Doppelspitze

Linkspartei Von der relativen ­Unmöglichkeit, konstruktive Debatten über den Führungsanspruch innerhalb der Partei Die Linke öffentlich führen zu können

Parteiinterner Streit, das lernen Politiker schon früh, gehört nicht in den Wahlkampf. Bei der Union schweigen zurzeit sogar die Ministerpräsidenten. Und die SPD ist sowas von geschlossen, dass es schon wieder keiner glaubt. Nur von der Linken hört man so kurz vor dem Urnengang, sie streite – und zwar über ihre Satzung.

2010 wählt die Partei eine neue Führung. Eine Übergangsregelung, welche die derzeitige Doppelspitze festlegt, läuft dann aus. Da Lothar Bisky ins Europaparlament gewählt wurde und ohnehin angekündigt hat, nur bis 2009 zur Verfügung zu stehen, liefe vieles auf Oskar Lafontaine als Alleinvorsitzenden hinaus. Das Modell Doppelspitze wird inzwischen aber in der Partei als durchaus ­erfolgreich angesehen. Etwa von Bodo Ramelow, der gerade in Thüringen Wahlkampf macht und Bundestagsvize­präsi­den­tin Petra Pau für eine Nachfolge von Bisky ins Gespräch gebracht hat.

Ob man das nun für eine gute Idee hält oder nicht: Eine normale öffentliche Diskussion darüber ist nicht möglich. Das hätte auch Ramelow wissen müssen. In der veröffentlichten Meinung hat sich ein Ressentiment gegen Lafontaine festgesetzt, das Ramelows Idee nur als rebellischen Akt gegen die „Alleinherrschaft“ des Saarländers verstehen kann. Ost-Linke wollen den Parteichef „entmachten“, heißt es nun, und immer geht es in dieser einfach gestrickten Welt auch um den Kampf der „Realpolitiker“ gegen den „Populisten“. Schon im Dezember wartete der Spiegel mit der Geschichte auf, es gebe Überlegungen, die Doppelspitze beizubehalten, um Lafontaine nicht allmächtig werden zu lassen.

Es gibt tatsächlich gute Gründe dafür, heute noch einmal zu überdenken, was aus der Perspektive des Fusionsjahres 2007 noch vernünftig erschien: die Regelung zur Doppelspitze auslaufen zu lassen. Unabhängig von Lafontaine, der umstritten sein mag – aber wer ist das in dieser Partei nicht? Die Linkspartei als Bündnis verschiedener Milieus und Strömungen braucht ein Kraftzentrum, für das eine Person zu wenig ist, selbst eine mit dem politischen Gewicht von Lafontaine. Mal abgesehen davon, dass kollektive Führung angesichts der anstehenden Programmdebatte ein Vorteil sein würde, dass man das bisher in der Linken nur schlecht gelöste Quotenproblem so wenigstens an der Spitze in den Griff bekommen könnte. Und dass auch nur auf diese Weise ein Generationenwechsel möglich ist, der nicht von Teilen der Anhängerschaft als Ausgrenzung eines der Parteiflügel angesehen würde.

Nach den ungünstigen Schlagzeilen dieser Woche soll die Kuh jetzt aber erst einmal vom Eis. Die Vorsitzendenfrage, sagt Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, sei „noch so weit weg“. Dass Lafontaine weiter an der Spitze der Linken bleiben möchte, hat dieser mehrfach erklärt und hinzu gefügt: Wenn die Partei dies wolle. Zurzeit macht er Wahlkampf im Saarland. Vor ziemlich genau einem Jahr antwortete Lafontaine dort im ARD-Sommerinterview auf die Frage, wie es weitergehen werde, wenn Lothar Bisky ins Europaparlament gewechselt sei: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass es wieder eine Doppelspitze geben wird.“

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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