Der Anfang vom Anfang: Merkel, die Wahlen und eine alte Prognose

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Endet Merkel? Die Frage klingt ein wenig doof, aber sie wird jetzt gestellt. Besser gesagt: Es wird in der baden-württembergischen Landtagswahl eine Antwort gesehen. Verliert die CDU die Regierung in Stuttgart, so meinen zum Beispiel Jakob Augstein hier, der Spiegel hier und Jürgen Trittin hier, sei das der Anfang vom Ende der Ära Merkel. Erinnert sich jemand? Genau: Der Anfang vom Ende der CDU-Vorsitzenden wird nicht zum ersten Mal prognostiziert. Da stellt sich doch die Frage, wann eigentlich der Anfang vom Anfang war, der Ur-Anfang gewissermaßen. Jener Beginn vom Schluss, seit dem man von einem “Anfang” vom Ende Merkels besser nicht mehr gesprochen hätte.

Sicher ist jedenfalls, dass Cem Özdemir nicht der erste war, eher der Letzte der Vorletzten, die den Anfang vom Ende im Munde führten – das war Ende (sic) vergangenen Jahres und die Grünen machten wegen guter Umfragewerte ziemlich auf dicke Hose. Dazu gehört es dann, dem politischen Gegner den Amts-Schluss an den Hals zu wünschen, weshalb sich der Grünen-Chef „zutiefst davon überzeugt“ zeigte, „dass wir den Anfang vom Ende der Kanzlerschaft Merkel erleben“. An dem hatte seine Co-Vorsitzende Claudia Roth freilich schon ein halbes Jahr vorher teilgenommen. Dieser „Anfang vom Ende“ von Schwarz-Gelb wurde von der Tatsache befeuert, dass die Grünen und die SPD gerade die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen knapp nicht gewinnen konnten. Roth hat allerdings inzwischen vergessen, was sie seinerzeit schon zu wissen vorgab, weshalb nun mit Blick auf Stuttgart noch einmal ein „Anfang vom Ende von Schwarz-Gelb“ vorausgesagt wird. Obwohl es besser gewesen wäre, liebe Frau Roth, vom zweiten Frühling des Beginns zu sprechen. Denn so ein Anfang dauert ja nicht ewig, jedenfalls nicht zehn Monate.

Kurz nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen war übrigens auch noch einmal vom Anfang vom Ende von Merkels Kanzlerschaft die Rede – das war im Juli 2010, Christian Wulff hatte ein paar Anläufe gebraucht, um als Bundespräsident gewählt zu werden. Damals erblickte der Anfang in Form eines konditionierten Beginns das Licht der Welt. Der Niedergang wurde für den Fall prognostiziert, dass die CDU-Chefin „jetzt nicht mutiger wird“. Der Politologe Oscar W. Gabriel sagte seinerzeit immerhin, „so weit würde ich nicht gehen“. Was schon deshalb richtig war, weil es andere vor ihm ja längst getan hatten. Schließlich war 2009 ja bereits das ganz große Jahr des Anfangs vom Ende. Schon im Januar meinte die Tageszeitung, „das Ja zur Steuersenkung kann für Merkel der Anfang vom Ende sein“. Im März kommentierte der Journalist und Politikberater Michael Spreng ein Manöver von CDU-Politiker Wulff mit den Worten, unter Umständen „wäre dies aber auch der Anfang vom Ende der Kanzlerin Merkel“. Und im Herbst, die CDU hatte just die Bundestagswahl gewonnen, wusste man bei der Deutschen Welle bereits, der Sieg könne „nicht darüber hinwegtäuschen: Das ist der Anfang vom Ende der Kanzlerschaft von Angela Merkel.“

Und in der Tat: Der eigentliche Ursprung des Anfang vom Ende liegt weit jenseits von Merkels Regierungszeit – nämlich im Jahr 2004. Da war es die jetzige Kanzlerin selbst, die den Rückzug ihres Vorgängers Gerhard Schröder vom SPD-Vorsitz mit den Worten ins parteipolitisch genehme Licht setzte, dies sei der „Anfang vom Ende dieser Regierung“. Dass sie ein Jahr später selbst auf den Amtssessel kommen sollte, war da zwar noch nicht vorhersehbar, dass der Beginn ihrer Regentschaft ein Anfang werden musste, zu dem es auch ein Ende geben würde, konnte dann aber schon niemanden mehr überraschen.

auch erschienen auf lafontaines-linke.de

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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