Brücke aus der Sackgasse

Rente Gewerkschaften haben die Rente mit 67 von Anfang an kritisiert – aber nicht verhindern können. Wegen der Krise fordert die IG Metall nun eine Aussetzung der Reform

Mit der Abwrackprämie war die IG Metall seinerzeit als Stichwortgeber für die Politik erfolgreich. Jetzt versucht es die Gewerkschaft mit einem Neuanfang in der Rentenpolitik. Die Chancen, dass sich bei diesem Thema abermals die SPD für eine gewerkschaftliche Forderung einsetzt, sind allerdings geringer. Nicht einmal das Gros der Parteilinken wirbt mehr offen für eine Abkehr von der Rente mit 67.

Die 2007 ins Werk gesetzte Union kommt im nächsten Jahr bereits erstmals auf den Prüfstand, so hat es der Gesetzgeber vorgesehen. Die Bundesregierung muss demnach von 2010 an „alle vier Jahre über die Entwicklung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer“ berichten und einschätzen, „ob die Anhebung der Regelaltersgrenze unter Berücksichtigung der Entwicklung der Arbeitsmarktlage sowie der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer weiterhin vertretbar erscheint und die getroffenen gesetzlichen Regelungen bestehen bleiben können“.

DGB-Bundesvorstandsmitglied Annelie Buntenbach knüpft auch an dieses Evaluierungsgebot Hoffnungen, die Rente mit 67 doch noch zu kippen. Im Freitag sagte die Sozialpolitikerin unlängst, die Gewerkschaften würden „nicht tatenlos zuschauen, wie immer mehr im Alter in Armut abgedrängt werden“. Schon jetzt schaffe es kaum ein Beschäftigter „bis zur 65“. Werde die Rentenreform nicht zurückgedreht, so Buntenbach, „würde die Arbeitslosigkeit noch weiter steigen“.

Älteren Arbeitnehmern Hartz IV ersparen

Auf dieses Argument stützt sich auch das „Sofortpaket Beschäftigungsbrücke“ der IG Metall. Mit ihrer Initiative schlägt die Gewerkschaft die Aussetzung der bisher ab 2012 beginnenden Anhebung der Regelaltersgrenzen auf 67 Jahre vor. Darüber hinaus sollen ältere Arbeitnehmer nach 40 Versicherungsjahren ab dem 60. Lebensjahr ohne Abschläge in Rente gehen können. Die auslaufende öffentliche Förderung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit soll danach auch nach 2009 fortgesetzt werden. Und schließlich fordert die IG Metall, die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I für ältere Arbeitslose auf bis zu 36 Monate zu verlängern. Damit soll älteren Arbeitnehmern, die erwerbslos werden, Hartz IV erspart werden.

Angelegt ist die „Beschäftigungsbrücke“ als eine Art Generationenvertrag: Wenn Älteren ein früherer Berufsausstieg erleichtert wird, könnten Jüngere trotz der Krise länger bleiben. Angesichts der zu erwartenden Entlassungen sieht IG-Metall-Chef Berthold Huber die „Plausibilität“ der Rente mit 67 keineswegs wachsen. Seine Gewerkschaft habe die Reform „schon bei ihrem Beschluss kritisiert und für falsch gehalten, aber in der Beschäftigungskrise die Lebensarbeitszeit zu verlängern kann nun wirklich nicht richtig sein“. Die Rente mit 67 führe „gerade heute für viele Menschen in die Sackgasse von Hartz IV“, so Huber.

Dabei will die IG Metall allerdings nicht stehen bleiben. Die Sozialpolitiker der Gewerkschaft sehen die „Beschäftigungsbrücke“ als Teil einer weitergehenden Reform der Alterssicherung. Deren Eckpunkte sind in der vergangenen Woche als „Rentenpolitisches Memorandum“ vorgestellt worden. Denn auch ohne die tiefste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten stünde die Rentenversicherung in Deutschland vor erheblichen Schwierigkeiten, betont das zuständige IG-Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban. „Die Verteidigung des Status quo reicht nicht aus, das Vertrauen der Menschen in die Verlässlichkeit des Rentensystems zurückzugewinnen“, so Urban. Prekäre Erwerbsbiografien verhinderten immer öfter die Ansammlung von genügend Rentenanwartschaften. Und viele Beschäftigte hätten auch nicht die Chance, durch betriebliche oder private Vorsorge die Leistungslücken schließen, die die Rentenkürzungen aufgerissen haben.

Deshalb plädiert die IG Metall „für einen neuen Generationenvertrag“. Kernelement ist der Ausbau der Rentenversicherung zu einer solidarischen Erwerbstätigenversicherung aus, die schrittweise alle Erwerbstätigen, unter anderem Selbstständige, Freiberufler, Beamte und Parlamentarier einbezieht. Darüber hinaus sollen die Renten an die allgemeine Rentenentwicklung angekoppelt, die Grundsicherung im Alter angehoben und die Absicherung bei langer Erwerbslosigkeit verbessert werden. Unternehmen sollen nach dem Vorschlag der IG Metall verpflichtet werden, „ein Betriebsrentensystem anzubieten und sich angemessen daran zu beteiligen“.


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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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