Als der Beifall langsam in rhythmisches Klatschen überging, hatte Frank-Walter Steinmeier das Rededuell gegen die Kanzlerin gewonnen. Im Bundestag stand am Mittwoch erstmals das Hilfspaket für Griechenland auf der Tagesordnung, der einstige Vizekanzler redete gleich nach der Regierungschefin. Merkel musste werben, Steinmeier konnte angreifen. Er verbat sich „selbstgerechte Belehrungen“, forderte die CDU-Chefin auf, ihr „Verhalten zu ändern“, nannte den Umgang der Regierung mit dem Parlament „unanständig“.
Das Echo der SPD-Abgeordneten fiel aus wie bei einem Parteitag: Dauerbeifall. Der Fraktionsvorsitzende saß längst wieder auf seinem Platz in der ersten Reihe, da klatschte es immer noch. Neben ihm Thomas Oppermann, der Parla
der Parlamentsgeschäftsführer, und Sigmar Gabriel, lächelnd. Worüber? Der Parteichef war in den vergangenen Tagen zu einer Art sozialdemokratischen Randfigur geworden. Teilweise sorgte er selbst dafür, teilweise sah es so aus, als gerate er innerparteilich in die Defensive. Von wegen sozialdemokratischer Neuanfang: Steinmeier ist in diesen Tagen der starke Mann der SPD, Peer Steinbrück die Reserve. Und wenn es darauf ankommt, wird darauf verwiesen, was Gerhard Schröder in einer solchen Lage gemacht hätte.Nach dem Wahldesaster der SPD vom vergangenen September hatte sich Steinbrück aus der „ersten und zweiten Reihe" der Bundespolitik zurückgezogen. Die Partei war darüber kaum allzu traurig, der Finanzminister hatte sich nicht nur Freunde gemacht. Nun kehrt er zurück. Im aktuellen Spiegel taucht Steinbrück neben Steinmeier als Ko-Autor eines Beitrags auf, der die sozialdemokratische Linie in der Griechenlandfrage zieht. Kein Wort über die Verantwortung der rot-grünen Deregulierungspolitik für die Krise, dafür aber jede Menge Selbstlob für das Management der Großen Koalition: Solange Merkel noch mit der Stones-SPD regierte, habe Deutschland „auf der europäischen Bühne maßgeblich die Agenda bestimmt“. Seit sie Kanzlerin von Gnaden der Liberalen ist, schreibt das Duo, „sind wir dort die Getriebenen“.Kurz zuvor hatte Gabriel mit nebulösen Äußerungen selbst für Spekulationen über seine Rolle in der SPD gesorgt. Auf die Kanzlerkandidatur von 2013 angesprochen, sagte der Parteichef, dem normalerweise das „Erstzugriffsrecht“ gehört und dem auch kaum mangelndes Selbstvertrauen nachgesagt wird, es solle „der kandidieren, der die größten Chancen zum Gewinnen hat“ – und noch hinzugefügt, dass Steinbrück jemand sei, der seine Führungsstärke bereits unter Beweis gestellt habe und dem Gabriel „jedes politische Amt in Deutschland sofort zutraue“. In den Zeitungen kann man seither lesen, Steinbrück stehe „bei der SPD so hoch im Kurs wie lange nicht mehr“.„Ein guter Europäer ist nicht unbedingt der, der schnell hilft ...“Regierungserklärung der Kanzlerin vom 25. März (weiterlesen)"Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft Europas ...“Regierungserklärung der Kanzlerin vom 5. Mai (Video)„Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt ...“Gesetzentwurf über die Finanzhilfen für Griechenland (weiterlesen)Von Gabriel heißt es dagegen, er habe „in der Partei Punkte verloren“. Die Frankfurter Allgemeine beobachtet gar einen „Machtkampf bei der SPD“. Gabriel habe mehrfach versucht, in der Afghanistanfrage „auszubüchsen“, soll heißen, die Position der Sozialdemokraten zu korrigieren und schneller auf einen Abzug der Bundeswehr zu setzen. So will es eine Mehrheit in der Bevölkerung, wohl auch eine Mehrheit in der SPD. Doch Steinmeier hat zu lange den Kriegsaußenminister gegeben, als dass er nun vom hohen Ross der staatsbürgerlichen Verantwortung herunterkäme. Deshalb kassierte der Niedersachse auch mehrfach deutliche Ermahnungen von Steinmeier. Die Forderung nach einem neuen Mandat, das nötig sei, wenn Merkel nun selbst von Krieg rede, musste der SPD-Vorsitzende ausgerechnet im Bundestag zurücknehmen – dem Spielfeld von Steinmeier. Die Entgegnung des SPD-Vorsitzenden auf eine der inzwischen sehr zahlreichen Regierungserklärungen der Kanzlerin sei „einer Selbstgeißelung“ gleichgekommen, hieß es.Sogar der Geist der Basta-Politik Schröders wird inzwischen wieder in der SPD beschworen. Merkel hatten 25 Abgeordnete von Union und FDP bei ersten Probeabstimmungen zur Hellenen-Hilfe in dieser Woche die Gefolgschaft verweigert. Aus ganz unterschiedlichen Gründen, darunter sogar gute: Der eine will eine engere Synchronisation mit dem IWF, der nächste fordert ähnlich wie die Opposition eine zwingende Beteiligung der Banken über deren zwar freiwilligen aber doch den Verhältnissen Hohn sprechenden Eigenbetrag hinaus, wiederum andere fürchten, ihre Wähler in den heimische Wahlkreisen könnten ein Ja zum „Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz“ übel nehmen. Außerdem besteht auch in den Regierungsfraktionen eine spürbare Skepsis darüber, dass abermals ein Rettungsgesetz durchs Parlament gepeitscht wird, das den Banken hilft, die Steuerzahler belastet – und bei dem die demokratische Beteiligung auf der Strecke bleibt.Der Kanzlerin reicht am Freitag die einfache Mehrheit, und die ist sicher. Die SPD hat trotzdem die Forderung ins Spiel gebracht, Merkel möge bei der Schlussabstimmung über die Griechenland-Hilfen die Vertrauensfrage stellen. Gerhard Schröder, schwelgte Oppermann in Erinnerungen, hätte in einer solchen Situation nicht damit gezögert.Womit? Gefolgschaft zu erzwingen. Genau diese Basta-Kultur war es, die viele Sozialdemokraten überdrüssig hatten und die zu überwinden einer der hehren Lehrsätze des Neuanfangs einer SPD mit teilweise ausgewechseltem Personal wurde. Am Freitag wird Sigmar Gabriel selbst vor der Abstimmung über die Griechenland-Hilfe reden. Mal sehen, wie lange die sozialdemokratischen Abgeordneten dann klatschen.