Ein Anfang: Zehntausende gegen schwarz-gelbe Rotstiftpolitik

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Verdi-Chef Frank Bsirske hat angekündigt, „den Widerstand gegen die unsoziale und konjunkturschädliche Rotstiftpolitik von Schwarz-Gelb, gegen die Entsolidarisierung der Sozialsysteme und gegen die einseitige Lobbypolitik in die Fläche“ zu tragen. Man wird darüber diskutieren müssen, was das heißt: mehr und häufigere Großdemonstrationen? Oder die Renaissance einer in den Alltag eingebundenen Widerstandskultur, die „kleinere“ Protestformen mit gelebter Solidarität zwischen Betroffenen verbindet?

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Für letzteres spricht einiges, auch die Bilanz dieses Samstags. In Berlin und Stuttgart haben mehrere zehntausend Menschen gegen die Sparpläne der Bundesregierung demonstriert: "Die Krise heißt Kapitalismus", hieß es auf Transparenten – oder: "Rente muss zum Leben reichen". Während die Polizei von rund 20.000 Teilnehmern sprach, zählten die Organisatoren mehr als doppelt so viele. So oder so war es ein wichtiges Signal des Protestes – aber auch ein vergleichsweise schwaches. Im vergangenen Frühjahr waren deutlich mehr Menschen einem Aufruf des selben Bündnisses aus gewerkschaftlichen Gliederungen, Sozialinitiativen, linken Gruppen und Parteivertretern gefolgt. Am Bildungsstreik der Schüler und Studenten beteiligten sich in dieser Woche ebenfalls weit mehr Menschen. Und gemessen an den Ankündigungen aus Opposition und Gewerkschaftszentralen, auf das Sparpaket nun mit „Riesenprotesten“ und „massivem Widerstand“ zu reagieren, können die Aktionen am Samstag allenfalls ein Anfang gewesen sein.

Ein Anfang übrigens, der auf dem Engagement von lange Zeit in der Öffentlichkeit wenig beachteten Bündnissen aufbaut; auf der politischen Arbeit von Menschen, die sich seit vielen Monaten dafür engagieren, dass eine Politik der Abwälzung von Krisenkosten auf die abhängig Beschäftigten und Transferbezieher auch jenseits des Parlaments nicht unwidersprochen bleibt. Manche Parteizentrale und einige der Gewerkschaftsvorsitzenden sollten jetzt nicht so tun, als ob es „ihr“ Protest gewesen wäre, der sich da am Samstag auf den Straßen zeigte.

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Angela Merkel ließ sich am Samstag mit der Äußerung zitieren, die Menschen wüssten doch, „dass wir sparen und Schulden abbauen müssen“. Nur ist es eben nicht so, dass „wir“ sparen - sondern die einen sanieren sich auf Kosten der anderen. Im Krisenjahr 2009 wuchs einer aktuellen Studie zufolge das private Depot-Vermögen weltweit um 11,5 Prozent auf 111,5 Billionen Dollar an – die Verluste aus dem Katastrophenjahr 2008 wurde damit nahezu ausgeglichen. Auch die Zahl der Millionäre stieg im vergangenen Jahr an.

Die Menschen würden nicht länger akzeptieren, „dass sie für die neoliberale Politik, die in die Krise geführt hat, zahlen sollen, während Banken und Konzerne als Verursacher ungeschoren davon kommen”, hat die Sprecherin des Protestbündnisses, Christina Kaindl, heute gesagt. Merkel hat den von ihrer Regierung geplanten Schuldenabbau dagegen auch noch als Beitrag für „innere Frieden und sozialer Gerechtigkeit“ gelobt. Sie erwarte nicht, so die Kanzlerin, dass es „zum Aufstand“ gegen ihre Politik komme. Ob diese Erwartung enttäuscht und ein Fenster der alternativen Möglichkeiten aufgestoßen wird, haben die Menschen nur selbst in der Hand. Das Bündnis “Wir zahlen nicht für Eure Krise!”, das sich mit den beiden Demonstrationen in Berlin und Stuttgart „zufrieden“ zeigte, hat „einen kämpferischen Sommer und Herbst“ angekündigt. Wie war es in Berlin zu hören? "Auf die Straße, schließt Euch an, morgen seid ihr selber dran!"

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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