Es ist schon eine merkwürdige Geschichte: Da benennt die Bundesregierung den umstrittenen Roland Berger als Koordinator der Verhandlungen über eine Zukunft von Opel. Wissend, dass der Unternehmensberater in einem Aufsichtsgremium von Fiat sitzt, jenem italienischen Konkurrenten, der nun plötzlich als Investor gehandelt wird. Möglicherweise benutzt der Konzern sein „Interesse“ an der deutschen GM-Tochter jedoch nur, um die Gewerkschaften des US-Autobauers Chrysler zu größeren Zugeständnissen zu bewegen, den Fiat ebenfalls übernehmen will. Ebenso denkbar ist, das der finanziell selbst angeschlagene italienische Konzern es insofern ernst meint, als dass der Einstieg bei Opel Zugriff auf deutsche Bürgschaften ermöglichen könnte.
Offenbar sind über den Fiat-Deal schon Gespräche mit dem Wirtschaftsministerium geführt worden, das von Theodor Guttenberg geleitet wird. Der CSU-Mann gehört zu den Kritikern einer Staatsbeteiligung und hat also Interesse, den Fall Opel möglichst schnell anderweitig zu lösen. Wie der Union überhaupt daran gelegen sein muss, den Einstieg des Staates zu verhindern. Einerseits, um neuem ordnungspolitischem Streit in den eigenen Reihen aus dem Weg zu gehen. Und andererseits, um der SPD keine Wahlkampfvorlage zu liefern, die sich bisher erfolgreicher als Opel-Retter darstellen konnte.
Die Frage ist, worin besteht und wie lange hält eine solche Rettung? Die Übernahme von Opel durch private Investoren nimmt den Beschäftigten nur kurzfristig die Sorgen. Die Reorganisation einer Branche, deren Mobilitätskonzept falsch ist und deren Überkapazitäten riesig sind, wird noch eine Weile anhalten. Wer am Ende als Überlebender dasteht, lässt sich nicht so einfach vorhersagen. Wie schnell sich die Dinge ändern können, zeigen die Fälle Schaeffler-Conti und VW-Porsche, in denen aus Käufern nun rasch Gekaufte werden könnten. Dass ausgerechnet Opel plötzlich wie Phönix aus der Asche steigt, ist allerdings nicht zu erwarten.
Betriebsräte und die Gewerkschaft warnen jetzt vor Kahlschlag, falls Fiat zum Zuge kommt. Experten nähren die Befürchtung, dass bei einem Zusammengehen die berüchtigten Synergieeffekte zu drastischem Stellenabbau bei Opel führen würden. Der Bochumer Betriebsratschef wies darauf hin, dass beide Autobauer das „gleiche Produkt-Portfolio“ haben, der geplante Einstieg also darauf hinauslaufen könnte, einen Konkurrenten loszuwerden. Auch der Frankfurter IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild tritt auf die Euphorie-Bremse: Es gebe noch andere mögliche Interessenten – sowohl aus der Finanzbranche als auch industrielle Investoren. Man dürfe sich deshalb nun nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Lange hat Opel aber womöglich nicht mehr Zeit, den befürchteten Kahlschlag könnten zudem auch andere Investoren betreiben.
Politisch bekommt die Belegschaft bei ihrer Kritik an Fiat Rückendeckung unter anderem von der SPD und der Linkspartei. Ganz anders die Union. Roland Koch, in dessen Amtsbereich Hessen sich ein Opel-Standort befindet, jubelte geradezu über die Kaufinteressenten. Der Wirtschaftsfachmann Michael Fuchs forderte den Opel-Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz sogar auf, dankbar „auf Knien über die Alpen“ zu rutschen. Dass Fiat es auf Steuergeld abgesehen haben könnte, juckt Fuchs keineswegs. Denn „immerhin wäre eine Staatsbeteiligung bei Opel endgültig vom Tisch“.
Genau darum geht es also, und genau eine solche Staatsbeteiligung wäre jetzt dringend geboten. Will die Gesellschaft Einfluss auf die Entwicklung bei Opel nehmen, und zwar langfristiger als nur bis zum Wahltermin im Herbst, bleibt als schnelle Lösung nur der Staat als Eigentümer. Das Modell gilt zwar aus historischen und gegenwärtigen Gründen als nicht besonders schick. Entscheidungen über den ohnehin notwendigen Umbau der Autobranche wären im Fall Opel dann aber viel eher als jetzt der politischen Aushandlung unterworfen.
Wie schnell das Zeitfenster für einen VEB Opel zufallen könnte, zeigt sich gerade. Musste jeder, der einen Staatseinstieg ablehnte, bis vor kurzem noch damit rechnen, im Wahlkampf als potenzieller Arbeitsplatzvernichter gebrandmarkt zu werden, sonnen sich die Freunde des freien Marktes nun im Lichte der ach so freundlichen Kaufinteressenten. Egal ob Fiat, Magna oder Gaz: Mit der Union an der Spitze drängen sie auf eine Konsolidierung der strukturkranken Autobranche allein über den Wettbewerb – mit allen Konsequenzen.
Dabei wäre Opel derzeit billig zu haben. General Motors ist dem Vernehmen nach bereit, eine Mehrheitsbeteiligung kostenlos abzugeben – wenn der Investor eine Kapitalspritze von mindestens 500 Millionen Euro mitbringt. Gemessen an den Milliarden, die in Banken gesteckt werden, auf die man sogar verzichten könnte, ist das geradezu ein Schnäppchen.
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