Dr. Lieblingsminister und Mr. Plagiat

Abgeschrieben Guttenberg hat sich für seine Dissertation heimlich bei anderen bedient. Es ist nicht der erste Doktortitel, der zu einem Politikum wird

Karl-Theodor zu Guttenberg hat inzwischen ein wenig Übung beim Management eigener PR-Krisen. Ob Kundus-Affäre oder Gorch-Fock-Skandal – der Lieblingsminister der Deutschen wusste stets, wie man weitgehend ohne Kratzer durch die Turbulenzen der Politik steuert. Es gab immer jemanden, den der CSU-Politiker verantwortlich machen konnte. Wenn aber diese Sache stimmt, dürfte das nicht noch einmal so einfach sein.

Guttenberg, so hat es der Bremer Rechtsprofessor Andreas Fischer-Lescano herausgefunden, bediente sich in seiner 2006 vorgelegten Dissertation in mehreren Passagen wortwörtlich bei anderen – ohne dies wie üblich zu kennzeichnen. In der Süddeutschen, die zuerst über den Fall berichtete, wird der Völker- und Europarechtler mit den Worten zitiert, Guttenbergs Werk sei stellenweise „ein dreistes Plagiat“ und „eine Täuschung“. In der Arbeit geht es um Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU, der CSU-Politiker hatte sie neben seinem Bundestagsmandat fertiggestellt – schon damals war Guttenberg ein aufsteigender Nachwuchspolitiker, Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags und Sprecher seiner Fraktion für Abrüstung.

Seine Dissertation rüstete er Fischer-Lescano zufolge indes stark mit der Arbeit anderer nach. Dabei geht es nicht um die Weiterentwicklung von Gedanken, um Zitate oder andere Wiedergaben – sondern um schlichtes, heimliches Abschreiben. „Die Textduplikate ziehen sich durch die gesamte Arbeit und durch alle inhaltlichen Teile“, hat Fischer-Lescano festgestellt. In einer Rezension für die kommende Ausgabe der Zeitschrift Kritische Justiz stellt der Mitherausgeber dem mit „summa cum laude“ benoteten Verteidigungsminister ein schlechtes Zeugnis aus: Der wissenschaftliche Ertrag der von Peter Häberle und Rudolf Streinz begutachteten Arbeit sei „bescheiden“, die Argumentation „mäandert vor sich hin und zermürbt die Leser“, die Beurteilung durch die renommierten Gutachter sei „mehr als schmeichelhaft“.

Erste Fundstücke, große Gelassenheit

Doch das ist nicht das Problem. So wie der eine Gutachter der Meinung sein darf, Guttenbergs Arbeit sei „sehr überzeugend“ gewesen, darf ein Fachkollege anderer Auffassung sein. Zumal Fischer-Lescano als Linker zu Fragen wie der nach dem Gottesbezugs in Verfassungen auch ganz andere Antworten finden wird. Ungeteilt allerdings gelten formale Standards – und an die, so Fischer-Lescanos Vorwurf, habe sich der Minister nicht gehalten. Das Vorgehen sei dabei „so systematisch“, dass ein Verstoß gegen die Promotionsordnung wahrscheinlich sei. In der Kritischen Justiz listet der Bremer Professor noch mehr Passagen auf als es die Süddeutschen in ihrer Mittwochsausgabe und im Internet getan hat. Und auch das seien nur „Fundstücke einer ersten noch unvollständigen Plagiatskontrolle“.

Inzwischen prüft die Universität Bayreuth die Vorwürfe. Man nehme diese „zur Kenntnis und wir nehmen das ernst“, wird ein Sprecher der Universität in Nachrichtenagenturen zitiert. Das Verteidigungsministerium hat sich ebenfalls geäußert und darauf hingewiesen, dass Fischer-Lescanos Recherche „bereits an den Ombudsman für wissenschaftliche Selbstkontrolle der Universität Bayreuth übermittelt“ wurde. Dem Ergebnis der Prüfung sehe man in Guttenbergs Ressort „mit großer Gelassenheit“ entgegen. „Die Arbeit wurde nach bestem Wissen und Gewissen angefertigt.“

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Politiker im Zusammenhang mit seinem Doktortitel Probleme bekommt. Der CDU-Abgeordnete Dieter Jasper zum Beispiel hatte sich für Geld in der Schweiz einen „Doktor“ gekauft und damit Wahlkampf gemacht, bis die Sache aufflog. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder musste sich gegen Kritik an ihrer Dissertation zur Wehr setzen, weil sie bei der Herstellung der Arbeit die Unterstützung einer bezahlten wissenschaftlichen Hilfskraft in Anspruch nahm – die Universität sah zwar „kein Fehlverhalten“, der Deutschlandfunk meinte damals aber, es handele sich um „eine mustergültige Typ-II-Arbeit“, als um „ein Werk, das weniger vom Interesse an der wissenschaftlichen Arbeit, sondern mehr von dem Wunsch nach einem akademischen Titel geprägt ist“.

Guttenberg nennt Vorwürfe "abstrus"

Einen Fall, der ganz ähnlich wie der von Guttenberg gelagert ist, sorgte in Österreich für Aufregung. Ausgerechnet der dortige Wissenschaftsminister Johannes Hahn von der ÖVP hatte in seiner Dissertation im Fach Philosophie ebenfalls mehrere Passagen wörtlich aus anderen Werken abgeschrieben – und dies nicht gekennzeichnet. Der in Medien als „Plagiatsjäger“ bezeichnete Wiener Kommunikationswissenschaftler Stefan Weber hatte damals Duplikate aufgestöbert – was die Berichte über die Dissertation des deutschen Verteidigungsministers enthüllten, kommentierte Weber als „widerlich“.

Guttenberg selbst, der vor ein paar Monaten noch zum Quasi-König von Deutschland hochgeschrieben worden war, nannte die Plagiats-Vorwürfe von Fischer-Lescano „abstrus“. Er sei „gerne bereit zu prüfen, ob bei über 1.200 Fußnoten und 475 Seiten vereinzelt Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten und würde dies bei einer Neuauflage berücksichtigen“, so Guttenberg – der auch darauf hinwies, dass er die Dissertation selbst und ohne die Hilfe von Mitarbeitern geschrieben habe. Dass eine als eigene „Bewertung“ ausgewiesene und zudem längere Passage, die anscheinend weitgehend wortgleich aus der Feder der Schweizer Journalistin Klara Obermüller stammt, versehentlich nicht ausgewiesen wurde, erscheint indes ein wenig wie eine Ausflucht: Zumindest in der Druckfassung von Guttenbergs Dissertation erscheinen längere Zitate abgesetzt, wie man in der Dokumentation der Süddeutschen sehen kann.

Der Fall Guttenberg dreht nicht nur die seit Anfang des Jahrtausends oft geführte Diskussion über die Grenzen des geistigen Eklektizismus im Zeitalter von Copy and Paste, über literarisches Abschreiben, Intertextualität und Samplen, über die wissenschaftliche Plagiats-Kultur und den Markt für die Software zum Aufspüren des mutwilligen Abschreibens eine Runde weiter. Er fällt auch auf einen politischen Boden, der mit dem – zwar nicht ganz aber doch – eher zufälligen Treffer von Fischer-Lescano beim abendlichen Rotwein-Lesen einer Minister-Dissertation nicht viel, mit dem Umbau der Bundeswehr und den damit im Zusammenhang stehenden milliardenschweren Interessen sehr viel zu tun hat. Dass der Darling der Medien und Star der Umfragen jetzt womöglich durch eine Affäre geschwächt werden könnte, wird bestimmten Leute durchaus Gefallen. Und es muss sich dabei keineswegs um Verfechter von wissenschaftlichen Regeln handeln.

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