Am Vormittag präsentierte Verteidigungsminister Thomas de Maizière das neue Stationierungskonzept der Bundeswehr. Am Abend saß Jürgen Dannenberg „mit den Kameraden“ des Luftwaffenstandorts in Schönewalde-Holzdorf zusammen. Die Entscheidung der Regierung sei auch für die Truppe im Dreiländereck von Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen „nicht schön“ ausgefallen, sagt der Landrat von Wittenberg. Aber es hätte schlimmer kommen können. Oder besser. Jedenfalls anders.
Bis 2017 sollen nach den Plänen de Maizières bundesweit 31 Standorte geschlossen und 90 „signifikant“ reduziert werden. Schleswig-Holstein verliert die meisten Kasernen, Bayern die meisten Soldaten. Im brandenburgischen Schönewalde-Holzdorf fallen 130 von gut 1.800 Dienstposten weg. Dannenberg und seine Kollegen aus dem Elbe-Elster-Kreis und aus Nordsachsen hatten um den kompletten Erhalt gekämpft. Es gab eine Veranstaltung mit dem Standortältesten, eine „Unterstützungsaktion“, wie es in der Regionalzeitung hieß. Der 59-Jährige hat sich „mehr erhofft und gewünscht“. Jetzt, wo die Entscheidung gefallen ist, zeigt er sich „dennoch dankbar, Gehör gefunden zu haben in Berlin“.
Dass Kommunalpolitiker die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn Standorte verkleinert oder geschlossen werden, ist keine Überraschung. Dass Politiker der Linkspartei die Bundeswehr in ihrer Region halten wollen, ist zumindest erklärungsbedürftig. Die Partei fordert in ihrem Programm eine drastische Abrüstung. Sie „verfolgt langfristig das Ziel eines Deutschlands, eines Europas ohne Armeen“. De Maizières Stationierungskonzept ist Teil einer Neuausrichtung der Truppe, die von der Linken heftig kritisiert wird. Die Linke gehört vor Ort zu den parteipolitisch aktivsten Unterstützern von Protestbewegungen gegen Truppenübungsplätze. Und doch bricht die Partei vor Ort nicht in Jubel aus, wenn Kasernen geschlossen werden.
Von der Armee ins Heer der Arbeitslosen
Im Gegenteil: Jörg Kubitzki etwa, Linken-Kreischef im Thüringer Unstrut-Hainich-Kreis, wo der Standort Mühlhausen geschlossen wird, spricht von einem „schweren Schlag“ vor allem für die Zivilbeschäftigten. „Entweder sie bekommen Arbeit an anderen Standorten und ziehen von Mühlhausen weg oder reihen sich ein in das Heer der Arbeitslosen“, sagt Kubitzki. „Auch wenn ich als Linker für Abrüstung bin, so muss diese aber planbar erfolgen.“ Dannenberg sieht es genauso. Die Reform bei der Bundeswehr beinhalte zwar auch Schritte der Abrüstung. Das Problem sieht er aber ganz woanders: bei der regionalen wirtschaftlichen Rolle der Truppe. Und bei der Frage, wer diese ersetzen soll. Im Umkreis von Holzdorf, wo keine industriellen Leuchttürme in den Himmel, dafür aber die Erwerbslosenquoten zweistellig in die Höhe ragen, hängen 800 bis 900 Arbeitsplätze direkt am Fliegerhorst. Und da sind die Aufträge für die Baufirmen der Region, sagt Dannenberg, noch nicht einmal eingerechnet.
Der Standort war einmal der modernste Militärflugplatz der DDR. Nach 1990 wurden 230 Millionen Euro hier investiert, weitere 90 Millionen sind eingeplant. Dannenberg findet, die friedenspolitischen Positionen seiner Partei und sein Werben für den Erhalt des Standortes seien durchaus in Einklang zu bringen. Die Bevölkerung sieht die Bundeswehr hier nicht nur als Armee, sondern als Helfer im Katastrophenfall. Die in Holzdorf stationierten Hubschrauber hätten bei zwei schweren Elbefluten und einem Hochwasser an der Schwarzen Elster Großes geleistet. Und außerdem, findet Dannenberg, werfe die Parole „Schwerter zu Pflugscharen“ die Frage auf, wie eine sozial verträgliche Konversion möglich sein soll, zumal in strukturschwachen Regionen.
Die Linksfraktion im Magdeburger Landtag hat die Landesregierung aufgefordert, sich in Berlin für eine Kompensation der „strukturellen, wirtschaftlichen und städtebaulichen Folgen“ einzusetzen. Ein Konversionsprogramm sei „allemal sinnvoller als weitere Lösungen auf Zeit“ und sichere zudem die Arbeitsplätze in der Region auf Dauer.
Soziale und ökologische Konversion
Soweit wollen die Ministerpräsidenten der 16 Länder, welche die Bundesregierung zu Hilfen für die betroffenen Kommunen aufgefordert haben, zwar nicht gehen. Doch die Sorge um Jobs und Kaufkraft teilen sie. Schwarz-Gelb lehnt eine Generalhilfe ab und verweist auf Gelder, die bereits ausdrücklich für Umstrukturierungen gewährt worden seien. 1993 sei der Umsatzsteueranteil für die Länder um zwei Punkte erhöht worden – was im vergangenen Jahr unter dem Strich 3,6 Milliarden Euro fließen ließ. Hinzu kommen Bundesmittel für die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und für den Städtebau.
Doch reicht das in einer Republik der klammen Kommunen, denen immer neue Aufgaben übertragen werden und deren Spielraum zugleich von der Schuldenbremse eingeschnürt wird? So, wie es kommunale Erfolgsgeschichten nach dem Abzug der Bundeswehr gibt, so kennt jeder auch Beispiele, wo sich das Siechtum nach der Schließung von Kasernen noch beschleunigte.
Dannenberg, der Betriebsschlosser lernte, später bei der SED-Kreisleitung für Landwirtschaft zuständig war und seit 1990 in der Anhalter Kommunalpolitik aktiv ist, wünscht sich, dass die Frage einer sozialen und ökologischen Konversion auch in der Linken noch mehr in den Vordergrund tritt. Auf dem Papier fordert die Partei umfangreiche Programme zum Umbau von militärischen auf zivile Strukturen und tritt für einen Umgang mit den frei werdenden Liegenschaften ein, bei dem nicht die gewinnbringende Verwertung im Vordergrund steht, sondern die Entwicklungsmöglichkeiten der Städte und Gemeinden. Und dennoch werde, meint der Wittenberger Landrat, bei all den friedenspolitischen Rufen nach Abrüstung und Bundeswehr-Schrumpfung oft noch „zu wenig darüber diskutiert, was danach kommen soll“.
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