Ein Bild von einem Vorsitzenden

Dachverband Michael ­Sommer führt seit 2002 den DGB. Nun kandidiert er noch einmal für das Amt – zum letzten Mal. Eine vorläufige ­Bilanz

Michael Sommer betont gern, dass er ein Gegner der Rente mit 67 ist. Und er hat klargestellt, dass dies auch für ihn selbst gilt. Wenn Mitte Mai der Deutsche Gewerkschaftsbund in Berlin zum Bundeskongress zusammenkommt, will Sommer zum letzten Mal für das Amt des Vorsitzenden kandidieren. Seit 2002 steht der 58-Jährige dem DGB vor. Wie fällt die Bilanz bis hierher aus?

Ungerecht wäre, dem Bild zu folgen, das manche Medien von Sommer erzeugen und auf das dieser, nicht gerade ein begnadeter Redner, kaum Einfluss hat. Gegen die geschmeidigen Entertainer des Marktliberalismus muss der etwas hölzerne DGB-Vorsitzende mit Argumenten punkten, die als traditionell, falsch und altbacken gelten. Gewerkschaften können mit Beifall rechnen, wenn sie sich Selbstbeschränkung auferlegen oder bei der Kanzlerin artig Aufwartung machen. Wird irgendwo gestreikt oder aus anderem Grunde die Faust geballt, ist immer gleich der Standort in Gefahr.

Klebrige Überparteilichkeit

Dabei führt der einstige Postgewerkschafter mit dem DGB ein Bataillon ohne Waffen an. Tarifpolitik machen die Einzelgewerkschaften, der Dachverband ist auf eine gesellschaftspolitische Rolle festgelegt, die ganz klebrig ist vor demonstrativer Überparteilichkeit. Neben ihm, das kommt hinzu, kämpfen starke Organisationen wie die IG Metall, die IG BCE und Verdi – sie zeigen dem Dachverband dann und wann, wer Koch und wer Kellner ist.

Sommer muss sparen, muss eine Organisationsreform vorantreiben, von der alles Mögliche ausgehen kann, aber kein Marketingimpuls für den DGB. Im Lager der Gewerkschaften, die zwar schrumpfen aber immer noch über sechs Millionen Mitglieder zählen, gehen die Meinung in vielen Fragen auseinander. Wenn der DGB gerade einmal wieder die Regierung gepriesen hat, setzt es Kritik von links. Wenn der Vorsitzende mit einem drastischen Sprachbild versucht, einen Pflock in die öffentliche Diskussion zu schlagen, heult es auf der Rechten.

Dahinter steckt ein strukturelles Problem. Ein DGB-Vorsitzender ist die lebende und vielleicht auch leidende Klammer, die zusammenhalten soll, was durch unterschiedliche Interessen in Widerspruch ­zueinander steht: Kapital, Arbeit, Stellenbesitzer, Erwerbslose, Prekäre, Standortinte­ressen, Einzelgewerkschaften, Dachverband, Parteipolitik. Man kann es nicht allen Recht machen. Michael Sommer versucht es. Er hat drei verschiedenfarbige Regierungen erlebt: Rot-Grün, die große Koalition und Schwarz-Gelb. Stets gab es beides, Lob und Tadel für die Regierenden, was die Konturen des politischen Standorts von Sommer ein wenig hat verschwimmen lassen.

Strategie der Schlagworte

Im Gedächtnis bleibt eine Strategie der Schlagworte, bleiben die Aufmerksamkeitsbojen, ausgeworfen im medialen Meer. Gerade hat Sommer vor rechtpopulistischen Tendenzen in der FDP gewarnt. Guido Westerwelles Politik sei es, einen Spaltkeil in die Gesellschaft zu treiben. „Wen spielen wir morgen gegeneinander aus“, fragte der DGB-Vorsitzende, „Ausländer gegen Inländer?“ Das saß und brachte Schlagzeilen. Aber bewirkt es auch politisch etwas?

Als Sommer vor einem Jahr vor „sozialen Unruhen“ im Gefolge der Krise warnte, sorgte das ebenfalls für einigen Wirbel. Der DGB-Vorsitzende hatte gemeint: „Entweder die Politik und die Arbeitgeber agieren entsprechend oder es spitzt sich zu.“ Heute will Michael Sommer sich zwar „nicht übermäßig selbst loben“. Aber doch ein bisschen. „Das Einwirken auch von mir hat mitgeholfen, dass es eine andere Form von Krisenreaktion gab“, sagt der DGB-Chef.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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