Seit Tagen darf spekuliert werden, ob sich das Sozialministerium einen neuen Namen für Hartz IV einfallen lässt: Wird die Grundsicherung für Arbeitssuchende bald Basisgeld heißen? Oder doch eher Basissicherungsgeld? Die Frage mag aus dem Blickwinkel des Parteienbetriebs interessant sein, gibt es doch so etwas wie den Kampf um und mit Begriffen. Hartz IV ist zum Symbol einer Sozialpolitik geworden, gegen die einprägsame Parolen erfunden wurden. Das zum Angelpunkt der politischen Debatte geworden ist. An dem sich ohne großes Reden gesellschaftliche Ausgrenzung festmachen lässt. Und das deshalb einigen Leuten unangenehm ist.
Doch was für Peter Hartz, dessen Name seit Jahren mit der Absenkung des sozialen Sicherungsniveaus verbunden ist, eine gute Nachricht sein könne, würde Millionen Betroffenen das Leben nicht leichter machen. So wenig Hartz IV in den vergangenen Jahren irgendetwas verschleiert hat (anders als zum Beispiel die Wortschöpfung Ich-AG), so wenig würde eine Umbenennung den allgemeinen Unmut dämpfen. Den Begriff Basisgeld übrigens hat Ursula von der Leyen inzwischen schon dementieren lassen.
Wenn man schon davon reden will, dass die Namens-Debatte einen ablenkenden Effekt habe, dann eher aus einem anderen Grund: Derzeit wird die Neuberechnung der Regelsätze, die das Bundesverfassungsgericht verlangt hat, vorbereitet – hinter verschlossenen Türen. Dabei geht es hier um Entscheidendes für die Betroffenen, nämlich die Zusammensetzung der Referenzgruppe, die zur Berechnung des künftigen Regelsatzes herangezogen wird und wie viele einkommensschwache Haushalte darin einbezogen werden. Es geht auch um die nötige Zeit, sich darüber zu verständigen – als demokratische Öffentlichkeit und als Parlament. Denn die Definition einer Höhe der "materiellen Voraussetzungen", die für die "physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind", braucht gesellschaftliche Diskussion.
Ursula von der Leyen will in den kommenden zwei Wochen erste Grundzüge für die Neuberechnung liefern, die Novelle wird dem Vernehmen nach erst Ende November in der Endfassung vorliegen, soll dann aber bereits wenige Tage später im Bundestag beschlossen werden. Was ist bisher bekannt? Das Bundessozialministerium wollte bisher weder die Aufträge an das Statistische Bundesamt bekannt geben, die als Grundlage für eine Neubewertung der Hartz-IV-Regelsätze erteilt wurden, wie sich die rheinland-pfälzische Sozialministerin Malu Dreyer beschwerte. Noch bekommt das Parlament Einsicht in die Auswertung der aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe von 2008, auf deren Basis die Regelsätze berechnet werden. Diese würde längst vorliegen, ist sich die Linken-Politiker Katja Kipping sicher. „Offensichtlich soll die Berechnung nach politischem Gutdünken manipuliert werden.“
Die Befürchtungen, die auch der Paritätische Wohlfahrtsverband hat, entzünden sich daran, dass das Ministerium neben anderen offenbar ein Modell prüfen lässt, das als Referenzgruppe nicht mehr wie bisher die unteren 20 Prozent, sondern die unteren 15 Prozent der Einkommensskala heranzieht. Damit würden die Ausgangsdaten aus einem geringeren durchschnittlichen Einkommen gewonnen als heute. „Statistisch-methodisch höchst bedenklich“, warnt der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider. Das Ministerium dagegen meint, dies sei durch die neue Rechtslage und die Tatsache begründet, dass die bisherige Berechnungsgrundlage auf Daten beruhte, die vor der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe erhoben wurden.
Doch so lange das nicht transparent ist, solange niemand mehr weiß, bleibt ein Verdacht: Soll am Ende doch ein Gesetz stehen, mit dem die Bundesregierung zwar auf das Karlsruher Urteil reagiert, dessen Tenor in dieser speziellen Frage aber mit statistischer Kreativität unterläuft? Anders gefragt: Steht die Höhe der künftigen Regelsätze längst fest – als politische Zahl, der die Berechnung nun lediglich zu folgen hat? Wenn ja, dann bekommt Karlsruhe sicher bald schon wieder etwas zu tun.
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