Es ist noch Platz für ein paar linke Parteien

SPD Konkurrenz belebt das Geschäft, auch das Geschäft der Politik
Ausgabe 49/2019
Rechts von der SPD ist es zum Bersten voll, links wäre noch Platz
Rechts von der SPD ist es zum Bersten voll, links wäre noch Platz

Foto: Carsten Koall/Getty Images

Jan Böhmermann hat nach dem SPD-Votum getwittert: „Wozu braucht Deutschland eigentlich eine zweite Linkspartei? Konstruktiv gefragt.“ Versuchen wir eine Antwort.

Eine zweite Linkspartei ist so nötig wie, sagen wir: eine einzige FDP. Also nicht besonders. Je ähnlicher sich SPD und Linkspartei werden, desto eher verteilen sich Zustimmung und Mobilisierungskraft zwischen beiden als Nullsummenspiel. Aktuell muss diesen Mechanismus eher die Linkspartei fürchten: Was ihr aufgrund von SPD-Enttäuschung in den vergangenen Jahren zugewachsen war, könnte nun gen linksrückende Sozialdemokratie wieder abfallen. Dass davon im Mitte-links-Spektrum die Grünen profitieren, ist so denkbar, wie es das fortschrittliche Lager insgesamt nicht größer machen würde. Weshalb auch weder SPD noch Linkspartei zu raten wäre, genauso wie die Grünen zu werden.

Etwas anderes ist es, wenn man unter „zweiter Linkspartei“ nicht bloß eine weitere Variante der einen versteht, sondern eine andere linke Partei. Von denen kann es ruhig noch ein paar geben. Warum? Weil in der heutigen komplexen Welt viele Rollen auszufüllen sind. An der SPD kann man sehen, dass das Modell des Tante-Emma-Ladens mit Von-allem-ein-bisschen-Angebot nicht mehr funktioniert. Bei den Grünen, die eher wie ein Spezialgeschäft wirken, ist das offenbar anders. Wo die Linke eine „Partei in Bewegung“ sein könnte, wäre die SPD eher eine „Partei in Tradition“. Man nähert sich, zum Beispiel in Sachen Solidarität, demselben Ziel, aber von unterschiedlichen Seiten. Auch sollte die SPD weiter evolutionär denken, damit man dabei nicht beim Status quo stehen bleibt, sollte bei der Linkspartei die Fahne der Utopie glaubwürdig flattern. Sozusagen als Windmacher. Für beide.

Man könnte sich sogar wünschen, dass noch eine weitere Linkspartei aufblüht – der Platz eines sozialen Liberalismus liegt ja ebenfalls brach. Außerdem belebt Konkurrenz das Geschäft, unterschiedliche linke Politikansätze sind Treibstoff für jeden einzelnen davon: aneinander klüger zu werden, nicht im eigenen Saft zu ertrinken. Und nicht zuletzt könnten mehrere Linksparteien auch für kommende Machtoptionen nützlich sein: In einem Regierungsbündnis müssten unterschiedliche Milieus und Interessen kooperativ vertreten sein, je mehr, desto besser – und verschiedene linke Parteien würden diese wie Bänder zusammenhalten. Das könnte eine Konstruktion für die Zukunft sein. Oder, Herr Böhmermann?

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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