Fehlende Herzensbildung, zu wenig Geld

Demokratie Initiativen gegen Rechts brauchen mehr statt weniger staat­liche Förderung. Nun scheint die Union einzulenken. Doch zu hohe Erwartungen an die Projekte helfen auch nicht

Bevor der Bundestag am Dienstag in die Haushaltswoche startete, hatte sich das Parlament die Mordserie der Neonazis auf die Tagesordnung gesetzt. Vom Versagen der Behörden war die Rede, von Scham, politischen Konsequenzen und einem neuerlichen Anlauf zu einem NPD-Verbot. Ein Spiegelbild der Debatte der vergangenen Tage, in dem auch der Hinweis auf Probleme der Initiativen gegen Rechts nicht fehlen durfte: Wird die Demokratie-Arbeit vom Staat ausreichend finanziert?

Schon länger steht die unter schwarz-gelber Ägide unternommene Neuausrichtung der Programme in der Kritik. Die von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) verfochtene extremismustheoretische Äquidistanz, bei der rechts, links und islamistisch zu Problemen auf gleichem Niveau mutieren, sorgt seit Monaten für Kritik. Sichtbar wird das unter anderem am Streit über die Extremismusklausel. Und nun, trotz des großen Aufschreis über die „Zwickauer Zelle“, sollen auch noch Gelder für die Programme gestrichen werden.

„Nehmen Sie die Kürzungen zurück“, rief SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier der Familienministerin am Dienstag zu. Steffen Bockhahn von der Linken sagte, eine „problembewusste“ Ressortverantwortliche hätte sich für die Aufstockung der Mittel einsetzen müssen. Und die Grüne Renate Künast wollte bei Schröder gar einen „Mangel an Herzensbildung“ erkannt haben. Die CDU-Politikerin will davon indes nichts wissen. Die Opposition erhoffe sich mit ihren „Schuldzuweisungen einen billigen tagespolitischen Geländegewinn“.

Billig ist in diesem Zusammenhang ein passendes Stichwort. Erstens sind 27 Millionen Euro für „Maßnahmen zur Extremismusprävention“ im Entwurf des Bundeshaushalts nicht eben viel – für die Initiative Familienhebammen wird mehr Geld ausgegeben. Zweitens stehen nach dem bisherigen Etat für 2012 tatsächlich zwei Millionen weniger als im laufenden Jahr zur Verfügung. Drittens trifft die Einsparung nach Angaben der Opposition vor allem das neue Programm gegen Rechts – was die Regierung zunächst dementierte, bevor Unionsfraktionschef Volker Kauder ergänzte, es werde finanziell doch „auf den alten Stand“ gebracht. Und viertens wurde auch anderswo gestrichen, etwa im Etat der Bundeszentrale für politische Bildung, die bei der „geistig-politischen Auseinandersetzung“ mit rechtsradikalen Einstellungen mit 150.000 Euro weniger auskommen muss, oder bei „Projekten für demokratische Teilhabe und gegen Extremismus in Ostdeutschland“, die statt mit sechs künftig mit 4,5 Millionen Euro ausgestattet werden.

Zwei Millionen Menschen

Mobile Beratungsteams und Opferberatungsprojekte haben sich dieser Tage mit einem Appell zu Wort gemeldet und „langfristige Planungssicherheit“ gefordert. „Die Beratungsprojekte in den neuen Bundesländern und Berlin arbeiten seit nunmehr über zehn Jahren erfolgreich und unabhängig“, heißt es. Doch seien sie derzeit mit teils massiven Kürzungen konfrontiert. „In den alten Bundesländern sind sie komplett unterfinanziert oder existieren aus Mangel an Fördergeldern erst gar nicht.“ Andere Initiativen haben hingegen Verständnis für „plausible“ Einsparungen geäußert. Sie erhofften sich, heißt es, „Bürokratieabbau, den Verzicht auf unnötige Werbeprodukte für die Bundesprogramme und eine Verringerung der vielen wissenschaftlichen Evaluationen“.

Letztere haben den Projekten gegen Rechts eine positive Entwicklung bescheinigt. Die Arbeit habe sich „zunehmend professionalisiert“, heißt es etwa im Abschlussbericht zum Programm „Kompetent. Für Demokratie“, das Ende 2010 auslief. Zusammen mit dem Programm „Vielfalt tut gut“ sind dabei über 5.000 Einzelprojekte gefördert und über zwei Millionen Menschen erreicht worden. Das ist das eine. Das andere ist, dass sich trotzdem rechtsradikale Einstellungen in der Bevölkerung, wie Umfragen zeigen, kaum verringert haben.

Die Grünen haben nun ein 50-Millionen-Euro-Programm gefordert, Linken-Chef Klaus Ernst hat einen Demokratie-Fonds ins Spiel gebracht. So wichtig die ausreichende Förderung von Projekten gegen Rechts ist, so sehr sei davor gewarnt, diese mit zu hohen Erwartungen zu überfrachten. Selbst bei großzügiger Ausweitung der Mittel werden die Initiativen allein den Nährboden aus Demokratieermüdung, Alltagsrassismus, weithin akzeptierten Ideologien der „Ungleichwertigkeit“ und rechtsradikalen Einstellungen nicht trocken legen können.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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