FDP im freien Fall, Grüne bei 17 Prozent

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Für die politische Stimmung im Land gibt es nicht viele Gradmesser. Das Umfragewesen hat große Schwächen – von den methodischen Problemen über die Gefahren einer Demoskopie-Demokratie bis zu der arithmetischen Verengung des Denkens. Es gibt aber auch nicht viele alternative belastbare Daten. So bleibt auch die jüngste Debatte über den Zustand der schwarz-gelben Koalition ein wenig umfragefixiert. Vor allem der Absturz der FDP wird eifrig interpretiert. Die neuesten Zahlen, die am Mittwoch von Forsa und dem Stern vorgelegt wurden, geben nun neuen Anlass dazu: Die Liberalen stehen in dieser Umfrage nur noch bei acht Prozent. Schwarz-Gelb ist so schlecht taxiert wie zuletzt im Herbst 2001 und die Grünen klettern auf 17 Prozent.

Fragen wirft vor allem die Entwicklung der Liberalen auf. Sind fast die Hälfte der 14,9 Prozent FDP-Wähler vom September nun enttäuscht darüber dass die Westerwelle-Partei sich mit ihrem klientelistischen Programm nicht durchsetzen kann – oder liegt es eher daran, dass sie zu marktradikal und hotel-lobbyistisch auftritt? Die Meinungen gehen auseinander, in NRW sieht die FDP ihre Fälle vor der Landtagswahl davonschwimmen, die verunsicherte Bundespartei sucht ihr Heil im Angriff und will nun Tempo bei der Steuerreform machen.

Eine Erklärung hat Forsa-Chef Güllner, der meint, der Kauf der Steuersünder-Daten belaste das Ergebnis der Liberalen, weil viele Mittelständler nicht verstehen würden, dass der Staat sich, statt den Datenschutz hochzuhalten, Geschäfte mit Kriminellen macht. Andere Interpretationen laufen auf die Rolle des Parteivorsitzenden hinaus, der als Dauerdienstreisender zu wenig auf die innenpolitische Diskussion Einfluss nehmen und so die Schwächen der anderen FDP-Politiker nicht kompensieren könne.

Dass FDP-Vorstand und Fraktionschef im Kieler Landtag Wolfgang Kubicki nun schon „eine gewisse Auflösung der Ordnung der“ Liberalen sieht, illustriert, wie ernst die Lage bei der Partei selbst gesehen wird. Es mag da auch eine Prise innerparteilicher Machtkampf dabei sein. Die FDP sei „oft sprachlos“, es gebe „keinen, der die Botschaften zusammenbindet“, sagt Kubicki. Daran werden auch Krisengipfel wie jene am vergangenen Sonntag so schnell nichts ändern. Der Ex-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt sagte dem Stern, er sehe die Liberalen „in einer ausgesprochen schwierigen Lage“.

Forsa hat in einer weiteren Studie danach gefragt, wie die Deutschen die Arbeit der FDP-Minister in der Bundesregierung bewerten: Sabine Leutheusser-Schnarrberger an der Spitze des Justizressorts schneidet noch am besten ab – mit ihr sind 37 Prozent zufrieden. Bei Außenamtschef Westerwelle sind es nur 35 Prozent, bei Gesundheits-Reformator Philipp Rösler gerade noch 27 Prozent und bei Wirtschaftsminister Rainer Brüderle lediglich etwas mehr als ein Viertel. Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel ist der Anti-Liebling der deutschen Politik – seine Arbeit bewerten nur noch 15 Prozent der Befragten mit gut.

Regierungsbeteiligungen sind für langjährige Oppositionsparteien keine Jungbrunnen, soviel ist bekannt. Das Phänomen tritt lagerübergreifend auf. Und dennoch gibt es keinen Automatismus für den Absturz des kleineren Koalitionspartners kurz nach Bundestagswahlen. Im Februar 1999 zeigten sie die Grünen stabil, 2003 lagen sie Monate nach der Wahl vier Prozent im Plus, während vier Jahre später die SPD den Start in der großen Koalition mit deutlichen Einbrüchen bezahlte.

Interessant ist auch die Entwicklung im „linken Lager“, das nach Meinung vieler nicht mehr so genannt werden soll. Die SPD stagniert trotz einiger Erneuerungsgymnastik im Umfragekeller bei 22 Prozent. Die Linkspartei behauptet sich trotz Querelen und gegen die eher schlechte Presse der vergangenen Wochen außerordentlich stabil bei elf Prozent. Der Gewinner unter den Oppositionsparteien sind die Grünen – und man fragt sich warum. 17 Prozent sind neuer Rekord, der sich nach Meinung von Forsa-Mann Güllner vor allem aus dem Lager früherer SPD-Wähler speist.

Im Durchschnitt der aktuellsten Zahlen von sechs Umfrageinstituten ergibt sich folgendes Bild: Die Union kommt auf 35,4 Prozent, die SPD liegt bei 24,7 Prozent, die Grünen bei 13,6 Prozent. Die Liberalen sind seit der Bundestagswahl um ein Drittel geschrumpft und stehen bei 10 Prozent. Und die Linkspartei kommt im Schnitt auf 10,8 Prozent.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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