Ein Gespenst geht um

Linkspartei Wieder einmal enthüllt Hubertus Knabe „die Wahrheit“ über die Linkspartei. Wer sein neues Buch gelesen hat, fragt sich, warum der Mann eine Gedenkstätte leiten darf

Man hat es ja schon geahnt, wo so viel von Verstaatlichung geredet wird: 20 Jahre nach der Wende „drängt eine Partei an die Macht, die sich die Abschaffung des Kapitalismus auf die Fahnen geschrieben hat“. Das berühmte „Gespenst des Kommunismus“ aus dem Manifest geistert „überraschend aktuell“ durch die Lande, es droht „womöglich eine neue Diktatur“ – wenn die Linke demnächst das Ruder übernimmt. Doch niemand will „die Wahrheit“ wissen, eine bedrohte Demokratie, eingelullt von der „völlig unkritischen Haltung der bundesdeutschen Medien“. Wäre da nicht Hubertus Knabe, der einsame Mahner gegen die „schleichende Gewöhnung“ der FDGO-Deutschen an „Honeckers Erben“.

Vom Standpunkt des Marketings für eine Neuerscheinung auf dem umkämpften Sachbuchmarkt betrachtet, ist das eine gute Geschichte. Kritische Davids ziehen immer, umso besser, je größer und schrecklicher der Goliath gezeichnet wird. Auch ein paar knallige Thesen sind nicht verkehrt. Muss ein Buch bloß deshalb „wahr“ sein, weil das Wort „Wahrheit“ auf dem Deckel steht? Was ist das überhaupt: historische Wahrheit? Und hatten sich nicht jene mit genau der blamiert, vor denen Knabe nun warnt, indem er seine Wahrheit über sie enthüllt?

Enthüllt? Man braucht das jüngste Werk des Leiters der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen nicht lesen. Es steht nichts Neues darin. „In anderem Zusammenhang veröffentlichte Erkenntnisse werden jetzt noch einmal aufgegriffen und vertieft“, schreibt Knabe selbst gleich zu Beginn und damit könnte man es eigentlich fast auch schon belassen. Der Autor hofft, es werde im Wahljahr 2009 einen „gewissen Nutzen“ haben, bitte sehr, das wünschen sich andere von ihren Publikationen auch. Über die Art von politischem Geifer, die man von Knabe kaum anders kennt und die der Deutschlandfunk als Schreibe mit „Schaum vor dem Mund“ ganz richtig charakterisiert hat, sollte man sich nicht übermäßig erregen. Das würde – die alten Genossen, die Knabe zu ihrem Lieblingsfeind erkoren haben, zeigen das – bloß dazu führen, dass man dem Gegenstand seiner Kritik ähnlicher wird, als man es sich wünschen sollte. Was übrigens umgekehrt genauso gilt, aber einer wie Hubertus Knabe merkt das nimmer.

Das Skandalon in diesem Fall liegt woanders. Es ist ein fachwissenschaftliches und letztlich politisches Problem. Warum darf Knabe ein aus Steuermitteln finanziertes Museum leiten? Was qualifiziert ihn dazu? Wer behauptet, die Medien würden mit der DDR-Vergangenheit der Linkspartei schonend umgehen, und als Historiker, der die Forschung kennen müsste, sagt, es gebe „kein Buch, das sich kritisch mit der Linkspartei auseinandersetzt“ – müsste der nicht als hinreichend disqualifiziert gelten? Wie wahrnehmungsresistent ist der Mann eigentlich, der doch nicht nur in seinem Hausblatt, Springers Welt, ausreichend Beweise finden kann, die seiner Behauptung widersprechen. Und der offenbar nicht einmal die Studie seiner Brüder im Geiste, der Totalitarismustheoretiker Eckhard Jesse und Jürgen P. Lang, über den „smarten Extremismus einer deutschen Partei“ kennt – wahrlich kein unkritisches Buch über die Linke.

Apropos Totalitarismus: In der fortgeschriebenen Gedenkstättenkonzeption des Bundes wird dem deutsch-deutschen Aufarbeitungsbetrieb aufgegeben, „den Unterschieden zwischen NS-Herrschaft und SED-Diktatur Rechnung zu tragen“. Bei Knabe, der für eine zur Hälfte vom Bund finanzierten Landesstiftung arbeitet, liest man: Die Linkspartei sei nicht nur die umetikettierte SED, sondern „eigentlich schon am 1. Januar 1919“ gegründet worden – als KPD. Kommunisten wie Rosa Luxemburg wurden dann erst „selbst zu Opfern ihrer Gewaltpolitik“, bis ein paar Jahre später schließlich „die KPD selbst maßgeblich dazu beitrug, Hitler an die Macht zu bringen“. Die Gemengelage vor 1933 sei heute „im Angesicht von Wirtschaftskrise, Politikverdrossenheit, SPD-Niedergang und der Wahlerfolge radikaler Parteien wie der Linken … wieder beunruhigend aktuell geworden.“

Wie beginnt noch gleich das Buch? „Ein Gespenst geht um ...“ Wohl wahr. Sein Name: Hubertus Knabe.

Honeckers Erben. Die Wahrheit über Die LinkeHubertus Knabe, Propyläen, Berlin 2009, 448 Seiten, 22,90

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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