Duell zur NRW-Wahl: Tantenartige Einfalt – eine kleine Presseschau

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„Fernsehdebatten können die Demokratie beleben.“ So stand es am Samstag in der Süddeutschen und natürlich war nicht das TV-Duell zwischen Hannelore Kraft und Jürgen Rüttgers im WDR gemeint. Das wurde nämlich erst am Montagabend gesendet. Und wer sich das Zusammentreffen der Spitzenkandidaten angeschaut hat, wäre wohl auch gar nicht auf so einen Satz gekommen. Um noch einmal die Süddeutsche zu zitieren, welche sich mit der zweiten Runde der Fernsehdebatte in Großbritannien beschäftigte: „Nicht das Fernsehen untergräbt die Demokratie. Sondern schlechte Rhetorik und schlechtes Fernsehen.“

720.000 von 13,5 Millionen

Rhetorik ist die Kunst der Rede, so kann man es bei Wikipedia nachlesen. Sie wurde in der griechischen Antike populär und spielte in der Athener Meinungsbildung eine wichtige Rolle. Spielt sie diese auch in Nordrhein-Westfalen? Nun ja. An Rhein und Ruhr sind rund 13,5 Millionen Menschen zur Wahl am 9. Mai aufgerufen, für das Fernsehduell Rüttgers gegen Kraft interessierten sich etwa 720.000 Menschen. Dem WDR verschaffte die Politsause und das bundesweite Interesse eine Quote deutlich über dem Durchschnitt. „Wir sind zufrieden“, so eine Sprecherin. Und teuer war es offenbar auch nicht, jedenfalls meinte WDR-Blogger Paul Elmar Jöris, die Veranstaltung mit Kaffe und Hasenbroten habe „die Sparsamkeit des Senders“ sehr wirkungsvoll „unter Beweis“ gestellt.

Was sagen die Blogs?

Aber eigentlich sollte es ja um die Rhetorik der Spitzenkandidaten gehen. Wie man deren Qualität misst? Man kann sich einen persönlichen Eindruck verschaffen und sich so ein Duell anschauen. Das haben offenbar viele Menschen getan, auch solche, die in NRW gar nicht wählen dürfen. Übersichten über das, was die Blogs dazu meinen, gibt es unter anderem hier und hier.

Der Kollege Johan Schloemann, der Autor des oben genannten Beitrags in der Süddeutschen, wartet sogar mit einem „großen Rhetorik-Check“ auf. Da liest man dann Sätze wie diesen: „Für seinen rheinischen Zungenschlag kann er nichts, aber kombiniert mit der steifen Haltung kommt Rüttgers einem an diesem Abend nahezu einfältig vor.“ Oder diese: „Hannelore Kraft hat kein Charisma, und dieser Mangel wird nicht durch Spritzigkeit oder Gewitztheit augeglichen. Insgesamt ist der Auftritt ein wenig tantenartig, verströmt wenig Führungsfähigkeit.“

Äußerliches, Inhaltliches

Einfältig, tantenartig. Was sagt uns das? Schlechte Performance, aha. Alles eine Frage des Auftritts, sicher. Nur: Ist die Wahl in Nordrhein-Westfalen eine Art Deutschlands sucht den Superstar? Kommt es auf Kleidung und Klamotten derart an, dass man von Krafts „knalligpinken Blazer“ auf deren angebliche Aggressivität und vom schwarzen Anzug Rüttgers' auf das „Väterliche“ im CDU-Mann schließen muss? Und könnte es nicht sein, dass nicht nur „schlechte Rhetorik und schlechtes Fernsehen“ die Demokratie untergraben, sondern auch eine Berichterstattung, die vom Äußerlichen nicht lassen kann und dabei bereits ist, vom Inhalt abzusehen? Es gab allerdings auch andere Berichte und Kommentare – einige finden sich hier.

Mag ja sein, dass so ein TV-Duell spannender gewesen wäre, wenn, sagen wir mal: Gregor Gysi und Renate Künast dort aufeinander getroffen wären. Die können besser reden, aber können sie auch besser Politik? Und müsste man dann nicht erst einmal die Frage stellen: Welche? Kraft und Rüttgers haben darüber gut eine Stunde geredet. Eingezwängt in die Gesprächsführung von Gabi Ludwig und Jörg Schönenborn ging es um Hartz IV und den Niedriglohnsektor, die Rente mit 67, die Kinderbetreuung, die Schulpolitik, Studiengebühren, die Finanzlage des Landes und der Kommunen, die Energiefrage – und natürlich auch um das leidige Koalitionsthema und das fragwürdige Sponsoring der CDU. Wer am Montagabend etwas besseres vor hatte, kann auf der WDR-Seite noch einmal gezielt durch die Themenblöcke zappen.

Keine Verlierer

Der Unterschied zwischen einem richtigen Duell und einer Fernsehdebatte ist, dass im letzteren Fall sich danach alle Beteiligten als Sieger sehen, während im ersteren jemand auf der Strecke geblieben wäre. „Souverän und sachlich“, lobt die CDU ihren Mann: „Klarer Punktsieg für Jürgen Rüttgers“. Bei der SPD ist man naturgemäß anderer Meinung: „Hannelore Kraft hat das TV-Duell gegen Jürgen Rüttgers eindeutig für sich entschieden.“ Die Linkspartei wollte in der Debatte einen Grund erkannt haben, bei ihr das Kreuz zu machen. Die FDP kritisierte, beide Parteien würden sich nicht klar genug zu Koalitionsfragen äußern. Und die Grünen überraschen „weltexklusiv“ mit der Nachbereitung des Duells in den inzwischen notorischen „Wortwolken“.

Nachbereitung gibt es selbstverständlich auch von den Experten. Gerd Langguth, Politikwissenschaftler an der Universität Bonn, warnte davor, die Wirkung des Duells zu überschätzen – und erinnerte daran, dass vor der Landtagswahl von 2005 Rüttgers als Verlierer der Fernsehdebatte gegen den damaligen SPD-Amtsinhaber und späteren Bundesfinanzminister Peer Steinbrück dastand - die Wahlen dann trotzdem klar gewann. Und Karl-Rudolf Korte meint: „Das Format liegt beiden nicht. Beide sind im kleinen Kreis überzeugend, aber keine Großrhetoriker und keine charismatischen Mediengestalten.“ Und dann sagte der Duisburger Politologe noch diesen Satz: „Eine gute Mischung aus Show-Präsenz und Fachkompetenz kann ein TV-Duell zur attraktivsten Form des Fernsehwahlkampfs machen, zu einer Sternstunde der Aufklärung.“ Doch das klinge, so Korte, „ziemlich idealistisch“. Vor allem nach dieser Debatte.

Die Fortsetzung

Am Mittwoch Abend gibt es übrigens eine Fortsetzung mit Gästen: in der so genannten Wahlarena, wieder mit Rüttgers und Kraft, sowie den Spitzenkandidaten von Grünen, Linkspartei und FDP: Sylvia Löhrmann, Bärbel Beuermann und Andreas Pinkwart.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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