Daimlers Rechnung

Sparprogramm Mit Einschnitten in Milliardenhöhe will der Autokonzern die Krise meistern. Das geht zu Lasten der Beschäftigten. Die Aktionäre können sich auf eine Dividende freuen

Anfang der Woche teilte der Autokonzern Daimler mit, was er an seinen Beschäftigten hat. 109 Millionen Euro sparte das Unternehmen 2008 dank tausender Verbesserungsvorschläge seiner Mitarbeiter. Dies, gab sich Personalvorstand Günther Fleig generös, könne „gerade in der aktuellen wirtschaftlichen Situation nicht hoch genug angerechnet werden“.

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Wie die Gleichung ausgehen wird, haben die Mitarbeiter schon vergangene Woche erfahren müssen: Auf überraschend einberufenen Betriebsversammlungen schwor die Firmenleitung die Belegschaft auf harte Einschnitte ein - in Höhe von zwei Milliarden Euro. Reduzierung der Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich, Verschiebung von Gehaltserhöhungen, Einschnitte beim Kurzarbeiterzuschuss, beim Weihnachts- und Urlaubsgeld. Und auch die Ergebnisbeteiligung für das vergangene Jahr soll nicht ausgezahlt werden, um die Konzern-Liquidität zu schonen. Es ist bereits das zweite Sparprogramm in diesem Jahr, das Daimler den Beschäftigten aufzwingen will. Es gehe „in dieser Situation“ um „einen substantiellen Sparbeitrag von allen Beteiligten“, sagt Fleig.

Alle Beteiligten? Wen eigentlich glaubt das Unternehmen mit seinem Hinweis auf die Krise und das große Wir noch überzeugen zu können? Morgen wird die Hauptversammlung von Daimler eine Dividendenausschüttung an die Aktionäre beschließen – in Höhe von über 550 Millionen Euro. Der Konzern leistet sich mit der Formel 1 ein Spielzeug, das mit 600 Millionen Euro im Jahr zu Buche schlägt. Während der Daimler-Vorstand von Überkapazitäten schwadroniert, werden Hunderte Millionen Euro in neue Werke in Ungarn und Tschechien investiert. Mal abgesehen von den Millionenbezügen der Vorstände, die mit ihrer Politik die Schlagseite des Unternehmens erst verursacht haben.

Denn dass die Nobelkarossen mit dem Stern in Zeiten hoher Spritkosten immer weniger Absatz finden, liegt weder allein an der Krise, die jetzt gern als Begründung für allerlei Kostensenkungsprogramme herangezogen wird. Noch geht der Absturz der Verkaufszahlen auf das Konto der Mitarbeiter. „Ein wesentlicher Anteil an der derzeit dramatischen Lage des Konzerns liegt schlicht darin begründet“, heißt es in einem Antrag Kritischer Aktionäre zur Hauptversammlung, „dass Vorstand und Aufsichtsrat über Jahrzehnte versäumt haben, die richtigen Produkte zu entwickeln und am Markt erfolgreich zu positionieren.“

Wenn jetzt - keineswegs nur bei Daimler - die Arbeitgeber nach Verzicht rufen, soll nicht nur die Hauptlast verfehlter Unternehmenspolitik auf Beschäftigte abgewälzt werden. Es geht mehr noch um die Fortsetzung einer Umverteilungsstrategie, die wesentlichen Anteil an der Entstehung der gegenwärtigen Krise hat. „Arbeitsplatzsicherung hat jetzt Vorrang vor Einkommenssicherung“, fordert Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser - und zeigt damit, dass er nichts begreifen will.

Abgesehen davon, dass ein Arbeitsplatz kein Selbstzweck ist – waren es doch gerade die schrumpfenden Realeinkommen, welche die Inlandsnachfrage einbrechen ließen. Nun fehlt es im Lande des Exportweltmeisters an einem konjunkturellen Gegengewicht zu den nachlassenden Ausfuhren. Auf der anderen Seite strömt weiter Geld in die Tresore großer Kapitalvermögen, wo es nach renditeschwangeren Anlagemöglichkeiten auf den Finanzmärkten sucht. Wer Jobs sichern will, müsste sich also einerseits für eine angemessene Einkommensentwicklung einsetzen und andererseits in den dringenden Strukturwandel der „alten Industrien“ investieren. Das bringt vielleicht keine großen Gewinne in kurzer Frist, zahlt sich aber langfristig aus.

Geld ist da, auch in der Krise. Es ist nur eine Frage, wie man die Rechnung aufmachen will. Bei Daimler wäre die Hälfte der Sparforderung bereits durch Umschichtungen zu erreichen – keine Dividende und weg mit dem Formel-1-Unsinn. Schon wäre eine Milliarde Euro zusammen. „Es gibt keine heiligen Kühe mehr“, hat Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche bei einer Betriebsversammlung im Stammwerk Stuttgart-Untertürkheim gesagt. Welche in den kommenden Wochen tatsächlich geschlachtet werden, wird eine Frage sein, die die Beschäftigten gegebenenfalls vor dem Werktor beantworten müssen.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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