vertraglichen Details“ zwischen Magna/Sberbank und GM war die Rede – ausgerechnet in Fragen, die bisher als die großen Streitpunkte galten, etwa dem Einkauf und der technologischen Nutzung. „Alle wissen, dass viel Arbeit vor uns liegt“, so GM-Verhandlungsführer John Smith am Donnerstagnachmittag.

Eine abschließende Vereinbarung könnte sich also ohne Weiteres bis nach der Bundestagswahl hinziehen. Und wer wollte nach dem monatelangen Hin und Her in Sachen Opel schon dagegen wetten, dass keine überraschende Wendung mehr geschieht?

Immerhin kam die Verständigung mit General Motors eher unerwartet. Vor der Sitzung des Detroiter Verwaltungsrates war mit einem ganz anderen Ausgang gerechnet worden. Aus Regierungskreisen war noch am Tag vor dem angeblichen Durchbruch durchgesickert, dass ein Zuschlag für Magna sehr unwahrscheinlich geworden sei. Nun heißt es, die Koalition habe keine weiteren Zugeständnisse an den US-Autokonzern gemacht. All das lässt viel Raum für Spekulationen.

Belegschaft vor Einschnitten

Merkel aber hat Zeit gewonnen und ist zunächst ein Problem los geworden: Hätte sich General Motors anders entschieden, wäre ein weiterer Schatten auf den Wahlkampf der Kanzlerin gefallen. Die Opelaner hingegen haben ihre Problem behalten: die Strukturkrise in der Automobilbranche, die Verlagerung des Wachstums auf Märkte außerhalb Westeuropas, die Klärung dessen, was die Bundesregierung „Lastenverteilung“ zwischen den europäischen Opelstandorten angeht. Es steht fest, dass Werke geschlossen werden. Die Gewerkschaft IG Metall spricht von schwierigen Verhandlungen, die jetzt bevorstehen.

Und: Für die größte Sorge der Gewerkschaften – eine Rückkehr von Opel zu General Motors – wird es auch weiterhin Grund geben. Nicht nur, dass die New-Opel-Konstruktion eine enge Kooperation mit dem Detroiter Konzern vorsieht, der mit 35 Prozent Miteigentümer bleibt. Die Sberbank, die 27,5 Prozent an Opel erhalten soll, könnte irgendwann auf die Idee kommen, ihre Anteile wieder zu verkaufen – an General Motors, die ihr Vorkaufsrecht ziehen könnte. Russlands größtes Kreditinstitut hat bereits erklärt, die Opel-Anteile nicht für alle Zeiten behalten zu wollen.

Das Magna-AngebotAn der neuen Gesellschaft New Opel sollen Magna und die russische Sberbank jeweils 27,5 Prozent halten. Die Opel-Belegschaft soll 10 Prozent übernehmen, die in einer Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft kontrolliert werden und in die Sparbeiträge der Beschäftigten eingehen. 35 Prozent bleiben bei der bisherigen Konzernmutter General Motors. In Europa werden mindestens 10.000 Stellen bei Opel und Vauxhall gestrichen. In Deutschland etwa 3.000 von bislang noch 26.000. Die vier deutschen Standorte sollen erhalten bleiben, dagegen stehen die Werke in Antwerpen (Belgien) und Lutton (Großbritannien) auf der Kippe. Magna wird den Deal mit Hilfe von Staatsgarantien in Höhe von 4,5 Milliarden Euro stemmen und selbst 500 Millionen Euro einbringen.

Der digitale Freitag

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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