Bankenblockade abgesagt: Mobilisierungsfragen und sozialer Protest

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Die für den 18. Oktober angekündigte Bankenproteste in Frankfurt sind abgesagt worden. Der Koordinierungskreis „Aktion Georg Büchner“ teilte mit, man habe sich nach mehrstündiger Debatte dazu durchgerungen - Hauptgrund waren demnach Zweifel, „ob der derzeitige Mobilisierungsstand ausreichend ist“. Die Organisatoren der Aktion waren ursprünglich davon ausgegangen, „dass es uns trotz drängender Zeit gelingen könnte (...) Tausende von Menschen zu einer Aktion des zivilen Ungehorsams zusammenzubringen“. Gewissermaßen in Fortsetzung der erfolgreichen Naziblockaden vom Februar in Dresden wollte man versuchen, die „Idee von ‚Masse und Entschiedenheit‘ (...) auf die soziale Frage zu übertragen“. Dem „Verarmungsprogramm“ der schwarz-gelben Regierung sollte „mehr als Klagen, Kundgebungen und Demonstrationen“ entgegengesetzt werden.

Dass dies auch mit der für mediale Wirkung nötigen Beteiligung gelingen könnte, darüber gingen die Meinungen im Koordinierungskreis nun auseinander. „In einigen Regionen lief die Mobilisierung gut, in anderen nur schleppend“, heißt es. Der Fall der abgesagten Bankenblockade verweist auf einige generelle Probleme des sozialpolitischen Protests: Für bestimmte, noch unerprobte Aktionsformen gebe es hierzulande eine „deutliche Diskrepanz zwischen ideeller Zustimmung und physischer Mobilisierbarkeit“, meinen die Organisatoren. Und es habe einen für kritische Bewegung hinderlichen Stimmungswandel gegeben - vom „Wir zahlen nicht für eure Krise“ zum „Die Krise ist vorbei“. Man wird die Lage etwas besser beurteilen können, wenn andere geplante Aktionen vorbei sind (siehe die Liste unten).

Den Vergleich mit den „Bürgeraufständen“ beziehungsweise der „neuen bürgerlichen Bewegung“ (Tageszeitung), von denen angesichts von Bildungsvolksbegehren, Anti-Atom-Demo und Widerstand gegen Stuttgart 21 nun gern die Rede ist, werden die Kommentatoren ziehen. Dann wird man sehen, wie tief die „Klassenspaltung im Protestverhalten“ inzwischen schon ist, von der unter anderem Wolfgang Kraushaar spricht: „Während die Exponenten der Mittelschichten ihre Anliegen immer effektiver einbringen, misslingt das den Unterschichten. Die Wurzel davon ist Resignation. Armut führt zu Vereinzelung und Resignation.“ Große Erwartungen in einen „Aufstand des Bürgertums“ werden die Deklassierten nicht setzen - zu Recht: Das letzte Mal, dass einer ausgerufen wurde, auch daran hat Kraushaar erinnert, stand Arnulf Baring in der ersten Reihe und es ging gegen Rot-Grün.

Es wird viel eher davon abhängen, wie weit die Gewerkschaften bereit sind, über partikulare Beschäftigteninteressen hinauszublicken. Wenn aber eine Gewerkschaft wie die IG BCE den eigentlich gegen die mit der Krisenreparatur zusammenhängenden Sparmaßnahmen gerichteten Europäischen Aktionstag am Mittwoch kurzerhand zu einem Kohle-Aktionstag umetikettieren, dann denkt man nicht zuerst an einen Solidaritätsbeitrag der Stärkeren weil Beschäftigten mit den Schwächeren weil Langzeiterwerbslosen. Sondern eher ein Zeichen der Blockade von Diskussionen über eine sozial-ökologische Wende, die andere unter dem Dach des DGB durchaus entfachen wollen.

„Dass wir uns dieses Mal noch nicht durchringen konnten, den Schritt in die Aktion zu wagen, ist nicht das Ende des Versuchs, zivilen Ungehorsam im Bereich der sozialen Kämpfe zu organisieren“, haben die Organisatoren der abgesagten Bankenblockade erklärt. Man habe „verabredet, das gemeinsame Vertrauen und die entstandenen Verbindungen zu nutzen, an unserer Idee eines ›gesellschaftlichen Streiks‹ festzuhalten, sie zur Diskussion zu stellen, in der Hoffnung, dass unsere jetzige Entscheidung nicht das letzte Wort bleibt.“


Unvollständiger Überblick zum „Heißen Herbst“

- 29. September: Aktionstag des Europäischen Gewerkschaftsbundes „Nein zu
Sparmaßnahmen – Vorrang für Beschäftigung und Wachstum“ mit Demo in Brüssel
- 29. September: bundesweiter Bankenaktionstag von Attac
- 29. September: DGB-Aktionstag in Berlin und Demo des Berliner Krisenbündnisses
- 29. September: DGB-Aktionstag in Sachsen
- 29. September: „Brücken verbinden - Atomkraft überwinden“ in Salzgitter (link)
- 30. September: DGB-Menschenkette als Auftakt für die Kampagne „gerecht geht anders“ in Hamburg
- 30. September: IG Metall Jugend-Aktionstag mit Menschenkette für
Ausbildung, Studium, Übernahme, Hannover
- 30. September: DGB-Menschenkette, 17:00 Uhr, Hamburg
- 2. Oktober: Demonstration des Leipziger Krisenbündnisses
- 6. Oktober: Anti-Atom-Umzingelung des Landtages in Stuttgart
- 7. Oktober: in Berlin veranstaltet der DGB seinen zweiten Kapitalismuskongress - Motto: „Umdenken – Gegenlenken – die Krise überwinden“ (mit Kundgebung)
- 9. Oktober: Anti-Akw-Demo und Menschenkette in München
- 10. Oktober: Krach statt Kohldampf - Demonstration zur Erhöhung der Hartz IV-Regelsätze in Oldenburg
- ab 24. Oktober: Gerecht geht anders! Aktionswochen von Ver.di, regionale Demos und betriebliche Aktionen geplant
- 30. Oktober: Aktionstag der IG Metall in Hamburg
- ab 1. November: Castorproteste im Wendland mit großer Demo am 6. November
- 6. November: DGB-Demonstration, Hannover
- 13. November: DGB-Demonstrationen in Stuttgart und Nürnberg
- 13. November: DGB-Aktion in der Dortmunder Westfalenhalle
- 18. November: DGB-Demonstration in Kiel
- 26. November: während der Haushaltswoche des Bundestags soll eine bundesweite Aktion gegen das Sparpaket in Berlin stattfinden

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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