Dreißig unter einem Dach

Kooperation Die Europäische Linke hat im beginnenden EU-Wahlkampf Schwierigkeiten, ein Profil zu finden

Vor einigen Tagen, alle Welt interessierte sich gerade brennend für das SPD-Wahlprogramm, trat in Berlin Lothar Bisky vor die Medien und redete über etwas, das der Linkspartei, wie ihr Vorsitzender versicherte, „näher liegt“: Europa. Die für die Wahlen im Juni prognostizierte niedrige Beteiligung würde „die Krise der Demokratie“ in der EU weiter verschärfen, warnte Bisky. Dann sprach der 67-Jährige von der Partei der Europäischen Linken (EL), die versuche, „dagegen anzugehen“ und dem verbreiteten EU-Desinteresse „auch programmatisch“ etwas entgegensetzen könne. Die Presseleute harrten höflich aus, Nachfragen gab es keine.

Bisky kennt diese Zurückhaltung schon. Der linke Spitzenkandidat bei den Europawahlen ist seit November 2007 zugleich EL-Chef und wirbt so gut es eben geht für das länderübergreifende Bündnis aus über 30 Parteien, das hierzulande nicht so recht auf Interesse stoßen will. Dem Eindruck, dass die EL nicht einmal in den eigenen Reihen für besondere Begeisterung sorgt, tritt Bisky allerdings entgegen: In vielen Veranstaltungen werde über die gemeinsame Plattform der EL diskutiert, das Programm sei wegen der großen Nachfrage trotz hoher Auflage nur schwer zu bekommen. Und auf manchen Konferenzen der Europäischen Linken sei der Andrang inzwischen so groß, dass die Plätze nicht ausreichen würden.

Bollwerk gegen Zersplitterung

Nun wird die Parteien-Partei fünf Jahre alt. Gespräche über neue Wege der Zusammenarbeit zwischen linken Organisationen in Europa hatte es bereits in den neunziger Jahren gegeben. 1999 konstituierte sich im Europaparlament eine gemeinsame Fraktion mit dem Bandwurmnamen Vereinte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL). Von hier aus ging auch der wesentliche Impuls für die Gründung der EL am 8. Mai 2009 in Rom aus. Seither wuchs der Zusammenschluss stetig, mehr als 400.000 Mitglieder sind heute unter dem Dach vereint – Tendenz steigend. „Die EL hat sich gut entwickelt“, sagt Bisky und verweist auf „ein großes Potenzial an Ideen, an politischen Erfahrungen und Durchsetzungskraft“.

Dabei ist die kurze Geschichte der Europäischen Linkspartei immer auch von Kontroversen begleitet gewesen. Das betraf mal statutarische Formalien, mal politische Einschätzungen. Die Frage etwa, ob soziale Forderungen eher auf nationalstaatlicher Ebene durchsetzbar sind, oder es eines koordinierten Vorgehens mindestens auf europäischer Ebene bedarf, wird durchaus unterschiedlich beantwortet. Zumal, seit mit der Wirtschaftskrise nicht mehr so viel von Globalisierung, dafür aber umso mehr von einzelstaatlichen Schutzschirmen die Rede ist. Auch ihr grundlegendes Verhältnis zur Europäischen Union definieren die in der EL organisierten Parteien nicht immer einstimmig. Lehnt man die Integration generell ab oder streitet man für eine soziale Union?

Solche Differenzen sind nicht überraschend, wenn man sich das Spektrum der EL anschaut, das von traditionell kommunistischen bis zu linkssozialistisch-ökologischen Parteien reicht. Eine „Zusammenarbeit für konkrete politische Forderungen“ sei aber trotzdem möglich – und auch notwendig. „Hohe soziale Standards lassen sich nur europaweit und nicht gegeneinander entwickeln“, sagt der EL-Chef. Und wer in entscheidenden Fragen Gemeinsamkeiten finde, könne auf anderem Gebiet ja dennoch Differenzen haben.

Das darf man auch ganz praktisch verstehen. Trotz der gemeinsamen Wahlplattform ziehen die EL-Parteien mit eigenen Europa-Programmen in die Juni-Wahl. Und bisweilen tun sie das auch in Konkurrenz zueinander. Hierzulande etwa kandidiert neben dem Vollmitglied Linkspartei auch die DKP für das Straßburger Parlament, die lediglich einen EL-Beobachterstatus hat.

Ungeachtet dessen versteht Bisky die Dach-Partei nicht zuletzt als Bollwerk gegen eine weitere Zersplitterung der Linken, wie sie gerade in Frankreich und Italien zu beobachten war – und empfiehlt den Weg, der nun erstmals mit der gemeinsamen Wahlplattform beschritten wird. „Sonst werden wir immer mehr linke Parteien und immer weniger Einfluss haben.“

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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