Erstes Treffen im Holiday Inn: Rot-rot-grüne Sondierungen in NRW

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Was das „Holiday Inn“ in der nordrhein-westfälsichen Landeshauptstadt zu bieten hat, darüber werden heute sogar die Leser des österreichischen Standard informiert: „Komfortable Meetingräume“ gibt es in dem Hotel am Graf-Adolf-Platz, „so werden kleinere Meetings oder Trainings zum großen Erfolg.“ Ob auch die ersten Sondierungsgespräche von SPD, Grünen und Linken so ausgehen, wird sich zeigen. Ab 13 Uhr treffen sich die Verhandlungsdelegationen der Parteien. Wann die Gespräche beendet werden, war unklar – das Ende sei „nach unten offen“, hieß es. Die NRW-Linke hat zuletzt immer wieder betont, „geschlossen, handlungsbereit und inhaltlich klar positioniert“ in die Sondierung zu gehen – nicht zuletzt eine Reaktion auf Medienberichte über einen internen „Machtkampf“.

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Dass es unterschiedliche Meinungen bei der Linken über die Frage von Regierungsbeteiligungen gibt, ist zwar nicht gerade neu. Dass dem Blog Wir-in-NRW aus Linksparteikreisen nun aber Emails zugespielt wurden, hält die Maschinerie in Gang. (Bisher wurde immer den „Realos“ unterstellt, mit Durchstechereien an die Medien die „guten Linken“ diskreditieren zu wollen. Hier war es nun offenbar ein Regierungskritiker, der internen Schriftwechsel an die Öffentlichkeit brachte, damit die Linke nicht „als Sättigungsbeilage auf einem rot-grünen Teller verfüttert“ wird.) Die Tageszeitung schreibt dazu: „Offenbar gibt es Genossen direkt im Machtzentrum der NRW-Linkspartei, die so gezielt versuchen, die rot-rot-grüne Annäherung zu torpedieren. Die Parteispitze sucht intensiv nach dem Leck. Bislang ohne Erfolg.“

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Mindestbedingungen und Glaubwürdigkeit
Auf allen Kanälen haben Mitglieder der Verhandlungsgruppe der Linkspartei in den vergangenen Stunden noch einmal ihre Position klargemacht: Es gehe „um die Perspektive eines tatsächlichen Politikwechsels“, erklärt Bärbel Beuermann. Dieser müsse „sachlich und finanziell für die Legislaturperiode von fünf Jahren gesichert werden“, sagt Wolfgang Zimmermann – und verweist auf das „Dringlichkeitsprogramm“ der Linken, in dem zugleich die „Mindestbedingungen“ für einen Koalitionseintritt markiert sind. Und auch dieser Standard darf nicht fehlen: Die Linke werde sich an keiner Regierung beteiligen, „die Privatisierungen, Personal- und Sozialabbau vornimmt und die nicht die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen verbessert“. Ulrich Maurer, der als Vertreter des Bundesvorstands an der Sondierung teilnimmt, hat im Deutschlandradio zwar keinen „Preis“ genannt, der für die Linke zu hoch wäre, um eine rot-grüne Koalition mit der nötigen Mehrheit zu versehen – aber doch klargemacht, dass man die eigene Glaubwürdigkeit „natürlich nicht aufs Spiel setzen“ werde.

Viel über den Verfassungsschutz und die Verstaatlichungsforderung musste Linken-Sprecherin Katharina Schwabedissen am Donnerstagmorgen im Deutschlandfunk reden – bevor es am Ende des Interviews dann auch hier noch einmal um die Regierungsfrage ganz grundsätzlich ging. „Die Frage ist doch, inwieweit wir jetzt politische Verantwortung übernehmen müssen und gleichzeitig uns aber ganz klar machen müssen, dass eine Regierungsbeteiligung eine Partei verändert“, so Schwabedissen, die damit auch sich selbst ergänzte: Ein inzwischen oft zitiertes Interview mit ihr in der DKP-Zeitung UZ sei nicht als direkte Absage an Regierungsbeteiligungen zu verstehen, sondern eher eine Aussage im Rahmen einer „politiktheoretischen Debatte“. Sie habe zwar „gesagt, es besteht die Gefahr, dass das in die falsche Richtung geht“. Aber das heiße nicht, „dass das so eintritt“.

Über welche politischen Punkte die Linkspartei in der Sondierung mit SPD und Grünen konkret sprechen will, ist offiziell nicht bekannt gegeben worden. Im Internet findet sich eine Liste mit Themen, die der siebenköpfigen Delegation offenbar als Verhandlungsgrundlage dient.

Demokratietest und Journalistenkritik
Bevor es am Donnerstag um politische Eckpunkte eines möglichen Bündnisses geht, wird von der Linkspartei eine Art staatsbürgerkundliches Attest verlangt. Hannelore Kraft von der SPD hat eigens betont, dass inhaltliche Fragen erst „relativ weit hinten“ auf der Liste der Themen stehen würden. Und der Grünen Sylvia Löhrmann geht es im Sondierungsgespräch „nun darum, ob die Linke, was den Verfassungskonsens unseres Staates angeht, zuverlässig ist“. Inwieweit Zweifel daran begründet sein könnten, wird meist gar nicht mehr erklärt, geschweige denn hinterfragt. Die Nennung der Linken im NRW-Verfassungsschutzbericht und die medial präsente Aufregung über Äußerungen der neuen Düsseldorfer Linkspartei-Abgeordneten über die DDR reichen als Belege offenbar aus.

Vor allem jener Fünf-Minuten-Beitrag im Report Mainz vor anderthalb Wochen prägt bis heute einen beträchtlichen Teil der Berichterstattung. Über die gesendeten Zitate kann man nicht allzu viel sagen, da sie womöglich aus dem Kontext gerissen wurden. Er kenne „auch die Teile der Äußerungen, die in diesem berühmten Reportmagazin weggeschnitten worden sind“, sagt Ulrich Maurer, die Angesprochenen hätten sich darin „sehr viel differenzierter geäußert“. Maurer nannte das ARD-Stück „ziemlich üblen Journalismus“ und verwies zugleich auf die Unerfahrenheit der Linkenpolitiker. Wobei man sich nach den Erfahrungen aus Niedersachsen erstens schon früher hätte fragen können, was da medial im Falle knapper Mehrheiten auf einen zukommen könnte. Und zweitens Ungeschicklichkeit nicht jede Äußerungen von berechtigter Kritik befreit. In einer der nun bekannt gewordenen internen Emails haben vergangene Woche Landessprecher Zimmermann und der parlamentserfahrene Ex-Grüne Rüdiger Sagel ihre Parteifreunde eindringlich ermahnt, sich an „Sprachregelungen“ zu halten und „verhalten und vorsichtig“ auf Journalistenfragen zu reagieren. „Bitte haltet Euch daran, lasst Euch nicht auf weitere Debatten ein. Ihr bestimmt was ihr sagt! Ansonsten kommen wir in schwierige Situationen.“

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Die schon aus Hessen und Thüringen bekannte Fokussierung auf geschichtspolitische Fragen ist sogar der Financial Times sauer aufgestoßen. „Statt mit den Problemen des Bundeslandes schlagen sich die Kontrahenten mit der untergegangenen DDR herum“, heißt es da. Zumal auf allen Seiten durchaus die Erkenntnis Raum greift, dass man in landespolitischen Fragen gar nicht so weit auseinander liegt. Linken-Sprecherin Schwabedissen sprach heute von rot-rot-grünen Schnittmengen bei „fast 80 Prozent der programmatischen Punkte“. Zwar gibt es größere Streitfragen, zum Beispiel in der Kohlepolitik. Da aber liegen die Steine eher zwischen Grünen auf der einen und SPD sowie Linken auf der anderen Seite. Und vieles steht zweifellos unter juristischen und Finanzierungsvorbehalten.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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