Düsseldorfer Erfahrung

Linkspartei In ihrem Programm unternimmt die Linke den unmöglichen Versuch, eine allgültige Antwort auf die "Regierungsfrage" der Linken zu formulieren. Ein Blick nach NRW könnte helfen

Am Wochenende wird die Linken-Spitze über einen neuen Programm­entwurf beraten. Medial kommt die Debatte bereits auf Touren, es geht vor allem um die überarbeitete Passage zu den Regierungsbeteiligungen. „Ein Schritt zurück“, beklagen die einen. Eine „Weiterentwicklung“, loben die anderen.

Die Frage des Mitregierens hat in der Linkspartei einen besonderen Stellenwert, kaum ein anderes Thema ist symbolisch so aufgeladen. Wie soll man in Parlamenten agieren? Gibt es Regeln, kann es „Haltelinien“ geben, die im Fünf-Prozent-Westen ebenso gelten können wie im 25-Prozent-Osten? In ihrem Programm unternimmt die Partei den unmöglichen Versuch, eine Antwort in wenigen Sätzen zu formulieren.

Ein wichtiger Diskussions­beitrag dazu kommt nun aus Nordrhein-Westfalen: Dort hat die Partei ihrer Landtagsfraktion empfohlen, den Haushalt der rot-grünen Minderheitsregierung zu stützen. Das sollte zwar durch Enthaltung geschehen, weil man das Etatwerk von SPD und Grünen nicht für zustimmungsfähig hält. Eine Ablehnung aber hätte Neuwahlen zur Folge, und dann müsste die Linke um den Wiedereinzug und damit auch um jenen kleinen Hebel fürchten, welcher der Partei zumindest etwas Einfluss sichert. Manches am Haushalt sähe anders aus, wenn Hannelore Kraft nicht ein wenig Rücksicht nehmen müsste.

Mag sein, dass es auch gute Argumente für eine Ablehnung des Etats gibt. Aber Glaubwürdigkeit, das hat das Düsseldorfer Beispiel gezeigt, ist keine Frage des Papiers. Die Entscheidung der Linken wurde nicht wegen, sondern trotz der Haltelinien getroffen – in einer streitbaren (siehe hier und hier) aber am Ende demokratisch entschiedenen Debatte. Nun ist ein Etat keine Koalition, und trotzdem könnte die Erfahrung aus der parlamentarischen Realität eines als besonders links geltenden Landesverbandes dazu bei­tragen, den heiligen Streit um die „roten Haltelinien“ der Partei ein wenig zu erden.

Antworten auf die „Regierungsfrage“ liegen weder in einem „entschärften“ Programm, noch wird die Linke brauchbare Lösungen durch quellenstrenges Einhalten abstrakter Regeln finden. Die Wahrheit ist eben konkret, das wusste schon ­Lenin. Die Linke muss deshalb nicht nach Moskau blicken – in Düsseldorf sieht sie genug.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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