Feministische Eröffnung

Linkspartei Das neue Programm der Linkspartei, die Regierungsfrage und die Suche nach einer Präambel: intern geht es vor allem um Selbstvermessung

Nur knapp hat die Linke den Wiedereinzug in die Bremer Bürgerschaft geschafft. In den Worten der Parteioberen vom Sonntag klang das nach Erfolg. Die Wahrheit stand am Montag in den Gesichtern der beiden Vorsitzenden: Das Ergebnis mag für Erleichterung bei Gesine Lötzsch und Klaus Ernst gesorgt haben, die erhoffte Trendwende für die stagnierenden Linken markiert die jüngste Wahl nicht.

Wenn Ernst trotzdem von einem „guten Zeichen“ spricht, dann nur deshalb, weil sich der Vorstand der Linkspartei am Wochenende auf einen gemeinsamen Entwurf für das neue Parteiprogramm geeinigt hat. Mehr als 21.000 Wörter stehen in dem Papier – in der öffentlichen Debatte schnurrt der Streit auf einige wenige Punkte zusammen. Die Friedenspolitik etwa, das Kapitalismusverständnis und natürlich die Regierungsfrage.

Dass die Linke künftig Koalitionen auch eingehen will, wenn deren Politik nicht die Aufgabenerfüllung des Öffentlichen Dienstes verschlechtert, statt Koalitionen auszuschließen, wenn staatliche Stellen abgebaut werden sollen – es sind Abstände auf dem Millimeterpapier programmatischen Ringens, die in der Linken als Unterschied ums Ganze gelten: „Eine Bewegung in die richtige Richtung“ hat der sächsische Landesvorsitzende Rico Gebhardt die Kompromissformulierung in der Tageszeitung genannt, einen Schritt zurück bedeutet er hingegen für die nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke.

Hierin zeigt sich der wahre Gebrauchswert des Programms: Selbstvermessung. In den Kompromissen sind die aktuellen Kräfteverhältnisse in der Linken beglaubigt. Es gebe „weder Sieger noch Besiegte“, sagt Vorstandsfrau Christine Buchholz. Und der Thüringer Fraktionschef Bodo Ramelow hat es begrüßt, dass nun in kontroversen Fragen wie jener nach den Auslandseinsätzen der Bundeswehr „Streitpunkte sauber und kulturvoll nebeneinanderstehen“.

Welche Rolle ein Parteiprogramm nach außen entfaltet, steht auf einem anderen Blatt. Als der erste Entwurf – noch maßgeblich von Oskar Lafontaine und, schon etwas weniger, von Lothar Bisky geprägt – im März 2010 vorgestellt wurde, meinten einige Linke, eine Debatte über die „große Erzählung“ der Partei werde dieser in der öffentlichen Wahrnehmung zugutekommen. Das war nicht bloß Pfeifen im Walde, mit dem man die Sorgen vor einem zerreißenden Streit verdrängen wollte. Sondern auch Ausdruck der Hoffnung, mit Inhalten politisch punkten zu können. Es kamen Kommunismusdebatte, Porsche und Personalquerelen.

Ein Problem der Linken zeigt sich in einer neuen Infratest-Umfrage. Im Vergleich zum Dezember 2010 ging die Zahl der Befragten, die der Linken am ehesten zutrauen, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen, von 12 auf 8 Prozent zurück. Deutlich geschmolzen ist auch der Anteil derer, die „im Großen und Ganzen wissen“, für welche Inhalte die Linke steht. Bei den eigenen Anhängern kommt die Partei weitaus besser weg: Eine Programmdebatte mag also die inhaltliche Kompetenz der schon Überzeugten stärken, sie macht aber auf die noch nicht Erreichten keinen Eindruck.

Noch offen ist die Formulierung der Präambel für das künftige Programm. Man habe erst über den Rest abstimmen wollen, sagt Ernst, der Einstieg solle nun darauf „zugeschnitten“ werden. Und auch Co-Chefin Gesine Lötzsch will nicht den Eindruck aufkommen lassen, dass es Schwierigkeiten bei der Formulierung gibt – bis zur nächsten Vorstandssitzung im Juli werde ein Entwurf vorliegen.

Vorschläge gibt es bereits – etwa vom radikalreformerischen Forum Demokratischer Sozialismus. Oder eine „feministische Eröffnung“, die Frauen verschiedener Parteiströmungen vor die bisherige Präambel eingefügt haben wollen. Mit „Politik um Zeit“ ist der achtseitige Antrag überschrieben, der die Fallhöhe einer „großen Erzählung“ hat, einer sehr modernen linken zumal.

Chancen dürfte die „feministische Eröffnung“ dennoch nicht haben. Sie sei zu lang und eine inhaltliche „Verengung“, findet Programm-Mastermind Ralf Krämer von der Sozialistischen Linken. Und außerdem „nicht sehr leserlich“, wie Sarah Wagenknecht meint, für Menschen, „die nicht in alle Debatten der Linken involviert sind.“

Als ob man das von anderen Passagen des Entwurfs nicht auch sagen müsste.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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