Demokratiegefährder

Geheimdienst Nicht Bodo Ramelow ist eine Gefahr für die Maßstäbe, die das Grundgesetz aufstellt. Sondern jene sind es, die dem Namen nach die Verfassung schützen sollen

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Der Verfassungsschutz darf über Bodo Ramelow ein Dossier aus allgemein zugänglichen Daten anlegen, die “offene Beobachtung“ des Linksparteipolitikers ist zulässig. Die Leipziger Richter halten eine Informationssammlung durch den politischen Geheimdienst nicht für ausgeschlossen, obwohl dem 54-Jährigen selbst keinerlei „verfassungsfeindliche Bestrebungen“ vorgeworfen werden können. Solange das für die Linkspartei aber getan werden darf, bei der Ramelow „ein führender Funktionär“ ist, sei auch an seiner Beobachtung nichts auszusetzen.

Über das Urteil werden sich die Experten beugen, wenn die Begründung vorliegt. Dass die Entscheidung eine Zumutung ist, die dem Geist ihrer eigenen Logik zuwiderläuft, lässt sich schon jetzt sagen. Was auch immer man von der Linkspartei hält, eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist weder angemessen noch im Sinne des behaupteten Schutzes der Demokratie. Man darf an den Verfassungsrichter Helmut Simon erinnern, der schon vor über 20 Jahren vor einer Erosion der freiheitlichen Demokratie durch ihren übertrieben Schutz „ungeeigneter oder übereifriger“ Organe warnte. Und ergänzen, dass diese Entscheidung auch dazu dient, der politischen Linken in diesem Lande generell das Leben schwer zu machen.

Man kann es für falsch halten, wenn Teile der Linkspartei die Überwindung des Kapitalismus fordern. Es mag vielen nicht gefallen, wenn sich Politiker mit antiimperialistischer Geste zur Politik der kubanischen Regierung bekennen. Und ebenso wird es viellerorts abgelehnt, dass nciht wenige Linke die DDR als „legitimen Versuch“ verteidigen. Solche "Anhaltspunkte" aber, die der Verfassungsschutzbericht als Belege gegen die Partei in Stellung bringt, sind jedoch weder vom Grundgesetz verneint noch ist etwas daran in irgendeiner Weise verfassungsgefährdend, im Gegenteil. Man darf es sagen, man muss es sagen dürfen.

Aber das ist gar nicht der entscheidende Punkt. Noch nie sind die Verfassungsschutzämter das gewesen, was ihr Name verspricht: Gralshüter einer universellen Idee oder des Grundgesetzes. Sondern stets ein Geheimdienst, dessen Zielobjekte sich mit den politischen Moden ändern. So ergeht es auch der Linken. Mal wird die Behörde von konkurrierenden Landespolitikern gegen die Partei in Stellung gebracht, mal ist es das Bundesamt, dass zu absurden Begründungen greifen muss, um ihre nicht sehr ergiebige Beschäftigung mit der Partei zu rechtfertigen. Hier wird die Linke beobachtet, dort nur teilweise, anderswo gar nicht.

Das Problem ist freilich größer, als es am Beispiel der Linken zu messen wäre. Man kann es mit der heutigen Grünen-Vorsitzenden Renate Künast sagen: „Verfassungsschutzbehörden und Demokratie sind unvereinbar.“ Ihre Abwicklung wird daher zu Recht gefordert. Wer daran zweifelt, hätte den Anwalt der Schlapphüte hören sollen, der in der Leipziger Verhandlung tatsächlich erklärte, bereits die Bundespräsidentenwahl habe gezeigt, dass die Linke vom Verfassungsschutz beobachtet werden müsse. Wenn das dem juristischen Vertreter des Geheimdienstes ausreicht, wenn also eine als falsch betrachtete oder strategisch unkluge oder einfach persönlich unpassende politische Haltung schon die Beobachtung und damit öffentliche Diskreditierung rechtfertigen soll, dann ist die Verfassung wirklich in Gefahr.

Nun liegt es einmal mehr an Karlsruhe: Ramelow hatte im Vorfeld angekündigt, gegebenenfalls vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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